Название | Gesammelte Werke: Psychoanalytische Studien, Theoretische Schriften & Briefe |
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Автор произведения | Sigmund Freud |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788075836731 |
Wir könnten hier eine Antwort nicht geben, wenn wir nicht ein Stück weit in die Psychologie der Neurosen, speziell der Hysterie, eingedrungen wären. Aus dieser aber erfahren wir, daß die nämlichen inkorrekten psychischen Vorgänge – und noch andere nicht aufgezählte – die Herstellung der hysterischen Symptome beherrschen. Auch bei der Hysterie finden wir zunächst eine Reihe von völlig korrekten, unseren bewußten ganz gleichwertigen Gedanken, von deren Existenz in dieser Form wir aber nichts erfahren können, die wir erst nachträglich rekonstruieren. Wenn sie irgendwo zu unserer Wahrnehmung durchgedrungen sind, so ersehen wir aus der Analyse des gebildeten Symptoms, daß diese normalen Gedanken eine abnorme Behandlung erlitten haben und mittels Verdichtung, Kompromißbildung, über oberflächliche Assoziationen, unter Deckung der Widersprüche, eventuell auf dem Wege der Regression in das Symptom übergeführt wurden. Bei der vollen Identität zwischen den Eigentümlichkeiten der Traumarbeit und der psychischen Tätigkeit, welche in die psychoneurotischen Symptome ausläuft, werden wir uns für berechtigt halten, die Schlüsse, zu denen uns die Hysterie nötigt, auf den Traum zu übertragen.
Aus der Lehre von der Hysterie entnehmen wir den Satz, daß solche568 abnorme psychische Bearbeitung eines normalen Gedankenzugs nur dann vorkommt, wenn dieser zur Übertragung eines unbewußten Wunsches geworden ist, der aus dem Infantilen stammt und sich in der Verdrängung befindet. Diesem Satz zuliebe haben wir die Theorie des Traums auf die Annahme gebaut, daß der treibende Traumwunsch allemale aus dem Unbewußten stammt, was, wie wir selbst zugestanden, sich nicht allgemein nachweisen, wenn auch nicht zurückweisen läßt. Um aber sagen zu können, was die »Verdrängung« ist, mit deren Namen wir schon so oft gespielt haben, müssen wir ein Stück an unserm psychologischen Gerüste weiterbauen.
Wir hatten uns in die Fiktion eines primitiven psychischen Apparats vertieft, dessen Arbeit durch das Bestreben geregelt wird, Anhäufung von Erregung zu vermeiden und sich möglichst erregungslos zu erhalten. Er war darum nach dem Schema eines Reflexapparats gebaut; die Motilität, zunächst der Weg zur inneren Veränderung des Körpers, war die ihm zu Gebote stehende Abfuhrbahn. Wir erörterten dann die psychischen Folgen eines Befriedigungserlebnisses und hätten dabei schon die zweite Annahme einfügen können, daß Anhäufung der Erregung – nach gewissen uns nicht bekümmernden Modalitäten – als Unlust empfunden wird und den Apparat in Tätigkeit versetzt, um das Befriedigungsergebnis, bei dem die Verringerung der Erregung als Lust verspürt wird, wieder herbeizuführen. Eine solche, von der Unlust ausgehende, auf die Lust zielende Strömung im Apparat heißen wir einen Wunsch; wir haben gesagt, nichts anderes als ein Wunsch sei imstande, den Apparat in Bewegung zu bringen, und der Ablauf der Erregung in ihm werde automatisch durch die Wahrnehmungen von Lust und Unlust geregelt. Das erste Wünschen dürfte ein halluzinatorisches Besetzen der Befriedigungserinnerung gewesen sein. Diese Halluzination erwies sich aber, wenn sie nicht bis zur Erschöpfung festgehalten werden sollte, als untüchtig, das Aufhören des Bedürfnisses, also die mit der Befriedigung verbundene Lust, herbeizuführen.
Es wurde so eine zweite Tätigkeit – in unserer Ausdrucksweise die Tätigkeit eines zweiten Systems – notwendig, welche nicht gestattete, daß die Erinnerungsbesetzung zur Wahrnehmung vordringe und von dort aus die psychischen Kräfte binde, sondern die vom Bedürfnisreiz ausgehende Erregung auf einen Umweg leite, der endlich über die willkürliche Motilität die Außenwelt so verändert, daß die reale Wahrnehmung des Befriedigungsobjekts eintreten kann. So weit haben wir das 569 Schema des psychischen Apparats bereits verfolgt; die beiden Systeme sind der Keim zu dem, was wir als Ubw und Vbw in den voll ausgebildeten Apparat einsetzen.
Um die Außenwelt zweckmäßig durch die Motilität verändern zu können, bedarf es der Anhäufung einer großen Summe von Erfahrungen in den Erinnerungssystemen und einer mannigfachen Fixierung der Beziehungen, die durch verschiedene Zielvorstellungen in diesem Erinnerungsmaterial hervorgerufen werden. Wir gehen nun in unseren Annahmen weiter. Die vielfach tastende, Besetzungen aussendende und wieder einziehende Tätigkeit des zweiten Systems bedarf einerseits der freien Verfügung über alles Erinnerungsmaterial; anderseits wäre es überflüssiger Aufwand, wenn sie große Besetzungsquantitäten auf die einzelnen Denkwege schickte, die dann unzweckmäßig abströmen und die für die Veränderung der Außenwelt notwendige Quantität verringern würden. Der Zweckmäßigkeit zuliebe postuliere ich also, daß es dem zweiten System gelingt, die Energiebesetzungen zum größeren Anteil in Ruhe zu erhalten und nur einen kleineren Teil zur Verschiebung zu verwenden. Die Mechanik dieser Vorgänge ist mir ganz unbekannt; wer mit diesen Vorstellungen Ernst machen wollte, müßte die physikalischen Analogien heraussuchen und sich einen Weg zur Veranschaulichung des Bewegungsvorgangs bei der Neuronerregung bahnen. Ich halte nur an der Vorstellung fest, daß die Tätigkeit des ersten ø-Systems auf freies Abströmen der Erregungsquantitäten gerichtet ist und daß das zweite System durch die von ihm ausgehenden Besetzungen eine Hemmung dieses Abströmens, eine Verwandlung in ruhende Besetzung, wohl unter Niveauerhöhung, herbeiführt. Ich nehme also an, daß der Ablauf der Erregung unter der Herrschaft des zweiten Systems an ganz andere mechanische Verhältnisse geknüpft wird als unter der Herrschaft des ersten. Hat das zweite System seine probende Denkarbeit beendigt, so hebt es auch die Hemmung und Stauung der Erregungen auf und läßt dieselben zur Motilität abfließen.
Es ergibt sich nun eine interessante Gedankenfolge, wenn man die Beziehungen dieser Abflußhemmung durch das zweite System zur Regulierung durch das Unlustprinzip ins Auge faßt. Suchen wir uns das Gegenstück zum primären Befriedigungserlebnis auf, das äußere Schreckerlebnis. Es wirke ein Wahrnehmungsreiz auf den primitiven Apparat ein, der die Quelle einer Schmerzerregung ist. Es werden dann so lange 570 ungeordnete motorische Äußerungen erfolgen, bis eine derselben den Apparat der Wahrnehmung und gleichzeitig dem Schmerz entzieht, und diese wird bei Wiederauftreten der Wahrnehmung sofort wiederholt werden (etwa als Fluchtbewegung), bis die Wahrnehmung wieder verschwunden ist. Es wird aber hier keine Neigung übrigbleiben, die Wahrnehmung der Schmerzquelle halluzinatorisch oder anderswie wiederzubesetzen. Vielmehr wird im primären Apparat die Neigung bestehen, dies peinliche Erinnerungsbild sofort, wenn es irgendwie geweckt wird, wieder zu verlassen, weil ja das Überfließen seiner Erregung auf die Wahrnehmung Unlust hervorrufen würde (genauer: hervorzurufen beginnt). Die Abwendung von der Erinnerung, die nur eine Wiederholung der einstigen Flucht vor der Wahrnehmung ist, wird auch dadurch erleichtert, daß die Erinnerung nicht wie die Wahrnehmung genug Qualität besitzt, um das Bewußtsein zu erregen und hiedurch neue Besetzung an sich zu ziehen. Diese mühelos und regelmäßig erfolgende Abwendung des psychischen Vorgangs von der Erinnerung des einst Peinlichen gibt uns das Vorbild und das erste Beispiel der psychischen Verdrängung. Es ist allgemein bekannt, wieviel von dieser Abwendung vom Peinlichen, von der Taktik des Vogels Strauß, noch im normalen Seelenleben des Erwachsenen nachweisbar geblieben ist.
Zufolge des Unlustprinzips ist das erste ø-System also überhaupt unfähig, etwas Unangenehmes in den Denkzusammenhang zu ziehen. Das System kann nichts anderes als wünschen. Bliebe es so, so wäre die Denkarbeit des zweiten Systems gehindert, welches die Verfügung über alle in der Erfahrung niedergelegten Erinnerungen braucht. Es eröffnen sich nun zwei Wege; entweder macht sich die Arbeit des zweiten Systems vom Unlustprinzip völlig frei, setzt ihren Weg fort, ohne sich um die Erinnerungsunlust zu kümmern; oder sie versteht es, die Unlusterinnerung in solcher Weise zu besetzen, daß die Unlustentbindung dabei vermieden wird. Wir können die erste Möglichkeit zurückweisen, denn das Unlustprinzip zeigt sich auch als Regulator für den Erregungsablauf des zweiten Systems; somit werden wir auf die zweite gewiesen, daß dies System eine Erinnerung so besetzt, daß der Abfluß von ihr gehemmt wird, also auch der einer motorischen Innervation vergleichbare Abfluß zur Entwicklung der Unlust. Zur Hypothese, daß die Besetzung durch das zweite System gleichzeitig eine Hemmung für den Abfluß der Erregung darstellt, werden wir also von zwei Ausgangspunkten her geleitet, von der Rücksicht auf das Unlustprinzip und von dem Prinzip des kleinsten 571 Innervationsaufwands. Halten wir aber daran fest – es ist der Schlüssel zur Verdrängungslehre –, daß das zweite System nur dann eine Vorstellung besetzen kann, wenn es imstande ist, die von ihr ausgehende Unlustentwicklung zu hemmen. Was sich etwa dieser Hemmung entzöge, bliebe auch für das zweite System unzugänglich, würde dem Unlustprinzip zufolge alsbald verlassen werden. Die Hemmung der Unlust braucht indes keine vollständige