Название | Gesammelte Werke |
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Автор произведения | Ricarda Huch |
Жанр | Философия |
Серия | |
Издательство | Философия |
Год выпуска | 0 |
isbn | 4064066388829 |
Friedrich Reiser war nur einer unter vielen, die in diesem Jahrzehnt verbrannt wurden; aber sein Gedächtnis ist mehr als das der andern erhalten durch eine ihm zugeschriebene merkwürdige Schrift, die unter dem Titel Reformation des Kaisers Siegmund im Jahre 1476 zum erstenmal gedruckt und wahrscheinlich im Jahre 1437 verfaßt wurde. Die Reformation war das allgemeine Verlangen der Zeit. Die Reformschrift Reisers gibt wieder, was nicht nur unter den eigentlichen Ketzern, sondern was von den Gebildeten über die Schäden der Zeit und ihre Heilung gedacht wurde. Wie Eberhard Windecke sagt auch Friedrich Reiser: »Es setzt sich niemand wider göttliche Ordnung denn die Gelehrten, Weisen und Gewaltigen. Aber die Kleinen rufen und schreien Gott an um Hilfe und um eine gute Ordnung.« Als den gesündesten Teil des Reiches betrachtet er die Reichsstädte: »Und wenn man es recht ansieht, so kommt es nur auf die Reichsstädte an; wenn die schliefen und nicht wachten, so wäre die Christenheit Gott und allen seinen Gnaden entfremdet – darum niemand zu ermahnen ist denn allein die Reichsstädte.«
Selbst aus bürgerlich-reichsstädtischen Kreisen hervorgegangen, schätzte er die Tugenden dieser Gemeinwesen, die mit Erwerbssinn und eigennützigem Bedürfnis nach Ordnung und Ruhe, Tapferkeit und Freiheitsliebe, aber auch religiöse und sittliche Gesinnung verbanden und bereit waren, bis zu einem gewissen Grade wenigstens, Opfer für das Reich zu bringen.
Als die Grundlage der Reform betrachtete er die Beschränkung der Geistlichen auf das geistliche Gebiet. »Es sol sich lauter in alweg scheiden das geistlich und das weltlich.« Die Bischöfe und Äbte sollen keine Städte, Schlösser und Festen haben, sie sollen dem römischen König zugesprochen werden, der sie Herren, Rittern, Knechten und Reichsstädten zu Lehen gibt, damit sie dem Reich dienen. Übrigens sollen Papst, Priester und Mönche nicht angetastet, nur die Zahl der Klöster soll verringert und das klösterliche Leben verbessert werden. Reisers herzliche Beziehungen zu Frauen werden die Ursache gewesen sein, daß er die Frauen hoch einschätzte. Er wünschte, daß die Nonnen in den Klöstern die Grammatik und die Heilige Schrift kennenlernten; denn sie könnten besser studieren als die Männer.
In wirtschaftlicher Hinsicht wendete er sich gegen die vielen Zölle, das große Übel, dem auch die durchgreifendsten Kaiser nicht hatten wehren können. In jeder Stadt, klagte er, sei ein Zoll; Zölle sollten aber nur dort, und zwar von Reichs wegen, erhoben werden, wo es zur Erhaltung von Wegen und Brücken notwendig wäre. Wer Zoll erhöbe, wo keiner hingehöre, dem solle es als Wucher angerechnet werden. Streng solle vorgegangen werden gegen die Verteuerung des Bodens wie gegen die Verteuerung der Waren durch die Kaufleute. Ebensowenig sollten die »Alfanzereien« der Kaufleute geduldet werden, daß sie nämlich nach Gutdünken die Preise festsetzten: Wenn sie zusammenkommen in Venedig oder anderswo, so setzen sie die Preise fest für Tücher, Gewürz, Pfeffer, Zimmet, und was es auch ist. Um das zu verhindern, sollen an allen Meerhäfen Vertreter des Reiches sein, die das Kaufmannsgut beschauen und mit dem Siegel von Kaiser und Reich versehen. »Item es sind große gesellschaften ufgestanden die zusamen spannent und treiben groß kaufmannsschatz, es geh ihn wol oder übel, sy schybent es ye denach, das sy nit verlieren!«
Reiser war ein Gegner der Zünfte, deren immer mehr erstarrende Ausschließlichkeit auf den Nichtzünftigen zu lasten begann; andererseits wollte er die Trennung der einzelnen Handwerke, daß niemand den andern in sein Bereich pfusche, gewahrt wissen. Die Bauern vergaß er nicht, die Hörigkeit sollte durchaus aufhören. »Es ist eine ungehörte sach, das einer so gehertzt ist vor got, das er gedar sprechen zu einem: du bist mein eigen.« Klöster, die Leibeigene hielten, sollten nicht gelitten werden; er sah es für schändlich an, daß Klöster, wenn der leibeigene Mann starb, den Witwen und Waisen das Erbe nahm, das ihnen zufiel. Des edlen Mannes Klage erhebt sich zu prophetischem Zorn, wenn er daran denkt, wie frevelhaft man die Bauern beraubt, von deren Arbeit alle leben: Wasser, Wald und Weide, die jedem frei sein sollten, hat man gebannt. Aber auch hier ist er einsichtig und maßvoll, den Hochwald nimmt er aus, weil Herren und Städte darin das Geleit haben, der Sicherheit wegen.
Es sind fast durchweg gute praktische Vorschläge, die Reiser macht, und man erstaunt über die schwärmerischen Vorstellungen und den Klang revolutionärer Leidenschaft, der zuweilen seine verständige Sprache durchbricht. Aus der Anhänglichkeit an die großen Hohenstaufen, Friedrich I. und Friedrich II., die letzten Inhaber der Machtfülle des Reiches, erklärt sich der Zauber, der für das hoffende Volk an dem Namen Friedrich haften blieb. Zugleich war es der Friedensklang, der dem von Fehden zerrissenen Deutschland den Namen teuer machte. Eine wunderbare Fabel ging um, der Papst habe, als er König Siegmund zum Kaiser krönte, ihn Friedrich genannt. Ein anderer Chronist erzählte von einem mächtigen Kaiser, der kommen und Frieden im Reich machen, auch den heiligen Gral gewinnen werde; der werde, wenn er auch nicht so getauft sei, Friedrich genannt werden um des Friedens willen, den er schaffe. Für Friedrich Reiser war dieser Name offenbar zu einem Symbol geworden, der ihn in dem Glauben an seine Bestimmung, die Erneuerung des Reiches herbeizuführen, bestärkte. Er anerkannte die Bestrebungen