Название | Das Feuerdrama von Cottbus |
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Автор произведения | Wolfgang Swat |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783959588027 |
Er ist zurückhaltend, hat noch keine Freundin, besucht zum ersten Mal mit achtzehn Jahren eine Disko. Dann lernt er doch ein Mädchen kennen. An einem der vielen Seen in der Umgebung trifft er Moni. Sie ist dreizehn und damit fünf Jahre jünger als Wolfgang. Es ist eher eine platonische Liebe, die sich nur langsam entwickelt: Händchen halten, schmusen, Küsschen, mehr zunächst nicht. Er hat natürlich sexuelle Gelüste, und er hat dennoch seine sexuelle Befriedigung. Die Fetische von Frauen.
Im Wäscheschrank der Mutter sind die Objekte der Begehrlichkeit eingeschlossen. Doch es gibt sie. Sie sind woanders zu finden. Auf Müllkippen.
Die gibt es zuhauf in der DDR, vor allem in den Dörfern, aber auch an den Rändern kleinerer und größerer Städte. Keine Mülldeponien, wie man sie heute kennt, sondern aufgeschüttete Berge, meistens illegal, aber beliebt: als Orte billiger Entsorgung von Trödel, den die einen nicht mehr brauchen und loswerden wollen und den andere durchforsten auf der Suche nach Nutzbarem für den eigenen Bedarf oder den Verkauf.
Hier, auf diesen »Müllkuten«, wie es Schmidt ausdrückt, sucht er, was ihm daheim verwehrt wird. Auf solch einer Kutte entdeckt er eines Tages einen prall gefüllten Sack. Als er ihn öffnet, quillt Damenwäsche heraus. Fortan wecken Müllhalden Begehrlichkeiten und erfüllen sie. Denn er findet, was er sucht. Vor allem solcherart Damenwäsche, die Frauen direkt auf der Haut tragen, interessiert ihn. Diese zieht er an. Die Büstenhalter füllt er wegen fehlender Oberweite mit allerlei Material zu Busen auf, zieht sich Höschen und Unterröcke an, nachdem er sich seiner Männerbekleidung entledigt hat, flaniert mit Röcken darüber herum, »strullt« in die Höschen und bekotet diese. In dieser Verkleidung erlebt der Heranwachsende den Samenerguss eines Jünglings, der vom Knaben zum Manne heranreift. Immer weiter zieht er seine Kreise, legt vielerorts Depots an mit Frauenwäsche und Damenkleidung: mehr und immer mehr.
Der »Rosa Riese« ist geboren.
Noch einmal gibt es eine Chance, dem Unheil Einhalt gebieten zu können. Über berufliche Umwege zur Bereitschaftspolizei gelangt, weil ihm »Recht und Ordnung schon immer am Herzen gelegen« hätten, sieht er dort seine Zukunft. Doch es kommt zu einem Vorfall, den die Staatsmacht nicht tolerieren kann. Die Schmidt-Kameraden in Uniform planen zum hundertsten Geburtstag von Adolf Hitler am 20. April 1989 eine heimliche Feier, man kann auch sagen: ein Besäufnis. Doch was bleibt schon unentdeckt? Die Vorgesetzten erfahren von der Hitlerverehrung und handeln. Spinte werden nach Verdächtigem durchsucht, auch der von Schmidt. In einem Fach des schmalen Schrankes wird Damenwäsche gefunden. »Ich sammle die, seit ich klein bin. Ich bin aber nicht schwul«, erklärt er seinen Vorgesetzten. Die empfehlen ihm, einen Arzt aufzusuchen. Mehr nicht. Dann wird der Obermeister Schmidt in Unehren entlassen.
Der geschasste Polizist findet Arbeit im Walzwerk Brandenburg, seinem Lehrbetrieb, und zieht zu seiner Moni, die noch bei ihren Eltern in einem Nachbarort von Rädel wohnt. Fünf Jahre kennen sich die jungen Leute nun schon seit ihrer ersten romantischen Begegnung am Ufer eines Sees. Mehr als Händchen halten, Küsschen und Fummeln mit der Hand an Geschlechtsteilen ist bisher nicht passiert. Sie ist jetzt achtzehn, er dreiundzwanzig Jahre alt. Sie verloben sich und haben zum ersten Mal richtigen Sex. Sie probieren vieles aus, und es befriedigt beide. »Aus der Freundschaft ist eine wahnsinnige Liebe entstanden«, sagt er später dem psychiatrischen Gutachter. Moni überredet den Verlobten sogar, einmal einen ihrer String-Tangas anzuziehen. Erinnerungen an den kleinen Wolfgang in der Wäsche der Mutter ruft das bei ihm hervor. Nein, das will er nicht tun vor seinem Mädchen.
Er will anderes. Der »Rosa Riese« ist groß geworden. In ihm wird der Wunsch – bei aller »wahnsinnigen Liebe« zu Moni – unbeherrschbar, es auch mal mit einer anderen Frau zu machen. »Der Drang danach, jetzt det mit jemand anders noch durchzuführen, war zu groß«, sagt er später dem Psychiater. Der »Rosa Riese« ist nicht mehr aufzuhalten.
Tagelang durchstreift er Wälder rund um Beelitz. Geht seine Verlobte Moni aus dem Haus, macht sich der Mann auf zu Deponien, auf denen er nach weiblicher Reizwäsche sucht. Es gibt genug davon. Die Verstecke mit BHs, Unterhöschen, Unterkleidern, Röckchen wachsen an in Zahl und Umfang. Den Zwang, mehr und immer mehr zu sammeln, das Intime zu besitzen, es zu fühlen mit den Händen und es auf seiner nackten Männerhaut zu spüren, kann er nicht unterdrücken. Er zieht sie sich an, spaziert als Frau verkleidet um die Bäume, lässt seinen Exkrementen freien Lauf in die Schlüpfer, säubert sich, so gut es geht, im Wald mit dem, was die Natur dafür liefert, und ist oft spätabends daheim. Er fährt nahezu täglich mit dem Fahrrad oder dem Moped seiner Verlobten herum, nur aber nicht zur Arbeit. Mehrfach hat er inzwischen seine Arbeitsstelle verloren, doch was der Bummelant tagsüber draußen treibt, davon ahnen weder seine Verlobte noch die Eltern und angehenden Schwiegereltern noch die Chefs in den Betrieben, in denen er meist kurzfristige Anstellungen hat, etwas. Die Spirale des Abnormen dreht sich immer schneller Richtung Gewalt. Die Mordserie nimmt ihren schrecklichen Anfang.
Dienstag, 24. Oktober 1989.
Tat eins: Mord an Gisela Dörfler
Wolfgang Schmidt hat seit kurzem wieder Arbeit im Elektrostahlwerk Brandenburg. Er hat an diesem Tag Spätschicht. Die beginnt um 14 Uhr. In den Vormittagsstunden ist er wieder einmal mit dem Moped unterwegs. Er kennt sich in der Mülldeponie-Landschaft der Umgebung bestens aus. Wieder ist er dort fündig geworden, hat begehrte Kleidungsstücke eingesammelt. Gegen 11.30 Uhr ist er am Fuße des Götzer Berges eingetroffen, der sich in der Osthavelniederung gut hundert Meter über das flache Landschaftsschutzgebiet erhebt. Es drängt ihn, die aufgelesenen neuen Trophäen zu tragen. Bei seinem Herumstromern gelangt er an eine Bungalowsiedlung in Deetz, einer Gemeinde, die heute Ortsteil von Groß Kreutz und herrlich an der Havel gelegen ist. Schmidt erhofft sich, in den Bungalows weitere Damenwäsche zu finden. Er ist inzwischen süchtig danach.
Bereits im ersten Gartenhäuschen, in das er eingebrochen ist, hat er Glück und findet mehrere Schlüpfer. Mit einem Hammer bewaffnet, den er im Geräteraum der Laube gefunden hat, setzt er seine Suche ein Stück weiter entfernt im Bungalow der Familie Dörfler fort. Die Tür des Häuschens steht einladend offen. Der Dieb findet einen Bikini, Frauenunterwäsche und eine braune Ledereinkaufstasche, in der Zigaretten und 10 DDR-Mark stecken. Gisela Dörfler, die draußen mit dem Kopf nach unten und dem Hintern nach oben mit einer Hacke Beete bearbeitet, sieht er nicht. Dafür bemerkt die einundfünfzig Jahre alte Frau den Eindringling an der Rückfront des Grundstücks. Als Gisela Dörfler aus Angst, Empörung, Wut über den Einbruch am helllichten Tag ihr Entsetzen herausschreit, würgt sie der riesenhaft erscheinende Dieb, der blitzschnell bei ihr ist, mit beiden Händen. Das Opfer bekommt keine Luft mehr und sackt zu Boden. Schmidt registriert in einiger Entfernung einen hellen »Trabant Kombi«, den er zuvor dort nicht gesehen hat. Er schleift die leblos wirkende Frau in den Bungalow. Als diese drinnen im Sommerhäuschen wieder zur Besinnung kommt, schlägt er ihr mit dem mitgebrachten Hammer mehrfach auf den Kopf. Das Opfer überlebt diese Tortur nicht. Von seinem Vorhaben, Sex mit der Frau zu haben, rückt der Täter nicht ab. Er entkleidet den Unterleib der Toten, und als eine Erektion bei ihm ausbleibt, manipuliert er mit einer Kerze an ihr herum.
Schmidt will die Leiche in der Havel verschwinden lassen. Aus dem Schlafzimmer holt er eine gelbe Steppdecke, breitet diese auf dem Wohnzimmertisch aus, wickelt den Leichnam darin ein und verschnürt ihn wie ein Paket mit einem Draht und dem Gürtel eines Bademantels. Die »Entsorgung« der Toten misslingt. Der Fahrer des »Trabant«, der in einer Entfernung von fünfundzwanzig Metern geahnt haben mag, dass in der Nachbarschaft etwas nicht stimme, nähert sich dem Dörfler-Grundstück. Wolfgang Schmidt hastet davon und fährt mit dem Moped in Richtung Götzer Berg. Dort säubert er sich, legt die Damensachen ab, zieht seine eigene Kleidung an und fährt zum Elektrostahlwerk Brandenburg. Er tritt mit einer Stunde Verspätung seine Spätschicht an.
Donnerstag, 24. Mai 1990.
Tat zwei: Totschlag an Monika Neufeld
Es ist »Männertag«, Wolfgang Schmidt hat sich, kostümiert mit einem Schlafanzug,