Die Ankündigung. Nancy Mehl

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Название Die Ankündigung
Автор произведения Nancy Mehl
Жанр Языкознание
Серия Ein Kaely-Quinn-Krimi
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783775175098



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aber heute ist was schiefgelaufen.«

      Georgie setzte sich auf einen der Stühle an Kaelys Küchentresen. »Wie meinst du das?«

      »Ich war so in eine Akte vertieft, dass ich vergessen habe, wo ich war und ich … ich …«

      »Du hast angefangen, mit jemandem zu reden, der gar nicht da war?«

      Kaely nickte. »Ich kann das gar nicht glauben. Die Leute am Nachbartisch haben sich beschwert und Louis hat sie rausgeworfen. Das war mir vielleicht peinlich!« Kaely ließ sich auf den Stuhl neben Georgie fallen. Sie spürte die ersten Anzeichen von Spannungskopfschmerz und rieb sich die Schläfen. »Wie konnte ich bloß …? Vor allem nach dem, was in Quantico passiert ist …«

      »Ach komm, meine Liebe, das war doch bloß ein Fehler. Sei nicht zu hart mit dir. Du verrennst dich so in deine Fälle, dass du manchmal vergisst, wo du bist.«

      »Normalerweise nicht, aber Solomon hatte einen ganz dringenden Auftrag für mich. Und Louis besteht darauf, dass ich mich mindestens einmal im Monat zum Essen blicken lasse. Da dachte ich, ich könnte zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Offensichtlich war das keine gute Idee. Aber keine Angst: Ich nehme in Zukunft keine Akten mehr mit in die Öffentlichkeit.«

      Georgie nickte. »Gut. Nimm sie lieber mit nach Hause. Hier hast du den idealen Ort, wo du sie in aller Ruhe studieren kannst.«

      Georgie spielte auf Kaelys Arbeitszimmer im oberen Stock an. Dort waren an einer Wand ein großes Whiteboard und eine riesige Pinnwand aufgehängt, die sie benutzte, um Beweisstücke zu sortieren. Manchmal half ihr das, Verbindungen und Muster zu erkennen, aus denen ein stichhaltiges Profil entstehen konnte. Sie nannte diesen Raum ihre Einsatzzentrale. Hier setzte sie sich mit Leib und Seele im Kampf gegen das Böse ein. In einer Ecke hatte sie auch einen kleinen Tisch mit zwei Stühlen aufgestellt. Gewöhnlich führte Kaely hier ihre »Vernehmungen« durch. Dieser Raum war der einzige in ihrer Wohnung, der ihr wirklich etwas bedeutete. Wenn sie nicht schlief, verbrachte sie die meiste Zeit hier in ihrer Einsatzzentrale, arbeitete an Fällen, dachte nach, war einfach sie selbst.

      »Irgendwann muss ich mal anfangen, mich wie andere Ermittler zu benehmen. Niemand sonst kommt auf so seltsame Ideen.«

      »Na ja, du bist eben nicht wie jeder andere. Und deine Methode leuchtet absolut ein, wenn man bedenkt, wie du erzogen wurdest.«

      »Dir vielleicht, aber anderen nicht. Zumindest nicht in Quantico.«

      »Ach, vergiss doch Quantico! Du bist jetzt in St. Louis und dein Chef, dieser Special Agent Slattery, hält dich für genial. Gib einfach dein Bestes hier. Dann ist alles gut.«

      Kaely lächelte. »Ich weiß wirklich nicht, was ich ohne dich tun sollte, Georgie. Du schaffst es immer, mich wieder aufzubauen. Das weißt du doch, oder?«

      Georgie nickte. »Ja, dafür bin ich schließlich da.« Die Stirn in Falten gelegt, blickte sie Kaely einen Augenblick lang besorgt an. »Wie geht es dir denn wirklich? Ich meine, jetzt, wo Alex weg ist?«

      Kaely nahm noch einen Schluck Eistee und zuckte mit den Schultern. »Ich habe kein Problem damit. Es war seine Entscheidung.«

      Georgie lächelte. »Okay, also noch einmal von vorne. Und diesmal sagst du mir die Wahrheit.«

      Kaely blickte ihrer Freundin in die Augen. »Ich vermisse ihn«, gestand sie leise. »Aber ich musste ihn gehen lassen. Er wollte … mehr. Das konnte ich ihm nicht geben. Verstehst du das?«

      »Schon. Aber weißt du, irgendwann musst du jemanden in dein Leben lassen. Das ist gesund. Ich sehe, dass du versuchst, dich selbst zu schützen. Deine Arbeit hat oberste Priorität für dich. Aber Menschen brauchen Liebe, Kaely. Du bist jetzt vierunddreißig. Willst du einmal heiraten? Kinder haben?«

      »Ich weiß nicht. Eigentlich vermisse ich gar nichts.« Sie lächelte Georgie an. »Ich habe doch dich und Richard. Das reicht mir.«

      »Das reicht nicht, Kaely, und das weißt du ganz genau.«

      Kaely trank ihren Tee aus und stand auf. »Nein. Richard ist extra aus Des Moines hergezogen, damit ich nicht so alleine bin. Er ist für mich der Vater, den ich niemals hatte. Ich kann gar nicht sagen, wie viel mir das bedeutet.«

      »Na ja, der gruselige Reporter ist dir auch aus Des Moines hierher gefolgt. Das hat dir ganz bestimmt nicht geholfen.«

      »Aber Richard ist nicht Acosta. Das sollte dir doch klar sein.«

      Dr. Richard Barton war ein langjähriger Freund der Familie. Er und seine Frau Bella hatten Kaelys Eltern sehr nahegestanden. Sie waren damals am Boden zerstört gewesen, als Kaelys Vater sich als der »Lumpenmann« entpuppte. Vor allem, weil Richard Familientherapeut war. Er machte sich solche Vorwürfe, dass er Kaelys Vater nicht durchschaut hatte. Nach Bellas Tod folgte Richard Kaely nach Virginia, um sie zu unterstützen. Als sie dann nach St. Louis versetzt wurde, zog auch er noch einmal um. Er und Georgie waren die einzigen Menschen, denen Kaely vollkommen vertraute. Wann immer sie Mitgefühl, ein offenes Ohr oder ein ermutigendes Wort nötig hatte, war Richard für sie da. Sie wusste tatsächlich nicht, was sie ohne ihn tun sollte. Und Georgie konnte sie Dinge anvertrauen, die sie nicht einmal Richard sagen würde.

      »Ich mag Richard auch, aber er ist schon fast 60. Und auch nicht so richtig dein Typ.« Georgie lachte. »Du warst tatsächlich noch nie verliebt. Reizt es dich gar nicht, zu wissen, wie das ist?«

      »Nicht jede Frau braucht einen Mann, um sich als vollwertig zu empfinden, Georgie.« Kaely deutete zur Tür. »So sehr ich dich mag, aber bitte geh jetzt. Ich brauche ein bisschen Schlaf.«

      Sonst verabschiedete Georgie sich immer sofort, wenn Kaely bereit war, allein zu sein – aber heute rührte sie sich aus irgendeinem Grund nicht vom Fleck.

      »Was ist denn los?«, fragte Kaely.

      »Weißt du noch, als wir mal über … ein Gefühl geredet haben? Dieses Gefühl, dass was nicht stimmt? Als ob bald irgendetwas Schlimmes geschehen würde?«

      Kaely schmunzelte. »Du meinst, so eine dunkle Vorahnung wie im Star-Wars-Film, den wir neulich gesehen haben?«

      Georgie stand auf und sah Kaely in die Augen – todernst. »Irgendetwas braut sich zusammen, Kaely. Ich weiß zwar nicht, was, aber ich spüre es. Du nicht?«

      Kaely schwieg, als Georgie ging, aber sie musste zugeben, dass auch sie dieses Bauchgefühl schon seit Tagen mit sich herumschleppte. Ein eiskalter Schauer lief ihr über den Rücken. Sie löschte die Lichter. Während sie im Dunkeln dastand, versuchte sie, die vage Befürchtung drohender Gefahr abzuschütteln. Irgendetwas lauerte im Verborgenen und nahm sie ins Visier.

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      3

      Solomon hatte gerade seine zweite Tasse Kaffee ausgetrunken, als seine Assistentin mit einem seltsamen Gesichtsausdruck in sein Büro trat.

      »Stimmt etwas nicht, Grace?«, fragte er.

      »Tut mir leid, Solomon. Es ist schon wieder dieser Reporter vom St. Louis Journal

      Er spürte einen Anflug von Unmut in sich aufsteigen. »Ich habe Ihnen doch schon gesagt, dass ich ihn nicht sprechen will. Schicken Sie ihn zu unserer Pressesprecherin.«

      »Das habe ich ja versucht, aber er besteht darauf, mit Ihnen selbst zu sprechen. Angeblich steht Kaely Quinns Leben auf dem Spiel.«

      »Ach, bitte! Er hat ihr schon so viel Ärger gemacht. Jetzt fängt er wieder damit an. Sagen Sie ihm, er soll verschwinden und sich nicht mehr hier blicken lassen.«

      Jerry Acosta versuchte schon seit einem Jahr, einen Termin für ein Interview mit Kaely Quinn zu bekommen. Er war ein absoluter Plagegeist, der sogar die Frechheit besessen hatte, ihr von Virginia nach St. Louis zu folgen. Acosta war wild entschlossen, geradezu besessen