Название | Gesammelte Werke: Psychoanalytische Studien, Theoretische Schriften & Briefe |
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Автор произведения | Sigmund Freud |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788075836731 |
Worin die Traumarbeit besteht und wie sie mit ihrem Material, den Traumgedanken, umspringt, läßt sich in lehrreicher Weise an den 403 Zahlen und Rechnungen zeigen, die in Träumen vorkommen. Geträumte Zahlen gelten überdies dem Aberglauben als besonders verheißungsvoll. Ich werde also einige Beispiele solcher Art aus meiner Sammlung heraussuchen.
I
Aus dem Traum einer Dame, kurz vor Beendigung ihrer Kur: Sie will irgend etwas bezahlen; ihre Tochter nimmt ihr 3 fl. 65 kr. aus der Geldtasche; sie sagt aber: Was tust du? Es kostet ja nur 21 kr. Dieses Stückchen Traum war mir durch die Verhältnisse der Träumerin ohne weitere Aufklärung ihrerseits verständlich. Die Dame war eine Fremde, die ihre Tochter in einem Wiener Erziehungsinstitute untergebracht hatte und die meine Behandlung fortsetzen konnte, solange ihre Tochter in Wien blieb. In drei Wochen war deren Schuljahr zu Ende, und damit endete auch die Kur. Am Tage vor dem Traum hatte ihr die Institutsvorsteherin nahegelegt, ob sie sich nicht entschließen könnte, das Kind noch ein weiteres Jahr bei ihr zu lassen. Sie hatte dann offenbar bei sich diese Anregung dahin fortgesetzt, daß sie in diesem Falle auch die Behandlung um ein Jahr verlängern könnte. Darauf bezieht sich nun der Traum, denn ein Jahr ist gleich 365 Tagen, die drei Wochen bis zum Abschluß des Schuljahres und der Kur lassen sich ersetzen durch 21 Tage (wenngleich nicht ebenso viele Behandlungsstunden). Die Zahlen, die in den Traumgedanken bei Zeiten standen, werden im Traum Geldwerten beigesetzt, nicht ohne daß damit ein tieferer Sinn zum Ausdruck käme, denn »Time is money«, Zeit hat Geldwert. 365 Kreuzer sind dann allerdings 3 Gulden 65 Kreuzer. Die Kleinheit der im Traum erscheinenden Summen ist offenkundige Wunscherfüllung; der Wunsch hat die Kosten der Behandlung wie des Lehrjahres im Institut verkleinert.
II
Zu komplizierteren Beziehungen führen die Zahlen in einem anderen Traum. Eine junge, aber schon seit einer Reihe von Jahren verheiratete Dame erfährt, daß eine ihr fast gleichalterige Bekannte, Elise L., sich eben verlobt hat. Daraufhin träumt sie: Sie sitzt mit ihrem Manne im Theater, eine Seite des Parketts ist ganz unbesetzt. Ihr Mann erzählt ihr, Elise L. und ihr Bräutigam hätten auch gehen wollen, hätten aber404 nur schlechte Sitze bekommen, 3 für 1 fl. 50 kr., und die konnten sie ja nicht nehmen. Sie meint, es wäre auch kein Unglück gewesen.
Woher rühren die 1 fl. 50 kr.? Aus einem eigentlich indifferenten Anlaß des Vortages. Ihre Schwägerin hatte von ihrem Manne 150 fl. zum Geschenk bekommen und sich beeilt, sie loszuwerden, indem sie sich einen Schmuck dafür kaufte. Wir wollen anmerken, daß 150 fl. 100mal mehr ist als 1 fl. 50 kr. Woher die 3, die bei den Theatersitzen steht? Dafür ergibt sich nur die eine Anknüpfung, daß die Braut um ebensoviel Monate – drei – jünger ist als sie. Zur Auflösung des Traumes führt dann die Erkundigung, was der Zug im Traum, daß eine Seite des Parketts leer bleibt, bedeuten kann. Derselbe ist eine unveränderte Anspielung auf eine kleine Begebenheit, die ihrem Manne guten Grund zur Neckerei gegeben hat. Sie hatte sich vorgenommen, zu einer der angekündigten Theatervorstellungen der Woche zu gehen, und war so vorsorglich, mehrere Tage vorher Karten zu nehmen, für die sie Vorkaufsgebühr zu zahlen hatte. Als sie dann ins Theater kamen, fanden sie, daß die eine Seite des Hauses fast leer war; sie hätte es nicht nötig gehabt, sich so sehr zu beeilen.
Ich werde jetzt den Traum durch die Traumgedanken ersetzen: »Ein Unsinn war es doch, so früh zu heiraten, ich hätte es nicht nötig gehabt, mich so zu beeilen. An dem Beispiele der Elise L. sehe ich, daß ich noch immer einen Mann bekommen hätte. Und zwar einen hundertmal besseren (Mann, Schatz), wenn ich nur gewartet hätte (Gegensatz zu dem Beeilen der Schwägerin). Drei solche Männer hätte ich für das Geld (die Mitgift) kaufen können!« Wir werden darauf aufmerksam, daß in diesem Traum die Zahlen in weit höherem Grade Bedeutung und Zusammenhang verändert haben als im vorher behandelten. Die Umwandlungs-und Entstellungsarbeit des Traumes ist hier ausgiebiger gewesen, was wir so deuten, daß diese Traumgedanken bis zu ihrer Darstellung ein besonders hohes Maß von innerpsychischem Widerstand zu überwinden hatten. Wir wollen auch nicht übersehen, daß in diesem Traum ein absurdes Element enthalten ist, nämlich daß zwei Personen drei Sitze nehmen sollen. Wir greifen in die Deutung der Absurdität im Traume über, wenn wir anführen, daß dieses absurde Detail des Trauminhaltes den meistbetonten der Traumgedanken darstellen soll: Ein Unsinn war es, so früh zu heiraten. Die in einer ganz nebensächlichen Beziehung der beiden verglichenen Personen enthaltene 3 (3 Monate Unterschied im Alter) ist dann geschickt zur Produktion des für den Traum erforderlichen Unsinns verwendet worden. Die 405 Verkleinerung der realen 150 fl. auf 1 fl. 50 entspricht der Geringschätzung des Mannes (oder Schatzes) in den unterdrückten Gedanken der Träumerin.
III
Ein anderes Beispiel führt uns die Rechenkunst des Traumes vor, die ihm soviel Mißachtung eingetragen hat. Ein Mann träumt: Er sitzt bei B… (einer Familie seiner früheren Bekanntschaft) und sagt: Es war ein Unsinn, daß Sie mir die Mali nicht gegeben haben. Darauf fragt er das Mädchen: Wie alt sind Sie denn? Antwort: Ich bin 1882 geboren. – Ah, dann sind Sie 28 Jahre alt.
Da der Traum im Jahre 1898 vorfällt, so ist das offenbar schlecht gerechnet, und die Rechenschwäche des Träumers darf der des Paralytikers an die Seite gestellt werden, wenn sie sich etwa nicht anders aufklären läßt. Mein Patient gehörte zu jenen Personen, deren Gedanken kein Frauenzimmer, das sie sehen, in Ruhe lassen können. Seine Nachfolgerin in meinem Ordinationszimmer war einige Monate hindurch regelmäßig eine junge Dame, der er begegnete, nach der er sich häufig erkundigte und mit der er durchaus höflich sein wollte. Diese war es, deren Alter er auf 28 Jahre schätzte. Soviel zur Aufklärung des Resultats der scheinbaren Rechnung. 1882 war aber das Jahr, in dem er geheiratet hatte. Er hatte es nicht unterlassen können, auch mit den beiden anderen weiblichen Personen, die er bei mir traf, Gespräche anzuknüpfen, den beiden keineswegs jugendlichen Mädchen, die ihm abwechselnd die Tür zu öffnen pflegten, und als er die Mädchen wenig zutraulich fand, sich die Erklärung gegeben, sie hielten ihn wohl für einen älteren »gesetzten« Herrn.
IV
Einen anderen Zahlentraum, der durch durchsichtige Determinierung oder vielmehr Überdeterminierung ausgezeichnet ist, verdanke ich mitsamt seiner Deutung Herrn B. Dattner: »Mein Hausherr, Sicherheitswachmann in Magistratsdiensten, träumt, er stünde auf der Straße Posten, was eine Wunscherfüllung ist. Da406 kommt ein Inspektor auf ihn zu, der auf dem Ringkragen die Nummer 22 und 62 oder 26 trägt. Jedenfalls aber seien mehrere Zweier daraufgewesen.
Schon die Zerteilung der Zahl 2262 bei der Wiedergabe des Traumes läßt darauf schließen, daß die Bestandteile eine gesonderte Bedeutung haben. Sie hätten gestern im Amt über die Dauer ihrer Dienstzeit gesprochen, fällt ihm ein. Ursache gab ein Inspektor, der mit 62 Jahren in Pension gegangen sei. Der Träumer hat erst 22 Dienstjahre und braucht noch 2 Jahre 2 Monate, um eine 90%ige Pension zu erreichen. Der Traum spiegelt ihm nun zuerst die Erfüllung eines langgehegten Wunsches, den Inspektorsrang, vor. Der Vorgesetzte mit der 2262 auf dem Kragen ist er selbst, er versieht seinen Dienst auf der Straße, auch ein Lieblingswunsch, hat seine 2 Jahre und 2 Monate abgedient und kann nun wie der 62jährige Inspektor mit voller Pension aus dem Amte scheiden.«
Wenn wir diese und ähnliche (später folgende) Beispiele zusammenhalten, dürfen wir sagen: Die Traumarbeit rechnet überhaupt nicht, weder richtig noch falsch; sie fügt nur Zahlen, die in den Traumgedanken vorkommen und als Anspielungen auf ein nicht darstellbares Material dienen können, in der Form einer Rechnung zusammen. Sie behandelt dabei die Zahlen in genau der nämlichen Weise als Material zum Ausdruck ihrer Absichten wie alle anderen Vorstellungen, wie auch die Namen und die als Wortvorstellungen kenntlichen Reden.