Die Clans der Wildnis - Amisha. Delia Golz

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Название Die Clans der Wildnis - Amisha
Автор произведения Delia Golz
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783949348235



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Augen verdrehen. Vermutlich hat er sich nur entschuldigt, um seine Neugierde zu stillen. »Das wüsstest du wohl gerne«, entgegne ich und bemerke im Augenwinkel, dass Ashok die Fäuste ballt.

      »Ich werde den Vorfall meiner Mutter melden. Es ist Fremden nicht gestattet, sich ohne Erlaubnis in unserem Revier aufzuhalten und dann auch noch jemanden zu attackieren.«

      »Wer hat denn damit angefangen?« Nun werde ich doch wütend und baue mich vor ihm auf. »Wenn du das deiner Mutter verrätst, erzähle ich ihr von deinem unschicklichen Verhalten.«

      »Sie würde dir nicht glauben«, knurrt er, doch seine Unsicherheit schwingt deutlich mit.

      »Dann wäre das wohl geklärt«, sage ich knapp und verschwinde zwischen den Zelten. Ich kann die Wut, die er ausstrahlt, förmlich spüren, doch ich nehme mir vor, ihm niemals meine Schwäche zu zeigen.

      Nach dem Abendessen, bei dem meine Eltern mich wegen den verschiedensten Dingen ausgefragt haben, trete ich erschöpft in die laue Abendluft. Wie von selbst tragen mich meine Beine zu der Stelle, an der ich dem mysteriösen Fremden begegnet bin.

      Ich schüttle verwirrt den Kopf und frage mich, was ich mir dadurch erhoffe. Da diesmal keine Bedrohung in der Luft liegt, beschließe ich, ein wenig mit meinen Wurfmessern zu trainieren. Ich male mit Erde ein Kreuz auf die Rinde eines Baumes und entferne mich zehn Schritte davon. Dann richte ich konzentriert meinen Blick darauf und mit einer blitzschnellen Bewegung schaffe ich es, das Messer nur einen Fingerbreit von dem Kreuz entfernt in die Rinde zu jagen. Dennoch bin ich unzufrieden und nehme mir das nächste Mal mehr Zeit zum Zielen. Ich jauchze triumphierend, als ich genau die Mitte des Kreuzes treffe und trabe grinsend auf den Baum zu, um die Messer wieder an mich zu nehmen.

      Dann halte ich jedoch inne. War das eben nicht ein Rascheln? Diesmal beschließe ich, auf einen Baum zu klettern, um ein wenig geschützter zu sein und einen besseren Überblick zu haben. Mit geschmeidigen Bewegungen ziehe ich mich hinauf, bis ich ein großes Stück vom Waldboden entfernt auf einem Ast sitze. Zu meinem Erstaunen macht sich Vorfreude in mir breit und mir wird klar, dass ich darauf hoffe, dem Fremden wieder zu begegnen.

      Außer den normalen Geräuschen des Waldes kann ich jedoch nichts mehr hören. Enttäuscht lasse ich meinen Blick über das dichte Unterholz schweifen und spüre dann plötzlich blitzartig eine unbändige Energie durch meine Adern jagen.

      Sofort hebt sich meine Laune wieder und ich weiß, dass sich irgendwo in meiner Nähe ein Leopard aufhalten muss. Obwohl uns häufig erklärt wird, dass diese majestätischen Tiere von allein zu uns kommen müssen, und wir nicht nach ihnen suchen sollen, lasse ich mich von den Ästen des Baumes hinuntergleiten, um mich genauer umzusehen.

      Als meine Füße wieder auf festem Boden stehen, wird mir klar, dass irgendetwas nicht stimmt. Die vertraute Energie hat einen seltsamen Beigeschmack, so als würde Angst mitschwingen. Ich weiß, dass die Verbundenheit mit meinem Krafttier auch auslöst, dass wir gegenseitig in unsere Gefühlswelt eintauchen können. Ich erinnere mich wieder an die Worte der Ratsmitglieder, dass ein getöteter Leopard gefunden wurde.

      Ich schlucke einen schweren Kloß herunter und versuche meine Gedanken zu ordnen. Wäre es nicht besser, zurück nach Hause zu laufen? Ein lautes Kreischen lässt mich zusammenfahren und instinktiv handeln. Kurzerhand greife ich nach meinen Wurfmessern und stürme in die Richtung, aus der das Geräusch her-kam. Dabei vertraue ich meinen geschulten Sinnen, die mich trotz der Dunkelheit nicht im Stich lassen. Die brodelnde Energie wird immer stärker, genauso wie dieses furchtbare Gefühl der Panik.

      Dann gelange ich auf eine kleine Lichtung und bleibe schockiert stehen. Nur wenige Schritte von mir entfernt liegt ein blutendes Leopardenjunges, über welches eine dunkle Gestalt gebeugt steht. Sie ist verhüllt, sodass ich ihr Gesicht nicht ausmachen kann.

      »Verschwinde!«, rufe ich voller Zorn und werfe mein Messer.

      Es trifft die Schulter der Gestalt und sofort zuckt sie zurück.

      Gerade, als ich mich bereit mache, das zweite Messer zu werfen, wendet sie sich von dem leidenden Tier ab und verschwindet mit einem leisen Rascheln im Unterholz.

      Ich atme schwer und brauche einen Moment, um mich wieder zu beruhigen. Doch dann laufe ich sofort zu dem jungen Leoparden, um ihn zu untersuchen. Ich verziehe entsetzt das Gesicht, als ich die tiefen Wunden entdecke und fahre vorsichtig mit meiner Hand über das weiche Fell. Das Tier stößt ein leises Fiepen aus und blickt mich durch große goldene Augen an. »Keine Sorge, ich kümmere mich um dich«, sage ich mit beruhigender Stimme. So vorsichtig es geht, hebe ich das Junges hoch, wobei es ein gequältes Geräusch macht.

      Auf dem Weg nach Hause rede ich weiterhin sanft auf den kleinen Leoparden ein und hoffe, dass die Wunden nicht zu tief sind, um ihn noch zu retten. Mit dem Knie poche ich gegen die Tür unserer Hütte und als meine Mutter im Türrahmen steht, keucht sie überrascht. »Komm schnell herein, ich werde sofort alles zusammensuchen, was ihm helfen könnte.« Ich nicke dankbar und lege das Jungtier auf eine Decke, die meine Mutter hastig ausgebreitet hat. Dann eilt sie mit verschiedenen Kräutermischungen und einem Eimer Wasser her, um die Wunden zu versorgen. Der Leopard hat mittlerweile die Augen geschlossen, doch er atmet noch.

      Als meine Mutter die Verletzungen auswäscht, zuckt er kaum zusammen, was sie besorgt die Stirn runzeln lässt. »Es sieht wirklich schlimm aus, aber möglicherweise hat er noch eine Chance. Ich werde mein Bestmöglichstes geben.«

      »Veraya, was ist hier los?«, fragt mein Vater, als auch er in die Hütte tritt. Er hat einen Holzstapel in der Hand, welchen er nun achtlos zu Boden fallen lässt.

      »Du meine Güte«, murmelt er betroffen, als er das übel zugerichtete Tier sieht. »Wer macht denn sowas?«

      »Ich denke, das ist offensichtlich«, erwidert meine Mutter mit einer solch hasserfüllten Stimme, wie ich es noch nie bei ihr erlebt habe. »Morigan«, knurrt mein Vater kaum hörbar. »Es wird langsam Zeit, dass die Clans etwas gegen ihn unternehmen.«

      Meine Mutter seufzt jedoch nur tief und konzentriert sich dann wieder schweigend auf die Behandlung.

      »Ihr denkt, dass Morigan oder seine Anhänger sich in unserem Territorium aufhalten?« Ich reiße erschrocken die Augen auf, als mir klar wird, dass ich dieser Person gegenüberstand.

      Vermutlich war ich selbst in Lebensgefahr, ohne mir dessen bewusst zu sein. Allerdings beschließe ich, dass ich es meinen Eltern besser verschweigen sollte, da sie mich sonst nachts nicht mehr aus dem Haus lassen würden. Gedankenverloren streiche ich über das weiche Fell des Leoparden und beginne unwillkürlich, mir einen Namen für ihn auszudenken. Luan.

      Nachdenklich spiele ich mit einer meiner ungewohnt kurzen Haarsträhnen, als mir klar wird, dass ich schon jetzt viel zu vernarrt in das Jungtier bin, obwohl es höchstwahrscheinlich die Nacht nicht überleben wird. Von der pulsierenden Kraft, die mich zuvor noch in der Anwesenheit des Leoparden durchströmt hat, ist kaum noch etwas zu spüren.

      Schließlich lässt meine Mutter von ihm ab und als sie meinen erschrockenen Blick sieht, streicht sie mir zärtlich über die Wange. »Mehr kann ich nicht für ihn tun. Ich kann leider nicht sagen, ob er morgen noch lebt.«

      Ich nicke stumm und muss alle Kraft aufwenden, um nicht in Tränen auszubrechen. »Ich bleibe bei ihm«, sage ich mit fester Stimme und steige die Leiter hinauf in mein Zimmer, um meine Schlafsachen zu holen.

      Nachdem ich meinen Schlafplatz hergerichtet habe, wünschen mir meine Eltern noch eine gute Nacht, ehe sie die Kerzen löschen. In der Dunkelheit höre ich das schwache, aber gleichmäßige Atmen von Luan und werde allmählich immer schläfriger.

      Während mein Körper immer schwerer wird, erscheint das Bild der dunklen Gestalt vor meinen Augen und lässt mich über etwas nachgrübeln, was sich schließlich in einem traumlosen Schlaf verliert.

      KAPITEL 2

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      Zuerst schwelge ich noch eine Weile im friedlichen Halbschlaf, bis ich alarmiert die Augen aufschlage, als mir wieder das Leopardenjunge