Название | Faktencheck Ernährungsdschungel |
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Автор произведения | Fritz Treiber |
Жанр | Сделай Сам |
Серия | |
Издательство | Сделай Сам |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783800082087 |
2007 habe ich im Rahmen meiner „Schlemmerstunden“ erstmals molekularen Kaviar serviert. Die Freude war groß bei den Anwesenden und ich hatte auf einmal drei Küchenhelferinnen, die eifrig Kaviar aus Campari produzierten. Das chemische Prinzip dahinter war recht einfach und daher habe ich meinem damaligen Kollegen Helmut Jungwirth einen Floh ins Ohr gesetzt bzw. eine Kaviarvariation auf seinem Schreibtisch deponiert. Er war ebenso begeistert wie meine Gäste und daher haben wir den Kaviar bei der langen Nacht der Forschung an der Uni Graz präsentiert. Unsere Station mit Molekularer Küche verzeichnete über 3000 Besucherinnen in knappen acht Stunden. Die „Speisung der 3000“, wie ich sie nun rückblickend nenne, führte dazu, dass wir begannen, uns wissenschaftlich mit der Molekularen Küche auseinanderzusetzen.
Bald darauf veranstalteten wir eine wissenschaftliche Tagung dazu, mit den führenden Köpfen zu dieser Thematik im deutschsprachigen Raum wie Thomas Vilgis vom Max-Planck-Institut in Mainz sowie dem Schweizer Kreativkoch Rolf Caviezel. Seit 2010 gaben wir dann Grundkurse zur Molekularen Küche, 2012 wurde das Geschmackslabor gegründet. 2017 haben wir die jahrelange Erfahrung und unsere gesammelten Rezepte in einem Kochbuch namens Science Schmankerln verewigen können. Seit 2016 bin ich in regelmäßigen Abständen als Ernährungsexperte auf ORF 2 zu Gast, zuerst war ich bei der Sendung heute leben und jetzt bei der Nachfolgesendung Studio 2 zu sehen, in der ich Tipps zur Ernährung und Warenkunde auf Basis wissenschaftlicher Fakten gebe. Zudem bin ich derzeit Koordinator für das Studium Ernährung, Gesundheit und Konsum an der Karl-Franzens-Universität Graz. Hier halte ich für meine Studierenden Seminare in Bezug auf die Geschichte der Ess- und Tischkultur bzw. koche wissenschaftlich mit diesen im Geschmackslabor. Privat beschäftige ich mich derzeit sehr intensiv mit der japanischen Küche. Die wissenschaftlichen Kooperationen mit der Uni Hiroshima und der Uni Nagasaki sind dabei überaus hilfreich.
So, nun hoffe ich, Sie haben dieses Vorwort gut verdaut und sind bereit für mehr aus dem spannenden Bereich der Molekularbiologie und den Ernährungswissenschaften.
Aber halt – wie funktioniert eigentlich Wissenschaft?
Keine Sorge, dies wird kein knochentrockener Ausflug in die Wissenschaftstheorie, wo ein Satz oft über zehn Buchzeilen geht und man fast fünf Minuten grübeln muss, was der Autor oder die Autorin dieses Satzes eigentlich mitteilen will. In diesem Buch muss ich immer wieder auf wissenschaftliche Studien verweisen, was diese bedeuten und wie sie in weiterer Folge zu interpretieren sind. Dazu gleich ein Beispiel aus der Realität unter dem Titel „Wenn am Berggipfel der Grüne Veltliner ruft“.
Bei der letzten Bergtour habe ich unmittelbar nach dem Gipfelsieg ein Glas Grünen Veltliner getrunken. Ein Stifterl Wein und ein Glas habe ich immer im Rucksack dabei. Dieser schmeckte so anders als sonst – aber warum? Eine Beobachtung von mir wirft eine Frage auf. Diese will ich wissenschaftlich aufklären. Wie gehe ich nun weiter vor?
Ich formuliere eine Hypothese. Das ist eine in Form einer logischen Aussage formulierte Annahme, deren Gültigkeit noch nicht bewiesen ist, die aber geeignet ist, Erscheinungen oder Beobachtungen zu erklären. Am leichtesten ist sie mit der „Immer, wenn ..., dann …“-Verknüpfung zu erklären. Ein Beispiel dazu: Immer wenn ich am Gipfel eines Berges ein Glas Grünen Veltliner genieße, dann schmeckt dieser deutlich anders als zu Hause in der Gartenlaube meiner Großmutter Adele. Immer wenn Wein einem niedrigen Luftdruck ausgesetzt wird, verändert sich die Flüchtigkeit der Aromastoffe. Immer wenn ich mich in großer Höhe befinde, nehme ich Geschmacksstoffe schlechter wahr als sonst. Die Hypothese ist die Vorstufe zur Theorie.
Nun gilt es, das Experiment zur Aufklärung der Fragestellung zu entwerfen. Die eigentliche Frage lautet: Warum schmeckt der Wein am Berg anders als im Tal? Dabei tun sich neue Fragen auf. War der Wein verdorben? Ist der Wein im Rucksack durchgeschüttelt worden und hat so seinen Geschmack verändert? Ist die Freude über den Gipfelsieg für eine Veränderung der Geschmackswahrnehmung verantwortlich, spielt die Psyche dem Geschmackssinn einen Streich? Schmeckt der Wein nur für mich anders oder nehmen dies auch andere Menschen so wahr? Eine Arbeitshypothese entsteht. Bei der Planung meiner Experimente muss ich unbedingt darauf achten, dass sich die Hypothese im Laufe des Experiments nicht verändert. Etwa: Im Geschmackslabor haben wir keinen Grünen Veltliner mehr, dann muss eben ein Weißburgunder herhalten. Dies wäre dann eine Fehlerquelle!
Habe ich meine Experimente erfolgreich und für andere Wissenschaftler nachvollziehbar abgeschlossen, stehe ich nun vor dem nächsten Problem: Ich habe nur eine Person (mich) und eine Flasche Wein untersucht. Die Fehlerquellen sind hier noch zu groß, um eine solide Theorie aufstellen zu können. Ich wiederhole die Experimente mit 1000 Studierenden und zehn verschiedenen Weißweinsorten. Die Daten werden analysiert, Fehlerquellen beseitigt. Was wären in so einem Experiment realistische Fehlerquellen? Zum Beispiel ein Student, dem Wein überhaupt nicht schmeckt, macht bei der Untersuchung mit, oder eine Studentin, die zur Zeit des Experimentes an Geruchsverlust leidet, verkostet den Wein.
Nach Bereinigung der Ergebnisse formuliere ich meine Theorie. Aufgrund des verminderten Luftdrucks verlassen mehr Geruchsmoleküle den Wein und dieser bekommt ein anderes Bouquet als im Tal.
Ich möchte meine Studie in einem wissenschaftlichen Journal veröffentlichen. Aber bevor sie gedruckt wird, geht meine Arbeit an drei anonyme Kolleginnen oder Kollegen, die auf demselben Fachgebiet forschen. Diese begutachten meine Arbeit, schauen, ob Fehlerquellen zu finden sind, und geben erst dann ihr Ok, wenn sauber gearbeitet wurde. Diesen Vorgang nennt man in der Fachsprache peer reviewed (durch Fachkollegen begutachtet). Erst dann wird die Arbeit gedruckt und steht online auch anderen Fachkollegen zur Verfügung. Jetzt wiederholen Forscher in Peru, Japan und Russland mein Experiment. Kommen sie auf das gleiche Ergebnis, ist meine Theorie richtig.
Sie sehen also, es ist ein weiter Weg, bis eine Idee bzw. Beobachtung Eingang in eine wissenschaftliche Zeitschrift und später in ein Lehrbuch findet. Dabei können viele Fehler passieren, absichtlich oder unbewusst, denn Wissenschaftler sind auch nur Menschen.
Warum wir essen, trinken und verdauen müssen
Leben heißt fressen oder gefressen werden. Wir sind nackte Affen. So wie andere Tiere müssen wir unserem Körper jeden Tag Flüssigkeit und Nahrung zuführen. Jeden Tag stimmt auch nicht. Einen Fastentag oder auch zwei überleben wir ohne Probleme, auch wenn die Werbung uns etwas anderes einreden will. Verdursten geht aber relativ schnell. Schon nach drei Tagen könnte der Tod eintreten. In manchen Extremsituationen haben Menschen auch länger ohne Wasser überlebt. Aber bitte probieren Sie es nicht aus! Mit drei Wochen wird die ungefähre Zeitspanne angegeben, nach der ein Mensch verhungert. Wir sterben dann meist an Herzversagen, weil die Energie für diesen hart arbeitenden Muskel fehlt.
Diese Energie beziehen wir aus der Nahrung. Pflanzen sind hier viel anspruchsloser. Sie brauchen nur Kohlendioxid, Wasser und Sonnenlicht. Gut, ein paar Mineralstoffe müssen auch dabei sein, aber das ist es dann auch schon. Wir sind keine Pflanzen, brauchen Sonne für unser Gemüt bzw. für die körpereigene Produktion von Vitamin D. Es gibt verrückte Mitmenschen, die glauben, sie seien Pflanzen und könnten von sogenannter „Lichtnahrung“ satt werden. Wer es mit Lichtnahrung übertreibt, der landet schnell mit einem Schwächeanfall im Krankenhaus oder, wie in einigen dokumentierten Fällen, auf dem Friedhof. Auch wenn sofort ein indischer Yogi genannt wird, der schon zwei Jahre nichts mehr gegessen hat, scheitert eine wissenschaftliche Überprüfung meist in den ersten drei Wochen. Sprich, der Yogi trickste und hat doch irgendetwas gegessen oder musste die Studie wegen „schlechter Schwingungen“ abbrechen. Auch so kann man Hunger bezeichnen.
Bakterien und Pilze müssen sich ebenfalls ernähren. Pilze sind mit den Tieren näher verwandt als mit Pflanzen. Sie können pflanzliche und tierische Nahrungsquellen nutzen und leben manchmal mit Pflanzen bzw. deren Wurzeln in einer Symbiose. Ein Geben und ein Nehmen von produzierten Nährstoffen. Bakterien können sich auf viele verschiedene Arten ernähren, waren sie doch die