Gesammelte Werke von Friedrich de la Motte Fouqué. Friedrich de La Motte Fouque

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Название Gesammelte Werke von Friedrich de la Motte Fouqué
Автор произведения Friedrich de La Motte Fouque
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788027207022



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lag. Folko hielt eine Zeitlang ruhig an seinem Platze, dann saß er ab, streichelte dem Silbergrauen die Mähne, warf den gebrochnem Lanzenschaft von sich, und trat mit gezücktem Schwerte, das im Fackelschein wie eine Flamme loderte, in die Mitte des Kreises. Niemand schritt ihm entgegen, und draußen im Finstern hörte man der Reisigen und Knappen dumpfes Gemurmel und Hin- und Hergehen bei ihrem gestürzten Herrn. Da rief endlich Folko: »Herr Graf von Walbeck, Euch trug Euer Rappe wider Willen aus dem Rund. Das soll nicht gelten, und Euch gestattet sein, mit geschliffenem Schwert den früheren Unfall zu bessern. Ich stehe hier und warte. « – Es blieb aber lange still; endlich rief ein Knappe zurück: »Mein Herr ist ohnmächtig!« – »Er kann nicht fechten«, sagte eine andere Stimme. »Wir bringen ihn nach dem nächsten Kloster zu den heilkundigen Mönchen«, eine dritte, und gleich darauf hörte man, wie der Zug langsam und trübselig über die Wiese ritt.

      Da steckte Herr Folko von Montfaucon sein leuchtendes Schwert in die Scheide, ging offnen Helmes hin, wo Gabriele ihren Sitz genommen hatte, und bat sie mit gebognem Knie um den Kampfpreis. Das schöne Fräulein zog mit heißen Tränen an der Goldschnur, und holte den Ring aus dem zarten Busen hervor; viel anders, als da sie ihn vor kurzem den beiden jungen Leuten triumphierend gezeigt hatte. Aber noch war er nicht von der Schnur gelöset, da trat schon Otto vor den Ritter Montfaucon hin, und sagte: »Herr, laßt mir eine Rüstung geben, und Roß und Lanze und Schwert; ich fecht Euch das Kleinod im Namen der edlen Frauen ab, dafern sie mich solcher Ehren nicht unwert hält.« – Ein leichter Strahl der Hoffnung und Freude flog über Gabrielens Antlitz. Sie mußte plötzlich an die vielfachen alten Märchen denken, wie junge Helden, kaum der Knabenzeit entwachsen, über berühmte Kämpfer und ungeheure Riesen zum Schutz bedrängter Jungfrauen gesiegt. Folko hatte sich in die Höhe gerichtet, und maß mit den Augen seinen unversehrten Widersacher. Plötzlich aber wandte er sich lächelnd ab und sagte über die Achsel hin zu Otto:»Junger Knappe, junger Knappe, ei wo hast deine goldnen Sporen? Meinst du, es wäre schon jetzt an der Zeit, daß du könntest mit Rittern fechten? Drei Schwertschläge und eine Waffenwache, dann komm mir wieder, so will ich den Kampf recht gerne bestehn.« – Darauf kniete er abermals vor Gabrielen, und bat sie um den Ring, welchen er kaum in den Händen hielt, als er nach einer höflichen Verneigung schon wieder auf dem silbergrauen Rosse saß, und mit seinen Knappen davonsprengte.

      Gabriele aber wandte sich in bittern Tränen zu ihrem Gefolge, das gleich nach dem unglücklichen Ausgang des Rennens auf ihren Wink angefangen hatte, die Zelte abzubrechen, alles Gepäcke auf die Saumrosse zu laden, und nun mit diesem Geschäfte zu Ende war. Kein Viertelstündlein länger, sagte das klagende Fräulein, wolle sie an einem so unseligen Orte verharren! Und ohne auf Ottos Reden und Hülfserbietungen nur im geringsten zu achten, kehrte sie sich von ihm ab, wie man sich von einem töricht vorlauten Kinde abkehrt, und ritt in die Schatten hinein. Otto rief ihr nach: »So Gott mir helfe, edle Dame, ich will nicht rasten, bis ich Ritter bin, und Euch Euren Ring zu Euern schönen Füßen lege.« – Aber auch dieses Beteuerns schien sie nicht zu gewahren. Man hörte bald nur noch fernher die leichten Hufe ihrer Zelter über die Aue schreiten.

      Einsam und verlassen standen Otto und Bertha an der verhängnisvollen Stätte. Es war, als hätten sie geträumt; nur die niederbrennenden Fackeln, die versengten und zerstampften Gräser taten die Wahrheit jener wunderlichen Erscheinungen kund. Es wußte keines von beiden dem andern etwas zu sagen, und so traten sie schweigend in der mächtig tiefen Finsternis den Rückweg nach der Heimat an, um ein großes anders, als sie vor wenigen Stunden von da auf den Anger hernieder geschritten waren. Nur ein paarmal fragte Otto unterwegens: »Weinst du, liebe Bertha?« – Sie antwortete aber immer: »Nein!« und wand ihr Tuch dicht um das Haupt, so daß Otto dachte, er habe sich nur geirrt, und sein eignes unwilliges Seufzen für Berthas Weinen gehalten.

      Hoch auf seiner alten Veste saß Herr Hugh von Trautwangen in dem gewölbten Saal, darinnen seine eignen Waffenstücke und die der Ahnherrn aufgehangen waren, und wo er sich den größten Teil des Tages hindurch zu befinden pflegte, seitdem er Alters halben nicht mehr auf Jagd, Ringelrennen, Turnier oder Fehde hinausritt. Diesmal waren die beiden Kerzen, welche vor ihm den großen runden Tisch auf schwersilbernen Leuchtern erhellten, schon fast heruntergebrannt, und Sohn und Nichte ließen wider ihre Gewohnheit noch immer vergeblich auf sich warten. So oft jemand die Wendelsteige heraufgeschritten kam, dachte der Alte, es seien die zwei jungen Leute, und blickte freundlich verlangend nach der Tür; wenn aber dann nur ein Knappe hereintrat, der etwa sehn wollte, ob der Herr noch Licht habe, und noch Wein in dem großen, aus silbernen Schaustücken geformten Kruge zu seiner Seite, da tat Herr Hugh, als habe er eben nichts erwartet, und auf irgend eine befremdende Äußerung des Dieners kam keine Antwort zurück; oder höchstens hieß es. »Junges Blut, lust'ger Mut! Was ist da viel zu sorgen. Es wird sich schon finden.«

      Aber die Uhr im Schloßturme schlug neun, schlug zehn, und weder Sohn noch Nichte trat aus dem tiefen Dunkel draußen in den heimatlichen Saal. Da nahm der Greis sein grünsamtnes Käpplein vom kahlen Haupte, hielt es in den gefaltnen Händen, und betete inbrünstig, der Herr wolle doch die vielfachen Sünden seiner Jugend den unbewußten Kindern nicht zurechnen, und beide nach seiner ewigen Gnade schuldlos und gesund in die Veste zurückführen.

      Noch betete er, da ging die große eichne Tür ihm gegenüber auf, und die zwei Ersehnten standen verneigend mit ihren jugendlich frischen Gesichtern in der Halle. Diesmal hatte er nichts auf der Steige gehn hören, und die Erfüllung trat nun ganz unerwartet vor ihn, wie es die rechten Erfüllungen denn überhaupt an der Art haben, vorzüglich, wenn eins darum betet. Den jungen Leuten aber ward es gar beweglich und reuevoll zu Sinn, als sie so den großen eisgrauen Alten barhaupt in seinem Lehnsessel sich gegenüber mit gefaltnen Händen sitzen sahen, bleich durch viele Jahre und eben jetzt erlittne Besorgnis, gebleicht noch durch die abgebrannten Kerzen zwischen ihnen und ihm. Sie fühlten wohl, für wen er gebetet habe, und hoben zugleich und in selber Stellung die Hände dankend und Verzeihung flehend in die Höhe. Aber Herr Hugh war wieder in seiner gewohnten Fassung, bedeckte sein Haupt, und fragte, die beiden näherwinkend, mit ernst freundlichem Wesen, was sie so lange draußen getrieben hätten. Da sagte der junge Ott' von Trautwangen: »Herr Vater, wenn wir noch ein ganz klein wenig länger geblieben wären, ständ es nach meinem Bedünken besser und leichtherziger um uns alle, und um die schöne Dame mit dem Ringe auch, denn alsbald wäre der Strauß bereits ausgefochten, und hoffentlich sieghaft für uns; so aber weiß Gott, wie lang ich nach meinem Gelübde durch die Welt nachziehn muß, und das alles kommt davon her, daß Ihr mich nicht früher zum Ritter geschlagen habt.« – Herr Hugh sah mit großer Verwunderung seinem jungen kecken Sohn in das Antlitz, nicht allein wegen der seltsamen Worte, die er sprach, sondern noch mehr wegen seines so gar veränderten Wesens, als sei er in den wenigen Stunden ganz anders geworden. Bertha aber fing unverhohlen und bitterlich zu weinen an, wohl noch viel bitterlicher, als vorhin Gabriele um ihren Ring. Darüber sahe sich Otto ganz verwundernd um, und als er nun bemerkte, daß des Mägdleins Augen schon von vielen früher vergessenen Tränen rot und trübe waren, sprach er: »Ach, liebe Bertha, so hast du ja doch unterwegens geweint! Warum sagtest du denn immer nein, wenn ich dich fragte? Und warum weinst du denn überhaupt?« – Bertha antwortete ihm nur durch ein freundlich schmerzhaftes Lächeln, dann bat sie den alten Herrn, er möge ihr vergönnen, zur Ruhe zu gehen, und somit schritt sie verhüllten Angesichts aus dem Saal. Otto wollte sie aufhalten, aber Herr Hugh bannte ihn mit einem strengen Blick an den Tisch, und sagte, als Bertha hinaus war: »Junger Bursch, du hast entweder geträumt und gefaselt, und dann gibt sich morgen alles von selbst; oder es ist Ernst mit Gelübde und Ritterfahrt, und dann haben ein paar Tränen deines Mühmchens nicht so viel Recht mehr mitzusprechen, als vordem. Setze dich nun mir gegenüber, und erzähle mir ausführlich und besonnen, was sich mit dir zugetragen hat, so wollen wir baldigst mit einander im reinen sein.«

      Wie nun der Knabe zu erzählen anhub, und immer weiter und weiter sprach, hub auch der Alte an, sehr ernst zu werden, und ward es immer und immer mehr, wobei er vorzüglich gegen das Ende der Geschichte die Augen gar nicht von einem großen Schwerte wegbrachte, das unfern von den beiden an der Wand hing, und halb aus der Scheide hervor sah.

      Als das Abenteuer vom Anger zu Ende war, sagte Herr Hugh zu dem alten Schwerte: »Du hast doch wahrhaftig beständig etwas gegen die Verborgenheit einzuwenden gehabt, und durchaus nicht gänzlich hinein gewollt, so oft ich's auch versucht habe, dich in Ruh und Frieden zu bringen. Nun seh'