Gesammelte Werke von Friedrich de la Motte Fouqué. Friedrich de La Motte Fouque

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Название Gesammelte Werke von Friedrich de la Motte Fouqué
Автор произведения Friedrich de La Motte Fouque
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788027207022



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ein Baumgipfel im Gewitter.

      Sie waren unterdeß in's Wohnzimmer getreten, und Alwin beschaute, während der Bewillkommungen des Vaters und der Mutter, den unvermutheten Gast. Eine große, hagere Gestalt, ernst und sicher in allen Bewegungen, scharfe, aber nicht blitzende Augen unter der weit vorliegenden Stirn. Er mochte etwa vierzig Jahre alt sein. Thorwald, sagte er, nenne man ihn, und er habe sich verirrt, indem er von Halberstadt, das sein Herr administrire, nach Braunschweig zurückreisen, und im Harz unterwegs einige Geschäfte habe abmachen wollen. Von hier gehe er nun grade auf Braunschweig. Darauf fing er an sich aufs umständlichste wegen der morgenden Tagereise zu erkundigen. Alwin empfand während all dieser weitläuftigen Unterhandlungen eine Art von Widerwillen gegen den Fremden. Er konnte es ihm nun gar nicht verzeihn, daß er die Geschichte Herrn Kunraths von Stauffen unterbrochen hatte; noch unlieber aber wär' es ihm gewesen, sie in seiner Gegenwart weiter fortzusetzen. Deshalb legte er die alte Handschrift wieder in ihren Wandschrank, und suchte dies aufs unbemerkteste zu thun, welches ihm um so leichter gelang, da der Fremde wenig oder gar keine Notiz von ihm nahm. Mit dem alten Rudolph unterhielt er sich jedoch desto fleissiger, und fragte ihn, wie es komme, daß er hier so gar abgelegen wohne, und ob die Gegend wirklich so einsam sei, als sie scheine, oder irgendwo Stadt und Dorf hinter den Abhängen und Gebüschen verborgen liege?

      Dort das Thal weiter hinunter, antwortete Rudolph, giebt es ein Dörflein, nicht allzufern von hier. Die Leute sind gutmüthig, aber ich habe mit keinem eben viel zu schaffen. Selten auch, daß ein verirrter Wandrer hier herauf kommt, und so erfahre ich dann wenig von einer Welt, deren Neuigkeiten mir zum Ueberdruß geworden sind.

      Das kann doch, meinte der Fremde, nicht gleiche Bewandniß mit dem rüstigen Jünglinge dort haben.

      Warum nicht? sagte Rudolph. Zu den Waffen wär' er gebohren, denn wir sind untadelichen Ritterstammes, und Burgen und Städte, weitum durch's ganze Land, waren meinen Ahnen unterworfen. Die Zeiten wechseln. Wir sind arm geworden; was mag ein Knabe ohne Mittel in der Welt anfangen? Ich hab' solch keckes Treiben in meiner Jugend selbst versucht. Was half's? Aermer als ich ausritt, nur reich an Narben, mismuthig, betrübt zog ich in das verfallende Schloß zurück. Es geht nicht mehr zu wie ehedem, wo ein junger Ritter an Schwerdt und Roß genug hatte, um sich Preis und Glück zu erwerben. Heut zu Tage will man die wackern Männer nur in blanken Rüstungen und auf kostbaren Roßen sehn. und wer dergleichen nicht auftreiben kann, bleibt klüger zu Hause.

      Von seinen ehemaligen Vortheilen, erwiederte der Fremde, hat der Adel freilich manches eingebüßt. Das Leben fügt sich zum sichern Gebäu in einander, man hält die wilden Thiere zahm im Hofbezirk, und schließt vor Räubern und überlästigem Besuch die wohlverwahrten Thüren. Da gilt nun das Waffenhandwerk nicht mehr in der alten Nothwendigkeit. Greife jedoch ein Jeder mit an, wie es Stimmung und Gedeihen des Ganzen erfordern, und ändre seine Weise, nach den Aendrungen seiner Zeit, so wird er nichts in der neuen Ordnung der Dinge vermissen.

      Rudolph ging mit starken Schritten auf und ab, indem der Fremde fortfuhr: dem Adel sind keinesweges die Mittel zu gesetzmässigem und sicherm Fortkommen versperrt. Schon seid langer Zeit studiren junge Herren Eures Standes mit uns in die Wette, und bekleiden – Nehmt's mir nicht übel Herr Secretarius, unterbrach ihn hier Rudolph, ich bin noch in dem neuen Bau, wovon Ihr sprecht, gar nicht eingewohnt, und halt' es mit der alten Sitte. Meinen Alwin gönne ich nur den Waffen; geht das nicht, so mag er lieber bei uns alten Leuten hausen, und uns die Zeit mit seinem Citherspiel vertreiben. – Auch gut, sagte Thorwald, und lobenswürdig. Es ist eine schöne Sache um's Citherspiel. Ließt Ihr nicht auch mich etwas davon hören? Er wandte sich bei diesen Worten lächelnd zu Alwin, dem sein ganzes Thun in der Seele zuwider war, und ihm vorzüglich jetzt, nicht viel anders vorkam, als heimlicher Spott. Er hatte eine Entschuldigung auf den Lippen, als die Mutter ihn unterbrach, und ihn mit der gewohnten Freundlichkeit um ihr Lieblingslied bat. Alwin sang:

      Von dem Seegestade

       Stieß ein Schifferkahn

       Fort durch nasser Pfade,

       Ungewisse Bahn.

       Drüben auf den Auen

       Steht ein Klosterhaus,

       Schöne Nönnlein schauen

       Abends oft heraus.

      Eine schön vor Allen

       Schrieb mit weißer Hand,

       Ließ das Blättlein fallen

       Uebern Fensterrand.

       Knabe hat's gefunden,

       Nahm's in treuer Huth,

       Kommt in nächt'gen Stunden

       Durch die wilde Fluth.

      Regt die Arme kräftig,

       Rudert keck und kühn,

       Doch umsonst so heftig,

       Sehnendes Bemühn!

       Ihm zur Seite bleiben

       Baum und Felsen stehn.

       Nebel vor ihm treiben

       Sich im düstern Wehn.

      Sagt Ihr Meeresfeyen,

       Höhnt Ihr meine Gluth?

       Sagt was soll' ich weihen?

       Lieder, Gaben, Blut?

       Schon ist Euch verschrieben

       Was Eu'r Sinn begehrt.

       Nur daß Ihr zur Lieben

       Nicht den Gang mir wehrt.

      Kraft die nicht erbitten,

       Nicht erflehn sich läßt

       Hält in Wassers Mitten

       Ihm den Nachen fest.

       Da zum Venussterne

       Sieht er bittend auf,

       Ist Verliebten gerne

       Hülfreich ja Dein Lauf.

      Schon mit günst'gem Funkeln

       Blitzt der grüne Schein,

       Doch der Nebel Dunkeln

       Wirft sich zwischen ein.

       Nonne sah voll Sorgen

       Zu den Fenstern aus,

       Ach es kam der Morgen

       An das Klosterhaus,

      Kam auf die Gewässer,

       Wo der Schiffersmann

       Bänger stets und blässer

       Nach der Lieben sann.

       Heim nun mußt' er lenken

       Vor dem hellen Tag,

       Ging, sich still zu kränken,

       Nach dem Hüttendach.

      Und bekannte Töne

       Rauschen an sein Ohr:

       Knabe, lieb' und schöne,

       Richt' Dein Haupt empor,

       Auch nun zu gesunden

       Schüttle ab die Pein.

       Wer Dich hielt gebunden,

       War die Mutter Dein.

      Hat dir aufgehoben

       Eine andre Braut,

       Jene war dort oben

       Christo angetraut.

       Laß sie Gott vereinigt,

       Bleib von ihr getrennt,

       Bis Ihr zwei gereinigt

       Euch als Engel kennt.

      Wo die Bächlein rinnen

       Ew'ger Seeligkeit,

       Ist für all' ein Minnen

       Rein und fromm bereit.

       Holder Sohn, drum halte

       Rein dich für und für.

       Und der Klang verhallte

       An der