Statische Gedichte. Gottfried Benn

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Название Statische Gedichte
Автор произведения Gottfried Benn
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783037901298



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      Gottfried Benn

      Statische Gedichte

      ACH, DAS FERNE LAND —

      Ach, das ferne Land,

      wo das Herzzerreißende

      auf runden Kiesel

      oder Schilffläche libellenflüchtig

      anmurmelt,

      auch der Mond

      verschlagenen Lichts

      – halb Reif, halb Ährenweiß –

      den Doppelgrund der Nacht

      so tröstlich anhebt –

      ach, das ferne Land,

      wo vom Schimmer der See’n

      die Hügel warm sind,

      zum Beispiel Asolo, wo die Duse ruht,

      von Pittsburg trug sie der »Duilio« heim,

      alle Kriegsschiffe, auch die englischen, flaggten halbmast,

      als er Gibraltar passierte –

      dort Selbstgespräche

      ohne Beziehungen auf Nahes,

      Selbstgefühle,

      frühe Mechanismen,

      Totemfragmente

      in die weiche Luft –

      etwas Rosinenbrot im Rock –,

      so fallen die Tage,

      bis der Ast am Himmel steht,

      auf dem die Vögel einruhn

      nach langem Flug.

      QUARTÄR —

      I.

      Die Welten trinken und tränken

      sich Rausch zu neuem Raum

      und die letzten Quartäre versenken

      den ptolemäischen Traum.

      Verfall, Verflammen, Verfehlen –

      in toxischen Sphären, kalt,

      noch einige stygische Seelen,

      einsame, hoch und alt.

      II.

      Komm – lass sie sinken und steigen,

      die Cyclen brechen hervor:

      uralte Sphinxe, Geigen

      und von Babylon ein Tor,

      ein Jazz vom Rio del Grande,

      ein Swing und ein Gebet –

      an sinkenden Feuern, vom Rande,

      wo alles zu Asche verweht.

      Ich schnitt die Gurgel den Schafen

      und füllte die Grube mit Blut,

      die Schatten kamen und trafen

      sich hier – ich horchte gut –,

      ein Jeglicher trank, erzählte

      von Schwert und Fall und frug,

      auch stier- und schwanenvermählte

      Frauen weinten im Zug.

      Quartäre Cyclen – Scenen,

      doch keine macht dir bewusst,

      ist nun das Letzte die Tränen

      oder ist das Letzte die Lust

      oder beides ein Regenbogen,

      der einige Farben bricht,

      gespiegelt oder gelogen –

      du weißt, du weißt es nicht.

      III.

      Riesige Hirne biegen

      sich über ihr Dann und Wann

      und sehen die Fäden fliegen,

      die die alte Spinne spann,

      mit Rüsseln in jede Ferne

      und an alles, was verfällt,

      züchten sich ihre Kerne

      die sich erkennende Welt.

      Einer der Träume Gottes

      blickte sich selber an,

      Blicke des Spiels, des Spottes

      vom alten Spinnenmann,

      dann pflückt er sich Asphodelen

      und wandert den Styxen zu –,

      lass sich die Letzten quälen,

      lass sie Geschichte erzählen –

      Allerseelen –

      Fini du Tout.

      CHOPIN

      Nicht sehr ergiebig im Gespräch,

      Ansichten waren nicht seine Stärke,

      Ansichten reden drum herum,

      wenn Delacroix Theorien entwickelte,

      wurde er unruhig, er seinerseits konnte

      die Notturnos nicht begründen.

      Schwacher Liebhaber;

      Schatten in Nohant,

      wo George Sands Kinder

      keine erzieherischen Ratschläge

      von ihm annahmen.

      Brustkrank in jener Form

      mit Blutungen und Narbenbildung,

      die sich lange hinzieht;

      stiller Tod

      im Gegensatz zu einem

      mit Schmerzparoxysmen

      oder durch Gewehrsalven:

      man rückte den Flügel (Erard) an die Tür

      und Delphine Potocka

      sang ihm in der letzten Stunde

      ein Veilchenlied.

      Nach England reiste er mit drei Flügeln:

      Pleyel, Erard, Broadwood,

      spielte für 20 Guineen abends

      eine Viertelstunde

      bei Rothschilds, Wellingtons, im Strafford House

      und vor zahllosen Hosenbändern;

      verdunkelt von Müdigkeit und Todesnähe

      kehrte er heim

      auf den Square d’Orléans.

      Dann verbrennt er seine Skizzen

      und Manuskripte,

      nur keine Restbestände, Fragmente, Notizen,

      diese verräterischen Einblicke –,

      sagte zum Schluss:

      »meine Versuche sind nach Maßgabe dessen vollendet,

      was mir zu erreichen möglich war.«

      Spielen sollte jeder Finger

      mit der seinem Bau entsprechenden Kraft,

      der vierte ist der schwächste

      (nur siamesisch zum Mittelfinger).

      Wenn er begann, lagen sie

      auf