Deutsche Geschichte. Ricarda Huch

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Название Deutsche Geschichte
Автор произведения Ricarda Huch
Жанр Документальная литература
Серия Sachbücher bei Null Papier
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783962817725



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war zwi­schen Papst und Kai­ser be­reits wie­der eine Ver­stim­mung ein­ge­tre­ten. Man hat­te beim Frie­den von Ve­ne­dig, um nur zum Schlus­se zu kom­men, die Fra­ge der Mat­hil­di­schen Gü­ter un­er­le­digt ge­las­sen; es war na­tür­lich, dass sie wie­der auf­tauch­te und eben­so un­lös­bar blieb wie frü­her. Im Hin­blick auf die In­ve­sti­tur sag­te der Kai­ser, er habe nach­ge­forscht und er­fah­ren, dass sei­ne Vor­fah­ren, die al­ten Kai­ser, Bi­schö­fe nach Be­lie­ben ge­wählt und ein­ge­setzt hät­ten. So­weit sei­ne Vor­fah­ren auf dies Recht ver­zich­tet hät­ten, wol­le er das auf sich be­ru­hen las­sen; was ihm aber an Rech­ten ge­blie­ben sei, wol­le er sich nicht be­schrän­ken las­sen. Da die Päps­te nicht nur eine vom Kai­ser ganz un­ab­hän­gi­ge Wahl der Bi­schö­fe, son­dern eine von ih­nen ab­hän­gi­ge woll­ten, be­stand auch hier­in ein un­ver­ein­ba­rer Ge­gen­satz. Vollends er­bit­ter­te den Papst, was Fried­rich als sei­nen größ­ten Er­folg an­sah, dass es ihm ge­lun­gen war, sei­nen Sohn Hein­rich mit Con­stan­ze, der Er­bin des Kö­nig­reichs Si­zi­li­en, zu ver­lo­ben. Wäre nicht Ur­ban III. als An­ge­hö­ri­ger ei­ner Fa­mi­lie, die sei­ner­zeit durch die Zer­stö­rung Mai­lands schwer be­trof­fen ge­we­sen war, oh­ne­hin ein un­ver­söhn­li­cher Geg­ner des Kai­sers ge­we­sen, er hät­te es wer­den müs­sen bei der Aus­sicht, den Kai­ser als Be­sit­zer des­je­ni­gen Lan­des zu se­hen, auf das der Papst sich ge­gen den Kai­ser zu stüt­zen pfleg­te. So­wohl Lu­ci­us wie Ur­ban wei­ger­ten sich, den jun­gen Hein­rich zum Kö­nig von Ita­li­en zu krö­nen. Groß­ar­tig un­be­küm­mert ließ Fried­rich die Ze­re­mo­nie durch den Pa­tri­ar­chen von Aqui­le­ja voll­zie­hen und ver­lieh sei­nem Soh­ne selbst den Cäsa­ren­ti­tel. Um sei­nen Tri­umph zu vollen­den, er­bat sich die völ­lig ver­söhn­te Stadt Mai­land die Ehre, dass Hein­richs Hoch­zeit mit Con­stan­ze in ih­ren Mau­ern ge­fei­ert wer­de.

      Stellt man sich vor, wie Chris­ti­an von Mainz un­ter dem Se­gen des Paps­tes starb und wie die Mai­län­der Bar­ba­ros­sa um­ju­bel­ten, als er sei­nen Sohn mit der Er­bin Si­zi­li­ens ver­hei­ra­te­te, will es ei­nem vor­kom­men, als wä­ren die Ta­ten der Men­schen nicht an­ders als Na­tur­er­schei­nun­gen, Wol­ken oder Win­de, die kom­men und ge­hen, sich bil­den und ver­schwin­den, zer­stö­ren und be­fruch­ten. Und doch ist in dem ver­schlun­ge­nen Wech­sel und der schein­ba­ren Wahl­lo­sig­keit eine ste­ti­ge Fol­ge und ein fes­ter, tra­gi­scher Gang, im Schick­sal des Rei­ches wie in dem des Kai­sers und je­des ein­zel­nen, ja zu­wei­len ist es, als füg­ten weit ent­le­ge­ne Er­eig­nis­se sich zu­sam­men, um vor­be­stimm­te Er­geb­nis­se zu er­zeu­gen. Von sol­cher Wir­kung war die Erobe­rung Je­ru­sa­lems durch Sala­din im Jah­re 1187, die im Abend­lan­de all­ge­mei­ne Er­re­gung her­vor­rief und den Kai­ser ver­an­lass­te, sich selbst an die Spit­ze ei­nes Zu­ges zur Wie­der­ge­win­nung der Hei­li­gen Stadt zu stel­len. Auf dem Reichs­ta­ge zu Geln­hau­sen, der ein Jahr vor­her statt­fand, ver­fass­ten zahl­reich ver­sam­mel­te Bi­schö­fe ein Schrei­ben an den Papst, in dem sie sich für ver­pflich­tet er­klär­ten, dem Kai­ser, von dem sie ihre welt­li­chen Gü­ter hät­ten, zur Sei­te zu ste­hen, und in dem sie den Papst ba­ten, sei­nen be­rech­tig­ten For­de­run­gen zu ent­spre­chen. Wie­der schar­ten sich welt­li­che und geist­li­che Fürs­ten um die Kro­ne. Die­se Ei­nig­keit des Rei­ches, die Be­fes­ti­gung der Dy­nas­tie, die si­che­re Stel­lung dem Papst ge­gen­über, die Wah­rung der Reichs­rech­te in Ita­li­en, alle drei großen Er­fol­ge wa­ren haupt­säch­lich dem Cha­rak­ter des Kai­sers zu dan­ken. Wie viel der Geist und Wil­le ei­nes ein­zel­nen tra­gen und be­we­gen kann, er­leb­ten die Men­schen an ihm. Dass er im­mer das Gro­ße und Rech­te woll­te und sei­ne Per­son mit al­len Kräf­ten ein­setz­te, um es durch­zu­füh­ren, das trug ihm die dank­ba­re Lie­be sei­nes Vol­kes und die Aner­ken­nung der christ­li­chen Na­tio­nen ein. Schon die äu­ße­re Er­schei­nung des al­ten Man­nes, der sich zum Kreuz­zu­ge rüs­te­te, ver­ge­gen­wär­tig­te die im­po­nie­ren­de Exis­tenz ei­nes Kai­sers, der in har­ten Kämp­fen das Nur-Per­sön­li­che ab­ge­streift hat und eins ge­wor­den ist mit sei­nem Reich. Ent­waff­net durch die hei­li­ge Auf­ga­be, der der Kai­ser sich un­ter­zog, er­bot sich der oh­ne­hin ver­söhn­li­che Papst Cle­mens sei­nen Sohn Hein­rich, dem er die Reichs­re­gie­rung über­tra­gen hat­te, und Con­stan­ze in Rom zu krö­nen.

      Fried­rich war bei den Vor­keh­run­gen für den Feld­zug so prak­tisch ver­fah­ren, dass man auf glück­li­ches Ge­lin­gen hof­fen konn­te. Für die Ver­pro­vi­an­tie­rung auf der Rei­se war ge­sorgt, und da­mit nicht eine Men­ge Ge­sin­del sich an­schlie­ße, das ge­wöhn­lich die Kreuz­zü­ge er­schwer­te, war ver­ord­net, dass nie­mand, ab­ge­se­hen von den Knech­ten und Hand­wer­kern, mit­ge­hen dür­fe, der nicht Geld ge­nug zum An­kauf von Le­bens­mit­teln für zwei Jah­re habe. Trotz­dem ging die Rei­se nicht ohne Un­fäl­le, Lei­den und Kämp­fe vor sich, die aber über­wun­den wur­den, ohne dass der Kai­ser an Fri­sche und Zu­ver­sicht ver­lo­ren hät­te. Da, am 10. Juni 1190, er­trank er beim Ba­den im Flus­se Sa­leph, wo­mit er sich nach Über­stei­gung ei­nes rau­en Ge­bir­ges er­qui­cken woll­te. Sein Sohn Fried­rich führ­te das Heer nach Ak­kon, das von dem Teil des Kreuz­hee­res, der zu Schif­fe ge­reist war, be­la­gert wur­de, und starb dort im An­fang des Jah­res 1191 an ei­ner Seu­che.

      Durch den Chro­nis­ten Ecke­hard von Aura er­fah­ren wir, dass von der Kreuz­zugs­pre­digt, die im Jah­re 1096 die West­fran­ken so mäch­tig auf­reg­te, nach Deutsch­land kei­ne Kun­de drang, so­dass die Deut­schen, als Kreuz­fah­rer aus dem Nach­bar­lan­de über die Gren­ze ka­men, sie als Nar­ren ver­höhn­ten, Nar­ren, die, wie sie sag­ten, das Ge­wis­se für Un­ge­wis­ses auf­ga­ben, das Va­ter­land ver­lie­ßen, um ein un­si­che­res Land der Ver­hei­ßung auf­zu­su­chen, auf ihr Ei­gen­tum ver­zich­te­ten, um frem­des Gut zu er­wer­ben. Als etwa fünf­zig Jah­re spä­ter Bern­hard von Clair­vaux die Kreuz­zugs­pre­digt er­neu­er­te, nann­ten die Jahr­bü­cher von Würz­burg dies Er­eig­nis eine schwe­re Heim­su­chung der abend­län­di­schen Kir­che, und die Pre­di­ger, die zu ei­nem so un­sin­ni­gen Un­ter­neh­men auf­for­der­ten, Söh­ne des Be­li­al und Jün­ger des An­ti­christ. Spricht auch nicht die Mei­nung al­ler aus sol­chen ver­ein­zel­ten Äu­ße­run­gen, so geht doch aus den Tat­sa­chen her­vor, dass die Idee der Kreuz­zü­ge vom Papst aus­ging und von den Fran­zo­sen und Nor­man­nen am feu­rigs­ten er­grif­fen wur­de. Ecke­hard von Aura er­klärt die Emp­fäng­lich­keit der Fran­zo­sen da­mit, dass Gal­li­en in den letz­ten Jah­ren durch Bür­ger­krieg und Hun­gers­not sehr ge­lit­ten habe und des­halb von sei­nen Be­woh­nern gern ver­las­sen wer­de; al­lein der Grund ist ge­wiss auch dar­in zu su­chen, dass die Rit­ter­lich­keit und Aben­teu­er­lust des fran­zö­si­schen Adels da­heim nicht ge­nü­gend Nah­rung fan­den. In Deutsch­land war das an­ders. Im Nor­den und Os­ten wa­ren die Deut­schen von teils heid­nischen, teils noch nicht lan­ge und nicht gründ­lich chris­tia­ni­sier­ten Völ­kern um­ge­ben, mit de­nen sie in ei­nem nur sel­ten un­ter­bro­che­nen Kamp­fe stan­den. Der Ge­dan­ke lag nah und wur­de auch aus­ge­spro­chen, dass die Auf­ga­be der Be­kämp­fung der Hei­den eben­so gut, ja bes­ser zu Hau­se als in der Fer­ne aus­ge­führt wer­den kön­ne, was die Päps­te an­er­kann­ten, in­dem sie förm­lich die krie­ge­ri­schen Un­ter­neh­mun­gen ge­gen die Sla­wen wie auch sol­che ge­gen die Ket­zer als Kreuz­zü­ge be­zeich­ne­ten und sie an Ver­dienst den ei­gent­li­chen gleich­stell­ten.