Jockele und seine Frau. Max Geißler

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Название Jockele und seine Frau
Автор произведения Max Geißler
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788711467749



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nicht?“ fragte Rolf Krake.

      „Weil ich zu fleissig bin,“ sagte sie gefasst. „Er würde dann nie in die tiefe Not geraten, vor der er sich fürchten muss. Eine kleine Malerin kann aber nicht sich und diesen Riesen und am Ende eine Familie erhalten mit ihrer Kunst. Trotz allem: ich mag ihn furchtbar gern leiden. Sehen Sie, das ist die Tragik meines Lebens. Aber ich werde daran nicht zugrundegehen.“

      „Plumm plumm,“ machte Toftes Gitarre. Er hatte sich an den Tisch gesetzt und folgte diesem Gespräche mit grosser Aufmerksamkeit. Sie redeten von ihm, als wäre er gar nicht da.

      „Liebe Gwendolin,“ begann Rolf Krake wieder, „wäre es nicht die Aufgabe einer Frau, dieses Genie für immer in ihre Macht zu bringen, damit es ranke und blühe nach ihren Gedanken?“

      „Man könnte das meinen,“ entgegnete Gwendolin. „Aber dann kennt man Henrik Tofte flach. Auf die Dauer erkennt er nur einen einzigen Herrscher an über die Riesenmasse seiner Begabung; und dieser König ist der Augenblick.“

      Es war ein Uhr geworden. Tofte hatte sich schon über Gebühr von dem Gericht über sich selbst fesseln lassen. Er hatte für die Mitternacht Leute auf die Insel bestellt, die an Drähten hunderte von Papierlaternen aufhingen ... So kommandierte er die Welt. Wohin er kam, regierte er und dachte doch nicht daran. Aber sich selbst konnte er kein anderes Gesetz schreiben als das von der rasenden Unbeständigkeit des Willens. Nur so vermochte er sich zu ertragen. „Meine Freunde,“ sagte er nun, „die Nacht ist lieb und heiss wie Gwendolin, und sie ist schwer vom Dufte der Rosen, des Weins und der Berge ...“

      „Plumm plumm!“ Und Henrik Tofte sang das Lied vom Rattenfänger. Da mussten sie alle hinterdrein und zogen hinaus in die liebe heisse Sommernacht, wo die blonde Marit einen Tisch unter vielen stillen Lampen gedeckt hatte. Und weit drüben am Ufer standen die Menschen und sahen die Ranken der blühenden Lichter in der weichatmenden Nacht und in den weichatmenden Wassern und lauschten dem Sänger. Dann zischten von den Rändern des Fjords die goldenen Schlangen eines Feuerwerks empor — oh, Henrik Tofte hatte heute „viel“ Geld eingenommen von James und Johnny! Und Henrik Tofte stand nun auf dem Dache. Stand dort mit einem wallenden Barte und in einem langen wehenden Mantel, wie ein Geist, der aus dem Berge gestiegen, und sang zu geschlagenen Saiten. Es war immer so: seiner Kraft schienen keine Grenzen gezogen — je mehr er von ihr forderte, desto mehr gab sie. Er hatte nie so übermächtig gesungen wie an den Säumen dieser Mitternacht. Es war ein Lied der Liebe. Er huldigte damit Gwendolin. Und so klang es aus:

      Hell hauchte der Glanz des Nebelfalls

      In silbernes Herbstgespinn.

      Die weisse Hand strich der Stute den Hals

      Und sagt’ ihr doch nicht, wohin.

      Am Waldbach perlte der Erlenbaum,

      In den Runsen rauschte das Wehr;

      Sie ritt vorüber, sie ritt im Traum,

      Und das Glück ritt nebenher.

      Heim ritt sie. Um die Hufe klang

      Der klingende Abendtau.

      Und wie sie aus dem Sattel sprang,

      Da jauchzte die selige Frau.

      Die bunten Lampen begannen zu verlöschen. Noch verabredete man für den Vormittag eine Lustfahrt in bekränzten Booten nach der Fjordstadt Elde, um die sich die Berge türmen und der Sommer blühte. Ein grosser Zeltzirkus hatte dort Einzug gehalten. Dann geleitete man Do und Jockele wie ein Brautpaar zur Schwelle ihrer Kammer, in der sie zum ersten Male schliefen. Aber Henrik Tofte fand, das Fest wäre noch lange nicht zu Ende. Er ruderte Rolf Krake, James und Johnny hinüber ans Land. Und als er allein in Boot und Nacht war, streifte er darin um die Insel. Das Glück Jockeles und seiner Frau machte sein Herz sehnsüchtig — er wusste nicht wie. Er glitt ein Stück hinaus in die Flut und verwandte kein Auge von dem einzigen Fenster, das noch hell war auf dem Eilande. Es war das Gwendolins. Dann trieb er das Boot an den Rand der Klippe, kletterte empor im Gestein und rief leise Gwendolins Namen. „Komm zu mir!“ bat er.

      Da dachte sie: es ist nicht ungefährlich. Aber sie ging doch. Es war fast, als hätte sie auf ihn gewartet. Darum war sie ungeheuer gewappnet. Und die Nacht war spät; es hauchte schon der Tag an die Zinnen des Gletschers.

      Henrik legte seinen Arm in den ihren und zog sie ganz fest an sich. So schritten sie nach der Spitze des Eilands, die am weitesten von den Häusern entfernt lag. Es stand dort eine Bank ins Strandrohr geschmiegt, und grosse moosige Felsblöcke lagen darum her.

      „Wusstest du, dass ich dich rufen würde?“ fragte er froh.

      „Ich dachte es,“ sagte sie; „denn ich weiss: in Nächten, wie in dieser, nehmen Sie sich nicht erst die Zeit zum Schlafen. Warum sagen Sie übrigens „du“ zu mir?“

      „Ich habe das beschlossen,“ sagte er.

      In der Nähe der Bank fing sein Schritt auf einmal an zu zögern. Aber sie hüllte sich fester in das graue Schultertuch und sagte: „Kommen Sie nur. Es muss doch einmal klar werden zwischen uns — für die nächste Zeit“

      Da hob er sie zärtlich über das Wässerlein, das einen Schuh breit quer vor der Bank lag. Dann krochen sie zwischen die hohen Halme wie Rohrhühner.

      „Es war fein heute,“ begann Gwendolin. „Sie waren wieder einmal einfach vollkommen; denn Sie waren nie unmässig, wie das Ihre Art ist: unmässig gross, unmässig durstig, unmässig grob und unmüssig sentimental. Deshalb bin ich jetzt auch gekommen.“

      Er warf seine Arme um sie, dass sie hörte, wie ihr die Gelenke knackten. „Es ist dir doch nicht ernst gewesen mit dem, was du heut abend zu Rolf Krake gesagt hast?“

      „Ich schwöre es Ihnen,“ sagte sie. „Und wenn Sie mich jetzt küssen, dann lauf’ ich nicht etwa weg — oh nein! Aber das sag’ ich Ihnen: Sie machen mich damit nur hässlich und aufgewiegelt. Ich habe gelernt, viel zu fest auf mir selber zu stehen, lieber Henrik Tofte, und mit einem Aufgebot Ihrer Kraft erobern Sie die Festung nicht.“

      Gwendolin wusste genau, wie sie der Gefahr zu begegnen hatte, die sie in diesem Mann umlauerte. Ihr heisses jähes Herz hatte ihr in der anderen Zeit schon manchen Streich gespielt.

      „Erkennst du denn nicht, dass du der einzige Mensch bist, der mich in Ketten legt?“ fragte er.

      „Sieben Tage, mein Freund!“ lachte sie. „Oder siebenmal sieben Tage. Aber es müssten siebenmal sieben Jahre sein.“

      „Das ist lange,“ seufzte er.

      „Billiger bin ich nicht zu haben,“ sagte sie.

      „Und wenn ich dir einen Vertrag unterschreibe mit meinem Blut auf siebenmal sieben Jahre?“

      „Wie dem Herrn der Hölle, dem Sie verfallen sind,“ lachte sie.

      „Nun?“

      „Dann glaub’ ich Ihnen doch nicht, Henrik Tofte; denn ich glaube nur an mich und an meine Liebe. Und diese Liebe hat zu Ihnen nicht die Kraft des Vertrauens für einen Vertrag auf Lebenszeit.“

      „Und das ist dein letztes Wort, du liebste Gwendolin?“

      „Nein,“ sagte sie. „So dienen Sie um Rahel! Meinetwegen sieben Jahre. Es kann auch kürzer sein. Es braucht nur bis zu dem Tage zu sein, an dem wir beide wissen: wir können zu einer Zweieinigkeit gelangen wie Jockele und Do. Ich habe viel Leidenschaft und Liebe erfahren in meinem Leben, Henrik Tofte — aber ich danke mir auf den Knien, dass ich daran nicht zur Närrin geworden bin wie Tausende. Oh, wir Mädchen tragen unser Herz in den Händen, und wenn ein Mann Blumen darüber wirft, bilden wir uns gleich ein, sie blühen ewig. Sehen Sie Do und Jockele an, mein Freund! Die haben sich errungen durch Jahre. Diese herrliche Do hat ihren Mann dem Leben abgekämpft in einem verschwiegenen Kampfe. Und er ahnte es nicht; sie selbst nicht — niemand ahnte es. So selbstlos war der Kampf; und doch war er nicht minder schwer. Darum: reden Sie von diesen beiden nicht als von Hätschelkindern des Schicksals! Es gibt unter den Menschen keine, die sich ihr Glück köstlicher erzwungen haben als sie.“ Jawohl, das