Название | Das Bildnis des Dorian Gray |
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Автор произведения | Oscar Wilde |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788726619256 |
Dorian Gray hörte zu, mit offenen Augen und staunender Seele. Der Fliederzweig glitt aus seiner Hand auf den Kies. Eine bepelzte Biene kam und umsurrte ihn einen Augenblick. Dann begann sie rings über den besternten. ovalen Ball mit den winzigen Blüten zu klettern. Er beobachtete sie mit jenem sonderbaren Interesse an den alltäglichsten Dingen, das, wir zu entwickeln suchen, wenn Dinge von hoher Bedeutung uns erschrecken, oder wenn wir durch ein neues Gefühl erregt werden, für das wir keinen Ausdruck finden können, oder wenn ein Gedanke, der uns erstarren macht, plötzlich unser Hirn bestürmt und Eintritt verlangt. Nach einiger Zeit flog die Biene fort. Er sah sie in den gefleckten Becher einer erotischen Winde kriechen. Die Blume schien zu erzittern und schwankte dann leise hin und her.
Plötzlich erschien der Maler in der Ateliertür und winkte ihnen lebhaft, hineinzukommen. Sie sahen einander an und lächelten.
„Ich warte“, rief er. „Kommt doch schnell. Das Licht ist fabelhaft, und Ihr könnt Eure Getränke mitbringen.“
Sie standen auf und schlenderten zusammen den Gartenweg hinunter. Zwei grünweisse Schmetterlinge flatterten an ihnen vorüber, und im Birnbaum an der Ecke des Gartens begann eine Amsel zu singen.
„Sie freuen sich, mich getroffen zu haben, Herr Gray“, sagte Lord Henry und blickte ihm voll ins Gesicht.
„Ja, ich freue mich jetzt! Wer weiss, ob ich mich immer freuen werde?“
„Immer! Das ist ein schreckliches Wort. Es macht mich schaudern, wenn ich es nur höre. Die Frauen gebrauchen es so gern. Sie verderben jedes Erlebnis durch den Versuch, es ewig dauern zu machen. Ausserdem ist es ein Wort, das nichts bedeutet. Zwischen einer Laune und einer lebenslänglichen Leidenschaft besteht nur der Unterschied, dass die Laune ein bisschen länger dauert.“
Als sie ins Atelier traten, legte Dorian Gray seine Hand auf Lord Henrys Arm. „Dann lassen Sie unsere Freundschaft eine Laune sein“, sagte er leise und errötete über seine eigene Kühnheit. Darauf schritt er rasch zur Estrade und nahm seine Stellung wieder ein.
Lord Henry warf sich in einen bequemen Rohrsessel und beobachtete ihn. Das Aufsetzen und Hinwischen des Pinsels auf der Leinwand bildete das einzige Geräusch, das die Stille unterbrach, ausser wenn von Zeit zu Zeit Hallward zurücktrat, um sein Werk aus der Entfernung zu betrachten. In den schrägen Strahlen, die durch die offene Glastür hereinströmten, tanzten goldene Sonnenstäubchen. Der schwere Duft der Rosen schien über allem zu brüten.
Nach einer Viertelstunde etwa hörte Hallward zu malen auf und schaute erst Dorian Gray, dann das Bild lange an, während er stirnrunzelnd am Stiel seines riesigen Pinsels kaute. „Es ist ganz fertig“, rief er endlich, beugte sich nieder und schrieb mit grossen roten Buchstaben seinen Namen in die linke Ecke der Leinwand.
Lord Henry kam herüber und betrachtete das Bild. Es war zweifellos ein wunderbares Kunstwerk, und wunderbar ähnlich dazu.
„Mein lieber Junge, ich beglückwünsche dich von ganzem Herzen“, sagte er. „Es ist das schönste Bildnis unserer Zeit. Herr Gray, kommen Sie her und sehen Sie selbst.“
Der Jüngling fuhr auf wie aus einem Traum. „Ist es wirklich fertig?“ fragte er leise und stieg von dem Podium herunter.
„Ganz fertig“, sagte der Maler. „Und du hast heute prachtvoll gestanden. Ich bin dir wirklich ungemein dankbar.“
„Das hast du ausschliesslich mir zu verdanken“, fiel Lord Henry ein. „Nicht wahr, Herr Gray?“
Dorian gab keine Antwort, sondern schritt versunken vor das Bild und hob den Blick. Als er es sah, erschrak er, und seine Wangen färbten sich augenblickslang mit der Röte der Freude. Ein entzückter Ausdruck kam in seine Augen, als habe er sich zum erstenmal erkannt. Er stand regungslos und verwundert, dunkel fühlend, dass Basil zu ihm sprach, aber unfähig, den Sinn seiner Worte zu fassen. Das Bewusstsein seiner Schönheit kam wie eine Offenbarung über ihn. Er hatte es nie zuvor empfunden. Basil Hallwards schwärmerisches Lob war ihm nur als reizende freundschaftliche Übertreibung erschienen. Er hatte es angehört, hatte gelacht und es zuletzt vergessen. Es hatte sein Wesen nicht beeinflusst. Dann war Lord Henry Wotton gekommen mit seiner seltsamen Hymne auf die Jugend, der furchtbaren Warnung vor ihrer Vergänglichkeit. Das hate ihn damals erregt, und nun, wie er dastand und auf den Schatten seiner eigenen Holdseligkeit starrte, durchblitzte ihn die ganze Wahrheit jener Schilderung. Ja, der Tag würde kommen, wo sein Gesicht faltig und verschrumpft, seine Augen stumpf und glanzlos, seine Gestalt gebrochen und entstellt sein würde. Das warme Rot würde von seinen Lippen weichen, das Gold sich fortstehlen von seinem Haar. Jenes Leben, das seine Seele formen würde, es würde seinen Körper zeichnen. Er würde hässlich werden, erschreckend, und ein Greuel.
Als er daran dachte, durchzuckte ihn ein scharfer Schmerz wie ein Messerstich und liess alle zarten Fibern seiner Natur erbeben. Seine Augen wurden tief wie Amethyste, und über sie regte sich ein Schleier von Tränen. Es war ihm, als hätte eine eisige Hand sein Herz berührt.
„Gefällt es dir nicht?“ rief Hallward endlich, ein wenig gekränkt durch des Jünglings Schweigen, dessen Bedeutung er nicht begriff.
„Natürlich gefällt es ihm“, sagte Lord Henry. „Wem sollte es nicht gefallen? Es ist eines der grössten Werke der modernen Kunst. Ich gebe dir jeden Preis dafür, den du verlangen magst. Ich muss es haben.“
„Es ist nicht mein Eigentum, Harry.“
„Wessen Eigentum ist es denn?“
„Dorians natürlich“, antwortete der Maler.
„Der Glückspilz.“
„Wie traurig!“ flüsterte Dorian, indes seine Augen immer noch unverwandt an seinem Bilde hingen. „Wie traurig! Ich werde alt werden und scheusslich und entsetzlich. Aber dies Bild wird immer jung bleiben. Es wird niemals älter sein als eben dieser Junitag . . . Wär’ es doch umgekehrt! Wenn ich ewig jung bliebe und das Bild altern müsste! Dafür — dafür — gäbe ich alles! Ja, es gibt nichts auf der Welt, das ich nicht dafür gäbe! Meine Seele gäbe ich dafür!“
„Du wärst schwerlich einverstanden mit solchem Tausch, Basil“, rief Lord Henry lachend. „Es wäre etwas hart gegen deine Arbeit!“
„Ich wäre ganz entschieden dagegen, Harry“, sagte Hallward.
Dorian Gray wandte sich und sah ihn an. „Ich glaube dir das, Basil. Du liebst deine Kunst mehr als deine Freunde. Ich bin dir nicht mehr als eine grüne Bronzefigur. Vielleicht nicht einmal so viel.“
Der Maler starrte ihn verblüfft an. Es sah Dorian so gar nicht ähnlich, so zu sprechen. Was war geschehen? Er schien geradezu erregt zu sein. Sein Gesicht war gerötet, und seine Wangen glühten.
„Ja,“ fuhr er fort, „ich bin dir weniger als dein elfenbeinerner Hermes oder dein silberner Faun. Sie wirst du immer lieben. Aber wie lange mich? Bis ich die ersten Runzeln habe, vermute ich. Ich weiss jetzt, wenn man seine Schönheit verliert, sie mag gross oder klein sein, so verliert man alles. Dein Bild hat es mich gelehrt. Lord Henry Wotton hat ganz recht. Jugend ist das einzige, was zu haben sich lohnt. Wenn ich merke, dass ich alt werde, so werde ich mich töten.“
Hallward erbleichte und griff nach seiner Hand. „Dorian! Dorian!“ rief er, „sprich doch nicht so. Ich habe nie einen solchen Freund gehabt wie dich und werde nie einen haben. Du bist doch nicht eifersüchtig auf leblose Dinge? — du, der herrlicher ist als sie alle!“
„Ich bin eifersüchtig auf alles, dessen Schönheit nicht stirbt. Ich bin eifersüchtig auf das Bildnis, das du von mir gemacht hast. Warum darf es behalten, was ich verlieren muss? Jeder Augenblick, der dahin geht, nimmt mir etwas und gibt es ihm. Oh, dass es doch umgekehrt wäre! Dass das Bild sich wandelte und ich ewig bleiben könnte,