Название | Gesammelte Werke: Psychoanalytische Studien, Theoretische Schriften & Briefe |
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Автор произведения | Sigmund Freud |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788075836731 |
In groben wie in solchen feineren Redestörungen, die sich eben noch dem »Versprechen« subsumieren lassen, finde ich also nicht den Einfluss von Kontaktwirkungen der Laute, sondern den von Gedanken ausserhalb der Redeintention massgebend für die Entstehung des Versprechens und hinreichend zur Aufhellung des zustande gekommenen Sprechfehlers. Die Gesetze, nach denen die Laute verändernd auf einander einwirken, möchte ich nicht anzweifeln; sie scheinen mir aber nicht wirksam genug, um für sich allein die korrekte Ausführung der Rede zu stören. In den Fällen, die ich genauer studiert und durchschaut habe, stellen sie bloss den vorgebildeten Mechanismus dar, dessen sich ein ferner gelegenes psychisches Motiv bequemerweise bedient, ohne sich aber an den Machtbereich dieser Beziehungen zu binden. In einer grossen Reihe von Substitutionen wird beim Versprechen von solchen Lautgesetzen völlig abgesehen. Ich befinde mich hierbei in voller Übereinstimmung mit Wundt, der gleichfalls die Bedingungen des Versprechens als zusammengesetzte und weit über die Kontaktwirkungen der Laute hinausgehende vermutet.
Wenn ich diese »entfernteren psychischen Einflüsse« nach Wundts Ausdruck für gesichert halte, so weiss ich andererseits von keiner Abhaltung, um auch zuzugeben, dass bei beschleunigter Rede und einigermassen abgelenkter Aufmerksamkeit die Bedingungen fürs Versprechen sich leicht auf das von Meringer und Mayer bestimmte Mass einschränken können. Bei einem Teil der von diesen Autoren gesammelten Beispiele ist wohl eine kompliziertere Auflösung wahrscheinlicher. Ich greife etwa den vorhin angeführten Fall heraus:
Es war mir auf der Schwest…
Brust so schwer.
Geht es hier wohl so einfach zu, dass das schwe das gleichwertige Bru als Vorklang verdrängt? Es ist kaum abzuweisen, dass die Laute schwe ausserdem durch eine besondere Relation zu dieser Vordringlichkeit befähigt werden. Diese könnte dann keine andere sein als die Assoziation: Schwester – Bruder, etwa noch: Brust der Schwester, die zu anderen Gedankenkreisen hinüberleitet. Dieser hinter der Szene unsichtbare Helfer verleiht dem sonst harmlosen schwe die Macht, deren Erfolg sich als Sprechfehler äussert.
Für anderes Versprechen lässt sich annehmen, dass der Anklang an obszöne Worte und Bedeutungen das eigentlich Störende ist. Die absichtliche Entstellung und Verzerrung der Worte und Redensarten, die bei unartigen Menschen so beliebt ist, bezweckt nichts anderes, als beim harmlosen Anlass an das Verpönte zu mahnen, und diese Spielerei ist so häufig, dass es nicht wunderbar wäre, wenn sie sich auch unabsichtlich und wider Willen durchsetzen sollte. Beispiele wie: Eischeissweibchen für Eiweissscheibchen, Apopos Fritz für Apropos, Lo kuskapitäl für Lotuskapitäl etc. vielleicht noch die Alab üsterb achse (Alabasterbüchse) der hl. Magdalena gehören wohl in diese Kategorie. – ›Ich fordere Sie auf, auf das Wohl unseres Chefs aufzustossen‹, ist kaum etwas anderes als eine unbeabsichtigte Parodie als Nachklang einer beabsichtigten. Wenn ich der Chef wäre, zu dessen Feierlichkeit der Festredner diesen Lapsus beigetragen hätte, würde ich wohl daran denken, wie klug die Römer gehandelt haben, als sie den Soldaten des triumphierenden Imperators gestatteten, den inneren Einspruch gegen den Gefeierten in Spottliedern laut zu äussern. – Meringer erzählt von sich selbst, dass er zu einer Person, die als die älteste der Gesellschaft mit dem vertraulichen Ehrennamen »Senexl« oder »altes Senexl« angesprochen wurde, einmal gesagt habe: ›Prost Senex altesl!‹ Er erschrak selbst über diesen Fehler ( p. 50). Wir können uns vielleicht seinen Affekt deuten, wenn wir daran mahnen, wie nahe »Altesl« an den Schimpf »alter Esel« kommt. Auf die Verletzung der Ehrfurcht vor dem Alter (d. i., auf die Kindheit reduziert, vor dem Vater) sind grosse innere Strafen gesetzt.
Ich hoffe, die Leser werden den Wertunterschied dieser Deutungen, die sich durch nichts beweisen lassen, und der Beispiele, die ich selbst gesammelt und durch Analysen erläutert habe, nicht vernachlässigen. Wenn ich aber im stillen immer noch an der Erwartung festhalte, auch die scheinbar einfachen Fälle von Versprechen würden sich auf Störung durch eine halb unterdrückte Idee ausserhalb des intendierten Zusammenhanges zurückführen lassen, so verlockt mich dazu eine sehr beachtenswerte Bemerkung von Meringer. Dieser Autor sagt, es ist merkwürdig, dass niemand sich versprochen haben will. Es gibt sehr gescheute und ehrliche Menschen, welche beleidigt sind, wenn man ihnen sagt, sie hätten sich versprochen. Ich getraue mich nicht, diese Behauptung so allgemein zu nehmen, wie sie durch das »niemand« von Meringer hingestellt wird. Die Spur Affekt aber, die am Nachweis des Versprechens hängt und offenbar von der Natur des Schämens ist, hat ihre Bedeutung. Sie ist gleichzusetzen dem Ärger, wenn wir einen vergessenen Namen nicht erinnern, und der Verwunderung über die Haltbarkeit einer scheinbar belanglosen Erinnerung, und weist allemale auf die Beteiligung eines Motivs am Zustandekommen der Störung hin.
Das Verdrehen von Namen entspricht einer Schmähung, wenn es absichtlich geschieht, und dürfte in einer ganzen Reihe von Fällen, wo es als unabsichtliches Versprechen auftritt, dieselbe Bedeutung haben. Jene Person, die nach Mayers Bericht einmal » Freuder« sagte anstatt Freud, weil sie kurz darauf den Namen » Breuer« vorbrachte ( p. 38), ein andermal von einer Freuer-Breudschen Methode ( p. 28) sprach, war wohl ein Fachgenosse und von dieser Methode nicht sonderlich entzückt. Einen gewiss nicht anders aufzuklärenden Fall von Namensentstellung werde ich weiter unten beim Verschreiben mitteilen. In diesen Fällen mengt sich als störendes Moment eine Kritik ein, welche bei Seite gelassen werden soll, weil sie gerade in dem Zeitpunkte der Intention des Redners nicht entspricht. In anderen und weit bedeutsameren Fällen ist es Selbstkritik, innerer Widerspruch gegen die eigene Äusserung, was zum Versprechen, ja zum Ersatz des Intendierten durch seinen Gegensatz nötigt. Man merkt dann mit Erstaunen, wie der Wortlaut einer Beteuerung die Absicht derselben aufhebt, und wie der Sprechfehler die innere Unaufrichtigkeit blossgelegt hat. Das Versprechen wird hier zu einem mimischen Ausdrucksmittel.
Man gelangt von hier aus zu jenen Redestörungen, die nicht mehr als Versprechen beschrieben werden, weil sie nicht das einzelne Wort, sondern Rhythmus und Ausführung der ganzen Rede beeinträchtigen, wie z. B. das Stammeln und Stottern der Verlegenheit. Aber hier wie dort ist es der innere Konflikt, der uns durch die Störung der Rede verraten wird. Ich glaube wirklich nicht, dass jemand sich versprechen würde in der Audienz bei Seiner Majestät, in einer ernstgemeinten Liebeswerbung, in einer Verteidigungsrede um Ehre und Namen vor den Geschworenen, kurz in all den Fällen, in denen man ganz dabei ist, wie wir so bezeichnend sagen. Selbst bis in die Schätzung des Stils, den ein Autor schreibt, dürfen wir und sind wir gewöhnt, das Erklärungsprinzip zu tragen, welches wir bei der Ableitung des einzelnen Sprechfehlers nicht entbehren können. Eine klare und unzweideutige Schreibweise belehrt uns, dass der Autor hier mit sich einig ist, und wo wir gezwungenen und gewundenen Ausdruck finden, der, wie so richtig gesagt wird, nach mehr als einem Scheine schielt, da können wir den Anteil eines nicht genugsam erledigten, komplizierenden Gedankens erkennen, oder die erstickte Stimme der Selbstkritik des Autors heraushören.
V.
Verlesen und Verschreiben.
Dass für die Fehler im Lesen und Schreiben die nämlichen Gesichtspunkte und Bemerkungen Geltung haben, wie für die Sprechfehler, ist bei der inneren Verwandtschaft dieser Funktionen nicht zu verwundern. Ich werde mich hier darauf beschränken, einige sorgfältig analysierte Beispiele mitzuteilen, und keinen Versuch unternehmen, das Ganze der Erscheinungen zu umfassen.
A. Verlesen.
1 Ich durchblättere im Caféhaus eine Nummer der »Leipziger Illustrierten«, die ich schräg vor mir halte, und lese als Unterschrift eines sich über eine Seite erstreckenden Bildes: Eine Hochzeitsfeier in der Odyssee. Aufmerksam geworden und verwundert rücke ich mir das Blatt zurecht und korrigiere jetzt: Eine Hochzeitsfeier an der Ostsee. Wie komme ich zu diesem unsinnigen Lesefehler? Meine Gedanken lenken sich sofort auf ein Buch von Ruths»Experimentaluntersuchungen über Musikphantome etc.«, das mich in der letzten Zeit viel beschäftigt hat, weil es nahe an die von mir behandelten psychologischen