Название | Gesammelte Werke: Psychoanalytische Studien, Theoretische Schriften & Briefe |
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Автор произведения | Sigmund Freud |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788075836731 |
Die aus dem bewußten Wachleben erübrigten Wunschregungen lasse ich also für die Traumbildung in den Hintergrund treten. Ich will ihnen keine andere Rolle zugestehen als etwa dem Material an aktuellen Sensationen während des Schlafes für den Trauminhalt. Ich bleibe auf der Linie, die mir dieser Gedankengang vorschreibt, wenn ich jetzt die anderen psychischen Anregungen in Betracht ziehe, die vom Tagesleben übrigbleiben und die nicht Wünsche sind. Es kann uns gelingen, den Energiebesetzungen unseres wachen Denkens ein vorläufiges Ende zu machen, wenn wir beschließen, den Schlaf aufzusuchen. Wer das gut kann, der ist ein guter Schläfer; der erste Napoleon soll ein Muster dieser Gattung gewesen sein. Aber es gelingt uns nicht immer und nicht immer vollständig. Unerledigte Probleme, quälende Sorgen, 529 eine Übermacht von Eindrücken setzen die Denktätigkeit auch während des Schlafes fort und unterhalten seelische Vorgänge in dem System, das wir als das Vorbewußte bezeichnet haben. Wenn uns um eine Einteilung dieser in den Schlaf sich fortsetzenden Denkregungen zu tun ist, so können wir folgende Gruppen derselben aufstellen: 1. Das während des Tages durch zufällige Abhaltung nicht zu Ende Gebrachte, 2. das durch Erlahmen unserer Denkkraft Unerledigte, das Ungelöste, 3. das bei Tag Zurückgewiesene und Unterdrückte. Dazu gesellt sich als eine mächtige 4. Gruppe, was durch die Arbeit des Vorbewußten tagsüber in unserem Ubw regegemacht worden ist, und endlich können wir als 5. Gruppe anfügen: die indifferenten und darum unerledigt gebliebenen Eindrücke des Tages.
Die psychischen Intensitäten, welche durch diese Reste des Tageslebens in den Schlafzustand eingeführt werden, zumal aus der Gruppe des Ungelösten, braucht man nicht zu unterschätzen. Sicherlich ringen diese Erregungen auch zur Nachtzeit nach Ausdruck, und ebenso sicher dürfen wir annehmen, daß der Schlafzustand die gewohnte Fortführung des Erregungsvorganges im Vorbewußten und deren Abschluß durch das Bewußtwerden unmöglich macht. Insofern wir unserer Denkvorgänge auf dem normalen Wege bewußtwerden können, auch zur Nachtzeit, insoferne schlafen wir eben nicht. Was für Veränderung der Schlafzustand im System Vbw hervorruft, weiß ich nicht anzugeben; aber es ist unzweifelhaft, daß die psychologische Charakteristik des Schlafes wesentlich in den Besetzungsveränderungen gerade dieses Systems zu suchen ist, das auch den Zugang zu der im Schlaf gelähmten Motilität beherrscht. Im Gegensatze dazu wüßte ich von keinem Anlaß aus der Psychologie des Traums, der uns annehmen hieße, daß der Schlaf anders als sekundär in den Verhältnissen des Systems Ubw etwas verändere. Der nächtlichen Erregung im Vbw bleibt also kein anderer Weg als der, den die Wunscherregungen aus dem Ubw nehmen; sie muß die Verstärkung aus dem Ubw suchen und die Umwege der unbewußten Erregungen mitmachen. Wie stellen sich aber die vorbewußten Tagesreste zum Traume? Es ist kein Zweifel, daß sie reichlich in den Traum eindringen, daß sie den Trauminhalt benützen, um sich auch zur Nachtzeit dem Bewußtsein aufzudrängen; ja sie dominieren gelegentlich den Trauminhalt, nötigen ihn, die Tagesarbeit fortzusetzen; es ist auch sicher, daß 530 die Tagesreste jeden anderen Charakter ebensowohl haben können wie den der Wünsche; aber es ist dabei höchst lehrreich und für die Lehre von der Wunscherfüllung geradezu entscheidend zu sehen, welcher Bedingung sie sich fügen müssen, um in den Traum Aufnahme zu finden.
Greifen wir eines der früheren Traumbeispiele heraus, z. B. den Traum, der mir Freund Otto mit den Zeichen der Basedowschen Krankheit erscheinen läßt (S. 273 ff.). Ich hatte am Tage eine Besorgnis gebildet, zu der mir das Aussehen Ottos Anlaß gab, und die Sorge ging mir nahe, wie alles, was diese Person betrifft. Sie folgte mir auch, darf ich annehmen, in den Schlaf. Wahrscheinlich wollte ich ergründen, was ihm fehlen könnte. Zur Nachtzeit fand diese Sorge Ausdruck in dem Traume, den ich mitgeteilt habe, dessen Inhalt erstens unsinnig war und zweitens keiner Wunscherfüllung entsprach. Ich begann aber nachzuforschen, woher der unangemessene Ausdruck der bei Tag verspürten Besorgnis rühre, und durch die Analyse fand ich einen Zusammenhang, indem ich ihn mit einem Baron L., mich selbst aber mit Professor R. identifizierte. Warum ich gerade diesen Ersatz des Tagesgedanken hatte wählen müssen, dafür gab es nur eine Erklärung. Zu der Identifizierung mit Professor R. mußte ich im Ubw immer bereit sein, da durch sie einer der unsterblichen Kinderwünsche, der Wunsch der Größensucht, sich erfüllte. Häßliche, der Verwerfung bei Tag sichere Gedanken gegen meinen Freund hatten die Gelegenheit benützt, sich zur Darstellung mit einzuschleichen, aber auch die Sorge des Tages war zu einer Art von Ausdruck durch einen Ersatz im Trauminhalt gekommen. Der Tagesgedanke, der an sich kein Wunsch, sondern im Gegenteil eine Besorgnis war, mußte sich auf irgendeinem Wege die Anknüpfung an einen infantilen, nun unbewußten und unterdrückten Wunsch verschaffen, der ihn dann, wenn auch gehörig zugerichtet, für das Bewußtsein »entstehen« ließ. Je dominierender diese Sorge war, desto gewaltsamer durfte die herzustellende Verbindung sein; zwischen dem Inhalt des Wunsches und dem der Besorgnis brauchte ein Zusammenhang gar nicht zu bestehen und bestand auch keiner in unserem Beispiele.
Vielleicht ist es zweckmäßig, dieselbe Frage auch in der Form einer Untersuchung zu behandeln, wie sich der Traum benimmt, wenn ihm in den Traumgedanken ein Material geboten wird, das einer Wunscherfüllung durchwegs widerspricht, also begründete Sorgen, schmerzliche 531 Erwägungen, peinliche Einsichten. Die Mannigfaltigkeit der möglichen Erfolge läßt sich dann folgenderart gliedern: a) Es gelingt der Traumarbeit, alle peinlichen Vorstellungen durch gegenteilige zu ersetzen und die dazugehörigen unlustigen Affekte zu unterdrücken. Das ergibt dann einen reinen Befriedigungstraum, eine greifbare »Wunscherfüllung«, an der weiter nichts zu erörtern scheint, b) Die peinlichen Vorstellungen gelangen, mehr oder weniger abgeändert, aber doch gut kenntlich, in den manifesten Trauminhalt. Dies ist der Fall, der die Zweifel an der Wunschtheorie des Traumes weckt und weiterer Untersuchung bedarf. Solche Träume peinlichen Inhalts können entweder indifferent empfunden werden oder auch den ganzen peinlichen Affekt mitbringen, der durch ihren Vorstellungsinhalt gerechtfertigt scheint, oder selbst unter Angstentwicklung zum Erwachen führen.
Die Analyse weist dann nach, daß auch diese Unlustträume Wunscherfüllungen sind. Ein unbewußter und verdrängter Wunsch, dessen Erfüllung vom Ich des Träumers nicht anders als peinlich empfunden werden könnte, hat sich der Gelegenheit bedient, die ihm durch das Besetztbleiben der peinlichen Tagesreste geboten wird, hat ihnen seine Unterstützung geliehen und sie durch diese traumfähig gemacht. Aber während im Falle a der unbewußte Wunsch mit dem bewußten zusammenfiel, wird im Falle b der Zwiespalt zwischen dem Unbewußten und dem Bewußten – dem Verdrängten und dem Ich – bloßgelegt, und die Situation des Märchens von den drei Wünschen, welche die Fee dem Ehepaar freigibt, verwirklicht (s. unten S. 552 Anm. 229.). Die Befriedigung über die Erfüllung des verdrängten Wunsches kann so groß ausfallen, daß sie den an den Tagesresten hängenden peinlichen Affekten das Gleichgewicht hält; der Traum ist dann in seinem Gefühlston indifferent, obwohl er einerseits die Erfüllung eines Wunsches, anderseits die einer Befürchtung ist. Oder es kann geschehen, daß das schlafende Ich einen noch ausgiebigeren Anteil an der Traumbildung nimmt, daß es auf die zustande gekommene Befriedigung des verdrängten Wunsches mit einer heftigen Empörung reagiert und selbst dem Traume unter Angst ein Ende macht. Es ist also nicht schwer zu erkennen, daß die Unlust-und die Angstträume im Sinne der Theorie ebensosehr Wunscherfüllungen sind wie die glatten Befriedigungsträume.
Unlustträume können auch »Strafträume« sein. Es ist zuzugeben, daß man durch ihre Anerkennung zur Theorie des Traums in gewissem Sinne etwas Neues hinzufügt. Was durch sie erfüllt wird, 532 ist gleichfalls ein unbewußter Wunsch, der nach einer Bestrafung des Träumers für eine verdrängte