Название | Die Clans der Wildnis - Amisha |
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Автор произведения | Delia Golz |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783949348235 |
»Sagen die anderen das auch?« Die Augen meines Vaters werden schmal und er scheint zu verstehen. »Ich habe mich schon oft gefragt, warum du dich ständig mit jedem anlegen musst. Kann es sein, dass du versuchst, dich zu beweisen?« »Ich will nicht darüber reden«, sage ich knapp und beschleunige meine Schritte.
Mittlerweile haben wir uns aus dem Hauptlager entfernt und folgen dem Weg, der zu unserem kleinen Nebenlager führt. Das Nebenlager der Außenseiter, wie es oft spöttisch genannt wird.
Mein Vater weiß, dass ich jetzt allein sein möchte und lässt mich ziehen.
Ich sitze in meinem Zimmer auf dem Dachboden und betrachte mein Spiegelbild mit zusammengepressten Lippen. Wie oft habe ich schon dagesessen und mich so voller Hass angestarrt?
Mein welliges, helles Haar fällt mir bis über den halben Rücken und zeigt jedem sofort, dass ich nicht zum Clan des schnellen Leoparden gehöre.
Entschlossen greife ich nach einem meiner Wurfmesser und schneide mir meine Haare kurzerhand ab. Jetzt reichen sie mir kaum noch bis zur Schulter. Mit grimmigem Blick mustere ich mein neues Äußeres und hoffe, dass ich nun zumindest ein bisschen weniger auffalle und mehr wie eine Kriegerin wirke.
Mit meinen Sommersprossen, über die so oft gespottet wird, kann ich leider nicht verbergen, ebenso wenig mit meinen hellen türkisblauen Augen, die sich so sehr von dem satten Braun meiner Clankameraden unterscheiden. Wenn ich sie überhaupt als meine Clankameraden bezeichnen kann.
»Amisha, komm bitte mal runter!«, höre ich meine Mutter rufen. Ich seufze tief und werfe einen letzten Blick in den Spiegel.
Meine Lippe ist von dem kleinen Kampf mit Ashok aufgeplatzt
und ich hoffe, dass meine Mutter es nicht bemerkt. Während ich die Leiter hinunterklettere, halte ich den Kopf gesenkt.
»Wir haben kein Wasser mehr, kannst du bitte welches vom Brunnen holen gehen?« Ich murmele zustimmende Worte und spüre im nächsten Moment den prüfenden Blick meiner Mutter auf mir haften. »Was ist denn mit deinen Haaren passiert?«
Ich zucke bloß mit den Schultern und nachdem ich mir den Eimer geschnappt habe, stürme ich aus der Hütte ins Freie.
Ich atme tief durch und versuche, das schwere Gefühl in meiner Magengegend zu ignorieren. Ich weiß, dass meine Eltern nichts dafürkönnen, dass ich häufig abschätzig behandelt werde und doch lasse ich jedes Mal meine Wut an ihnen aus.
Ich beginne zu rennen und wie von selbst tragen mich meine Beine zu dem Grabstein, vor dem mein Vater so häufig sitzt.
Eine einsame Blume liegt dort und lässt mich wissen, dass er noch vor kurzem hier gewesen sein muss. Nachdenklich stehe ich da und starre auf das Grab, ohne überhaupt zu wissen, weshalb. Dann fällt mir jedoch meine Aufgabe wieder ein, was mich dazu bringt, endlich weiterzugehen.
Kopfschüttelnd folge ich dem Weg zum Brunnen, während am Horizont die Sonne langsam untergeht.
Mit dem vollen Eimer in der Hand schlurfe ich durch das kleine Waldstück, in dem schon das nächtliche Konzert der Tiere angestimmt wurde.
Normalerweise fühle ich mich auch in der Dunkelheit der Natur sehr friedlich, vor allem wenn sich dieses euphorische Gefühl in mir ausbreitet, welches mir verrät, dass sich ein Leopard in meiner Nähe befindet. Dieses Mal kribbelt es mir jedoch unheilvoll im Nacken und ich bin mir fast sicher, dass mich jemand beobachtet. Meine freie Hand wandert an meine Wurfmesser, die ich immer bei mir trage, und sofort fühle ich mich sicherer.
Als es laut im Gebüsch raschelt, fahre ich herum, doch dann werde ich schon von einer großen Gestalt gegen einen Baum gedrückt.
»Ashok«, zische ich wütend, als ich das Gesicht meines Gegenübers erkenne. Ich will ihn von mir stoßen, doch er hält mich weiterhin fest.
»Du solltest hier nicht so allein herumlaufen«, sagt er mit einem Unterton, der mich erschaudern lässt. »Man weiß nie, wer sich nachts so herumtreibt.«
»Du meinst, außer dir?«, kontere ich und schaffe es endlich, mich aus seinem Griff herauszuwinden.
»Denkst du etwa, jetzt sieht man dir weniger an, dass du anders bist?«, fragt Ashok höhnisch, während er eine meiner kurz geschnittenen Haarsträhnen durch seine Finger gleiten lässt.
Schnell weiche ich einen Schritt zurück und funkele ihn zornig an. »Fass mich bloß nicht an!«
Mit schiefgelegtem Kopf blickt er mich an. Und dann zieht er mich plötzlich an sich und presst seine Lippen gewaltsam auf meine.
Einen Moment lang bin ich völlig fassungslos, doch dann reiße ich mich los und schlage ihm mit der Faust und mit voller Kraft ins Gesicht. Er taumelt zurück und blickt mich zornig an. »Jetzt sind unsere Schulden beglichen«, sage ich mit einem boshaften Grinsen und laufe schnell davon.
Ich bemerke jedoch schon bald, dass Ashok nicht so leicht aufgibt und die Verfolgung aufgenommen hat. Plötzlich reißt mir etwas die Beine weg und ich stürze unsanft zu Boden. »Nicht so schnell«, sagt Ashok mit schleimiger Stimme und beugt sich über mich. Noch ehe ich etwas dagegen unternehmen kann, hat er mich am Boden festgenagelt und lässt mir keine Chance mehr, zu entkommen. Doch gerade als ich laut schreien möchte, wird er ruckartig von mir heruntergezogen und bekommt einen zweiten Fausthieb ins Gesicht verpasst.
Fassungslos beobachte ich die Szene und versuche in der Dunkelheit das Gesicht meines Retters zu erkennen. Gerade ist er dabei Ashok sein Knie in den Magen zu rammen und ihn dann zu Boden zu schleudern. Mühsam richte ich mich auf und nähere mich mit unsicheren Schritten dem Unbekannten.
»Es reicht«, sage ich mit einer leisen Stimme, die völlig fremd in meinen Ohren klingt.
Nun erkenne ich, dass es sich um einen jungen Mann mit dunklen Haaren und bleicher Haut handelt, der mich abschätzig anblickt. Ashok kriecht währenddessen davon und verschwindet im Wald. Irgendetwas an den Augen des Fremden kommt mir seltsam vor, doch mir will nicht einfallen, woran es liegt.
»Alles in Ordnung?«, fragt er mit emotionsloser Stimme, woraufhin ich bloß ein Nicken zustande bringe. »Dann werde ich jetzt wieder gehen.« Ein leichtes Lächeln umspielt seine Lippen, doch es erreicht nicht seine Augen.
»Warte!«, rufe ich ihm hinterher, als er sich bereits mehrere Schritte entfernt hat. »Wer bist du und zu welchem Clan gehörst du? Warum hältst du dich mitten in der Nacht in einem fremden Revier auf?«
Der Unbekannte dreht sich nicht um, doch ich kann seine Worte verstehen: »Vergiss unsere Begegnung.«
Noch ehe ich etwas darauf erwidern kann, ist er mit der Dunkelheit verschmolzen, und selbst mit meinen geschärften Sinnen kann ich kein Lebenszeichen mehr von ihm wahrnehmen.
Es ist tatsächlich so, als wäre er nie dagewesen.
Noch am nächsten Tag spukt mir die Erinnerung mit diesem Fremden unablässig durch den Kopf. Gleichzeitig versuche ich, Ashoks aufdringliches Verhalten zu vergessen. Obwohl ich beim Aufenthalt im Lager unseres Clans stets darauf achte, ihm aus dem Weg zu gehen, schafft er es irgendwann, mich abzupassen.
»Können wir kurz reden?« Er sagt das so voller Scham, dass ich schließlich einwillige.
»Mein Verhalten von gestern tut mir wirklich leid«, sagt er mit leiser Stimme, während wir langsam durch das Lager schlendern. Ich halte den Blick gesenkt und überlege, was im am besten darauf antworten könnte.
»Wenn du versprichst, dass du dich mir gegenüber nicht mehr so herablassend verhältst, vergesse ich alles.« Noch während ich die Worte ausspreche, zweifle ich daran, dass er sich wirklich daran hält.
Als Sohn der Anführerin kam er sich schon immer besonders vor und hat vor allem mich seine Arroganz spüren lassen.
Dann kommt mir jedoch der erzwungene Kuss in den Sinn und lässt mich grübeln, ob nicht doch mehr hinter seinem Verhalten steckt.
»Wer war eigentlich dieser seltsame