Название | Tödliches Nickerchen am Mondsee |
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Автор произведения | Wilhelm Huch |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783969872529 |
Wullner hatte zuvor schon mehrmals vergeblich versucht, Waagner in seinem Redefluss zu unterbrechen, was jedoch immer daran scheiterte, dass Waagner unentwegt erzählte. Dies rächte sich nun, Waagner war rot angelaufen und – diesmal ohne zu laufen – massiv in den anaeroben Bereich geraten und begann nach Luft zu schnappen. Diese Chance ließ sich Wullner nicht entgehen.
„Was hat das eigentlich alles mit einem Krimi zu tun? Wird diese Hauskaufgeschichte die Leser nicht unendlich langweilen? Also, wenn du mich fragst, ich glaube, da wird nie etwas Vernünftiges daraus.“
Waagner schaute seinen Freund entgeistert an, erbat sich noch eine kleine Selbst-Reanimationsphase, um ihm dann zu erklären, was es mit dem Hauskauf auf sich hatte. Gerade diese nicht gänzlich alltäglichen Ereignisse rund um den Hauskauf würden in letzter Konsequenz seinen Protagonisten vielleicht die Nerven wegwerfen lassen und zu einer nicht wiedergutzumachenden Tat anstiften. Wullner bemerkte nur lakonisch, dass eine kleine Preistreiberei auf Verkäuferseite wohl kaum als besonders außergewöhnliches Ereignis gewertet werden konnte, sah sich aber schon kurz darauf – die anaerobe Phase war wieder vorbei – mit der Fortsetzung der Erzählung konfrontiert.
Die Preistreiberei des Verkäufers hatte meine Liebe zu dem Objekt rasch erkalten lassen, nicht so meine Frau, das heißt, meine Liebe zu ihr war noch nicht erkaltet, sie selbst war auch noch nicht erkaltet, aber irgendein Virus hatte von ihr Besitz ergriffen. Diesem Virus wurde nicht nur durch ihre große Sehnsucht, ein Grundstück für einen Swimmingpool ihr eigen nennen und mit Maiers wieder auf Augenhöhe verkehren zu können, sondern auch dadurch zum Ausbruch verholfen, dass wir das bisher noch nicht offiziell auf dem Markt befindliche Haus plötzlich von einem Immobilienmakler in einer Tageszeitung beworben sahen. Der Preis lag nun bereits 100.000 Euro höher. Da sich der Zugang zu Oberfettinger als extrem schwierig herausstellte – er war stets bei einer Verhandlung oder einer Klientenbesprechung und ließ dem Versprechen, er werde zurückrufen, nie die Tat folgen –, machte sich meine Frau an eine gewisse Frau Xenavier heran, die laut Grundbuch ein Vorkaufsrecht besaß. Vielleicht ließe sich über diese Dame ein Weg zum Wunschhaus meiner Frau finden, für das nun offenbar immer mehr Interessenten auf den Plan traten. Wen konnte es verwundern? Das Inserat des Immobilienmaklers war immerhin in den Oberösterreichischen Nachrichten, in der Kronen Zeitung und sogar im Volksblatt geschaltet worden. Während sich jedoch der Umweg über die Vorkaufsberechtigte als wenig erfolgreich erwies, hatte ich, der ich zunehmend von der Besessenheit meiner Frau angesteckt zu werden schien, mich mit einem anderen Rechtsanwalt namens Dr. Finda in Verbindung gesetzt.
Dieser war Sachwalter des ursprünglichen Hauseigentümers, eines gewissen Bubat, von dem Oberfettinger das Haus zwei Jahre zuvor gekauft hatte. Wie sich indessen herausstellte, hatte Oberfettinger das Haus dem Bubat allerdings nur vermeintlich abgekauft. Bubat war im Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses nämlich bereits entmündigt gewesen, was aufgrund eines Fehlers beim Grundbuchsgericht aber nicht rechtzeitig im Grundbuch angemerkt worden war. So wusste Oberfettinger beim Kauf des Hauses nicht, dass er für die Gültigkeit seines Kaufvertrages noch die Zustimmung des Pflegschaftsgerichtes benötigte. Und diese Genehmigung hatte er bisher nicht erhalten. Jetzt schien die Sache kompliziert zu werden. Ich erfuhr von Dr. Finda nicht nur, dass Oberfettinger die Republik Österreich wegen der verspäteten Grundbuchsanmerkung auf Schadenersatz klagte, sondern überdies, dass Finda nicht der erste, sondern bereits der zweite Sachwalter des Bubat war. Und der erste Sachwalter hatte zu allem Überdruss das Haus auch schon einmal verkauft. Dieser Käufer, ein Installationsunternehmer aus dem Innviertel namens Rundler, hatte für seinen Kaufvertrag bisher aber ebenfalls keine pflegschaftsgerichtliche Genehmigung erhalten, weshalb er den ersten Sachwalter, einen Rechtsanwalt namens Dr. Luft, auf Erfüllung des Kaufvertrages klagte. Jeder normale Mensch hätte spätestens jetzt die Finger vom „Villa‘chen Gerti“, wie ich sie bereits nach meiner Frau benannt hatte, gelassen. Nicht aber ich und meine Frau, die wir vom Hauskaufvirus inzwischen schon massiv gezeichnet waren. War es die Herausforderung? Die Langeweile? Oder gar die mich jeden Tag von Neuem niederschmetternde Erkenntnis, dass ich meinen Beruf abscheulich und abstoßend fand? Lassen wir dies unbeantwortet. Gesichert mag sein, dass ich ein Haus zu erwerben beabsichtigte, das in einem erbärmlichen Zustand war, für unsere Verhältnisse extrem teuer und ohne freundliche Unterstützung der oberösterreichischen Kreditwirtschaft unerschwinglich schien und außerdem einen besachwalteten Eigentümer, einen sich als Eigentümer aufspielenden Rechtsanwalt und einen den ersten Sachwalter klagenden dritten potentiellen Eigentümer hatte, der mir später bei einem Treffen nahelegen sollte, das Haus am besten abzureißen.
Die Einzelheiten der nächsten Wochen und Monate würden auch den geduldigsten Leser irgendwann ins Reich der Träume versetzt haben, so will ich mich nur mehr auf zwei kleine Höhepunkte beschränken. Zum einen setzte mir Dr. Finda auseinander, dass er angesichts der etwas verworrenen Umstände als einzigen Lösungsweg eine Versteigerung „à la Finda“ sehe. Er wollte alle Interessenten, einschließlich der beiden vermeintlichen Eigentümer Oberfettinger und Rundler, auffordern, ein neues Kaufanbot zu legen. Diese Anbote würde er an einem Stichtag in Anwesenheit der Interessenten öffnen und da er, wie er sich ausdrückte, ein lustiges Kerlchen sei, würde er alle Angebote auf seinem großen Kanzleitisch ausbreiten und nach dem höchsten Ausschau halten. Zu dieser Auktion kam es schließlich in etwas abgeänderter Form tatsächlich und wenige Tage danach zu dem für mich sehr überraschenden Anruf, dass ich das höchste Anbot gelegt hatte. Die Freude war bei meiner Frau naturgemäß sehr groß, was niemanden verwunderte, schließlich blieb es mir überlassen, den inzwischen gegenüber dem ursprünglich von Oberfettinger genannten Kaufpreis um rund 60.000 Euro angestiegenen Betrag aufzutreiben. Da die Auktion entgegen der ursprünglichen Ankündigung jedoch nicht öffentlich und für einen Anwalt vom Kaliber eines Dr. Finda auch nicht überraschend ohne Beiziehung eines Notars stattfand, war ich mir nicht wirklich sicher, ob ich deshalb Sieger im Bieterwettkampf geblieben war, weil ich ein glückliches Händchen bei der Auswahl des gebotenen Kaufpreises hatte, oder ob ich letzten Endes ohnehin der einzige Bieter gewesen war. In der Anfangseuphorie war dies aber Nebensache, der Kaufvertrag wurde unterschrieben, ein Monat später war mein Kaufvertrag vom Pflegschaftsgericht genehmigt und weitere vier Monate später lag auch die Zustimmungserklärung der Vorkaufsberechtigten, Frau Xenavier, vor. Rund vierzehn Monate nach der ersten Besichtigung mit Oberfettinger bekam ich unversehens die Schlüssel für unser neues Heim von Dr. Oberfettinger in der Kanzlei des Dr. Finda in die Hand gedrückt. Dabei wurde mir noch als Einstandsgeschenk mitgeteilt, dass es über den Winter einen kleinen Wasserrohrbruch gegeben hatte, der inzwischen jedoch wieder behoben worden sei. Die erste Besichtigung des „Villa‘chen Gerti“ als Eigentümer war allerdings sehr ernüchternd. Denn der kleine Wasserrohrbruch stellte sich als mehr oder weniger vollständige Überflutung des gesamten Hauses dar, da an fünf Stellen im Haus entweder Wasserleitungen oder Heizungsrohre gebrochen und Tausende Liter Wasser über Stiegen und Decken vom ersten Stock ins Parterre und von dort in den Keller geflossen waren.
Waagner und Wullner waren inzwischen von ihrer Joggingrunde zurückgekehrt. Wullner war von Waagners Redeschwall mehr ermüdet als von dem durch unzählige Pausen unterbrochenen Morgenlauf. Waagner hingegen war froh, ein weiteres Kapitel seines Krimis in all seinen Details vor seinem Freund ausgewälzt zu haben. Wieder machte er seine Selbst-Reanimationsversuche,