Seewölfe - Piraten der Weltmeere 672. Jan J. Moreno

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Название Seewölfe - Piraten der Weltmeere 672
Автор произведения Jan J. Moreno
Жанр Языкознание
Серия Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783966880862



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nicht herum und haltet Maulaffen feil!“ erklang die Piepsstimme des Ersten Offiziers.

      „Uns meint der nicht“, flüsterte Dan. „Wir schuften schon wie die Verrückten.“

      Das war schamlos übertrieben. Gemächlich zog Carberry die teils noch glimmenden Überreste der Kartusche aus dem Rohr und warf sie in die bereitstehende wassergefüllte Pütz, während sich Smoky alle Mühe gab, das Zündloch zu säubern. Roger Brighton belegte inzwischen die Rückholtaljen.

      „Alles?“ fragte Ferris Tucker. Er deutete auf die kokelnden Reste des Pulversäckchens.

      Carberry riskierte einen Blick ins Rohr.

      „Sieht so aus“, sagte er. „Die Seele ist schwarz wie die Nacht.“

      „Welche Seele meinst du?“

      Der Profos richtete sich halb auf und lehnte sich mit verschränkten Armen auf die wulstige Mündung. „Ich spreche von der Kanone. Nicht von dem Oberaffen und seinem Gefolge.“

      Mittlerweile war Lord Hyram Scaleby, der Erste, vom Achterdeck abgeentert. Die Daumen hinter den Waffengurt eingehakt, stand er neben den Arwenacks. Aber keiner der fünf Seewölfe beachtete ihn.

      Lord Scaleby war dick und verweichlicht, sein Gesicht aufgeschwemmt und blasiert. Daß dieses gewöhnliche Schiffsvolk die Unverfrorenheit besaß, seine Anwesenheit zu mißachten, trieb ihm die Zornesröte ins Gesicht. Er schnappte nach Luft.

      „Schiffsknechte haben sich nicht zu unterhalten!“ blaffte er. „Dafür werdet ihr euch verantworten.“

      Den Arwenacks war klar, daß sie mit dem Feuer spielten. Die Lords konnten jeden von ihnen kielholen lassen. Aber es war an der Zeit, die Fronten abzustecken. Keiner sollte glauben, daß sich freie Männer widerspruchslos requirieren ließen.

      Carberry zwinkerte Tucker zu. Er hatte gesehen, daß auf der Schebecke die Segel herumgeholt wurden. Der Seewolf wollte offenbar längsseits gehen.

      „Kipp den Dreck über Bord, Ferris!“ sagte der Profos.

      Schwungvoll hob der Schiffszimmermann die Pütz mit den durchnäßten Überresten der Kartusche – und erstarrte mitten in der Bewegung, denn um ein Haar hätte er dem Ersten Offizier den Eimer an den Kopf geschmettert. Leider konnte er nicht mehr vermeiden, daß die Flüssigkeit überschwappte.

      Kreischend sprang Lord Hyram Scaleby zur Seite. Dummerweise hatte Roger Brighton inzwischen sämtliches Tauwerk aufgeschossen. Scaleby blieb mit dem Fuß hängen und strauchelte. Er hielt sich mühsam an der Kanone fest. Seine Gesichtsfarbe wechselte vom Rot einer reifen Tomate zur Leichenblässe. Im nächsten Moment färbte sie sich wieder dunkel.

      „Whistler!“ schrie er mit sich überschlagender Stimme. „Whiiistler!“

      Ein stiernackiger, bulliger Kerl mit Plattnase, wulstigen Lippen und Blumenkohlohren hastete von der Back heran. Bennet Whistler war der Profos der „Respectable“. Im seinem Eifer wollte er dem Ersten aufhelfen, aber Lord Scaleby schlug mit der flachen Hand nach ihm.

      „Laß das, verdammt! Tätlicher Angriff auf einen Vorgesetzten …“

      Whistler schluckte schwer. „Sir, ich – äh –, Durchlaucht …“

      „Nicht du, du Affe.“ Der dickliche Hyram Scaleby bot einen recht belustigenden Anblick, als er schwerfällig versuchte, sich wieder aufzurappeln. „Das Pack da hat mich angegriffen. Häng die Kerle kopfunter an die Rah! Sie sollen baumeln, bis sie schwarz werden.“

      Bennet Whistler hatte eine Glatze. Die Haare waren ausgefallen, weil der riesige Hohlraum unter den Wurzeln für eine gewisse Lockerung gesorgt hatte. Sein Gehirn war mit dem einer Mücke vergleichbar. Das fand zumindest Edwin Carberry. Und der mußte es wissen, schließlich hatte er seinem Profos-Kollegen schon gehörig auf den Schädel geklopft.

      Whistlers Eifer erhielt also einen argen Dämpfer, als er Carberrys vielsagendes Grinsen bemerkte. Er war plötzlich gar nicht mehr so versessen darauf, die fünf Arwenacks an die Rahnock zu baumeln.

      „Stehen Sie nicht so dumm herum, Whistler!“ fauchte der Erste Offizier, jetzt in der weniger vertrauten Anrede. „Vollziehen Sie die Bestrafung!“

      Na los, Junge, auf was wartest du? Ungefähr das drückten Carberrys Blick und seine Haltung aus.

      Sichtlich um Ausgleich bemüht, wandte sich der Profos der „Respectable“ an Lord Hyram Scaleby.

      „Durchlaucht, diese Männer … Ich meine, dieses Pack wird sich nicht kampflos ergeben.“

      Hyram Scaleby, der großen Wert darauf legte, vom gemeinen Schiffsvolk mit Durchlaucht angeredet zu werden, war einem Erstickungsanfall nahe.

      „Kampflos?“ rief er schrill. „Wenn das Gesindel nur die Fäuste hebt, lasse ich jeden wegen Meuterei hinrichten!“

      Der Profos schien den Worten des Ersten Offiziers wenig Glauben zu schenken. Schließlich hatte er und nicht Scaleby die Fäuste des Narbengesichtigen zu spüren gekriegt.

      „Muß ich noch lange warten, Mister Whistler?“ fragte der Lord scharf.

      Carberry grinste unverhohlen. Noch hatten die Arwenacks nicht nur die Offiziere gegen sich, sondern auch die Seesoldaten. Die Hackordnung an Bord war eben so, daß die Neuen nicht viel mehr wert waren als stinkende Miesmuscheln.

      „Na los, Whistler, walte deines Amtes“, forderte Carberry den Profos auf. „Deine lasche Dienstauffassung schreit zum Himmel.“

      Nur das Wissen, daß er erneut den Kürzeren ziehen würde, ließ Bennet Whistler zögern. Andererseits richteten sich immer mehr Augen auf ihn. Wenn er an Bord nicht den Respekt verlieren wollte, mußte er handeln.

      Das Schicksal meinte es ausnahmsweise gut mit ihm und nahm ihm die Entscheidung ab.

      Die Schebecke der Seewölfe war inzwischen auf Rufweite heran. Bevor einer der ehrenwerten Lordschaften reagierte und die Segel herumholen ließ, glitt der schlanke Mittelmeerdreimaster noch näher. Philip Hasard Killigrew stand an der Achterdecksverschanzung.

      „Ich denke, wir haben Ihnen und Ihrer Crew das Leben gerettet, Kapitän Carnavon.“

      Der Kommandant der „Respectable“ versteifte sich.

      „Sir Thomas Carnavon, wenn ich bitten darf!“ rief er verärgert zurück. „Im übrigen hätten wir uns sehr gut allein gegen die Portugiesen zur Wehr setzen können.“

      „Sie werden sicher noch die Gelegenheit erhalten, das zu beweisen.“

      „Ist das die Meinung eines Piraten?“

      Hasard zuckte mit den Schultern. „Wenn Sie so wollen, Sir.“

      „Dann lassen Sie sich gesagt sein, daß meine Erfahrung als Kommandant eines Kriegsschiffes wertvoller sein dürfte als Ihr Seeräuberdenken. Die ‚Respectable‘ wird weiter auf Südkurs laufen. Ich hoffe, Sie haben verstanden, Pirat.“

      Hasard überhörte die Provokation geflissentlich.

      „Die Portugiesen werden Ihnen folgen, Sir Thomas. Das sollte Ihnen und Ihren Lordschaften klar sein. Gegen sieben Schiffe haben Sie keine Chance.“

      „Was wollen Sie mit Ihrem leeren Geschwätz erreichen? Der Wind steht günstig und hindert die Portugiesen am Auslaufen.“

      „Der Wind kann drehen oder abflauen.“

      „Bis dahin holt uns keiner von diesen Kähnen mehr ein.“

      Obwohl auf der Schebecke nur noch das Großsegel gesetzt war, schob sie sich langsam an dem englischen Dreimaster vorbei. Carnavon und seine Offiziere, die einen höheren Standort hatten, blickten spöttisch auf den Seewolf hinunter.

      „Glauben Sie wirklich alles, was Sie sagen?“ fragte Hasard. „Wenn Sie also keine weiteren Schwierigkeiten erwarten, entlassen Sie meine Männer aus Ihrem Dienst.“

      „Unsinn, Pirat!“ bellte