Die Zeit der Völkerwanderung: 14 Historische Romane. Felix Dahn

Читать онлайн.
Название Die Zeit der Völkerwanderung: 14 Historische Romane
Автор произведения Felix Dahn
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788027222049



Скачать книгу

– das gehört Adalgoth. Und ist sein allerbestes Erbe. Die andre Hälfte des Ringes – und des Spruches darauf – hab’ ich dem Knaben mitgegeben, da ich ihn fortgesandt. Und hat der König das Geschreibsel gelesen, und ist Adalgoth in der Nähe, – wie er sein muß, wenn er meine Gebote befolgt – dann rufe, Adalgoth herbei, und füget Halbring an Halbring und heischet des Königs Spruch.

      Er soll klug und klar und mild und alldurchschauend sein, wie der Sonnenschein. Er wird den rechten Spruch finden. Findet er ihn nicht, dann findet ihn keiner. Nun lege mir noch einen Kuß auf jedes meiner sehemüden Augen. Und nun gehe bald zum Frühschlaf. Und der Himmelsfürst und alle seine lichten Augen, Sonne, Mond und Sterne, mögen schauen auf deinen Weg.

      Und hast du Adalgoth gefunden, und lebst du mit ihm in den kleinen Gemächern der dumpfen Häuser, in den engen Städtestraßen, und wird es euch dort unten zu klein und zu dumpf und zu eng, – dann denkt an eure Kindertage hier auf dem hohen Iffing. Und es wird euch anwehn wie frische Bergluft.»

      Schweigend, ohne Widerrede, ohne Furcht, ohne Frage hörte und gehorchte das Hirtenkind. «Fahr wohl, Großvater!» sagte sie, ihn auf die Augen küssend. «Dank für viel Lieb’ und Treue.»

      Aber sie weinte nicht. Sie wußte nicht, was Sterben ist.

      Und sie trat von ihm weg auf die Schwelle des Sennhauses: und sie blickte hinaus in die nun tiefernst gewordne Berglandschaft. Klar war der Himmel, die Gipfel der Berge ringsum glänzten im Mondlicht. «Lebt wohl», sprach sie, «du Iffinger und du, Wolfshaupt! Und du, alter Riesenkopf! Und du da drunten, hell aufschimmernde Passara! Wißt ihr’s schon? Morgen gehe ich von euch allen. Aber ich gehe gern. Denn ich gehe zu ihm!»

      Fünftes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Und nach vielen Wochen kamen Cassiodor und Julius zurück von Byzanz und brachten – keinen Frieden.

      Cassiodor ging sogleich nach der Landung zu Brundisium, welt-und wegemüde, in sein apulisch Kloster, Julius allein die Berichterstattung an den König in Rom überlassend. Totila empfing ihn auf dem Kapitol, im Beisein der ersten Heerführer.

      «Anfangs», erzählte dieser, «waren die Aussichten günstig genug. Der Kaiser, der früher gotische Gesandte von Witichis gar nicht vor sein Angesicht gelassen, konnte dem größten Gelehrten des Abendlandes, konnte Cassiodors Weisheit, Frömmigkeit und Milde seinen Palast nicht verschließen. Wir wurden ehrenvoll und freundlich empfangen. Gewichtige Stimmen, so Tribonianus und Prokopius, sprachen für den Frieden im Rate des Imperators, der selbst dazu geneigt schien.

      Seine beiden großen Feldherrn, Narses und Belisar, beschäftigten zugleich an verschiedenen Punkten der stets bedrohten Ostgrenze des Reichs die Kämpfe mit Persern und mit Sarazenen. Die Unternehmungen in Italien und Dalmatien aber hatten so große Opfer gekostet, und so lange Zeit gewährt, daß dem Kaiser der Gotenkrieg verleidet war.

      Zwar gab er den Gedanken der Wiedergewinnung Italiens wohl schwerlich ganz auf. Aber er erkannte die Unmöglichkeit der Durchführung für die nächste Zukunft. Er ging daher gern auf die Friedensverhandlungen ein und nahm unsere Vorschläge zur Erwägung entgegen: ihm schwebte zunächst freilich noch, wie er uns sagte, eine vorläufige Teilung der Halbinsel bis an den Padus vor: das weitaus größte Stück des Landes im Süden dieses Flusses sollte dem Kaiser, das Gebiet im Norden den Goten zufallen.

      Mit guten Aussichten hatten wir eines Mittags den Kaiser und den Palast verlassen. Die Audienz war günstiger ausgefallen als alle früheren. Aber am Abend des gleichen Tages wurden wir überrascht durch den Curopalata Marcellus, der uns von den Palastsklaven die üblichen Abschiedsgeschenke überreichen ließ: – das unverkennbare Zeichen des Abbruchs der Verhandlungen.

      Bestürzt über diese plötzliche Wendung», fuhr Julius in seinem Bericht fort, «beschloß Cassiodor gleichwohl, um des Friedenswerkes willen, das Äußerste zu wagen: nämlich, nach Überreichung der Abschiedsgeschenke, nochmal Gehör bei dem Kaiser zu suchen. Der hochangesehene Tribonianus, von jeher ein Gegner dieses Kriegs und Cassiodors verehrungsvoller Freund, ließ sich bewegen, für uns um diese unerhörte Gnade nachzusuchen.

      Die Antwort war die höchst ungnädige Drohung der Verbannung, wenn er noch einmal gegen den klar angedeuteten kaiserlichen Willen etwas erbitten werde. Nie, niemals werde der Kaiser mit den Barbaren Frieden schließen, bis sie nicht jede Scholle des Reiches verlassen. Nie werde er die Goten in Italien anders denn als Feinde betrachten.

      Vergebens bemühten wir uns», schloß Julius seine Erzählung, «eine Ursache des plötzlichen Umschwungs zu entdecken. Nur das erfuhren wir, daß nach unserer Mittags-Audienz die Kaiserin, die jetzt vielfach leidend sein soll, ihren Gemahl zur Tafel in ihre Gemächer geladen. Aber es steht fest, daß die Kaiserin, früher bekanntlich die eifrigste Schürerin des Krieges, seit geraumer Zeit nicht mehr für den Kampf, sondern für den Frieden sprach.»

      «Und was», fragte der König, der ernst, aber eher drohend als besorgt, der Erzählung zugehört hatte – «was verschafft mir die Ehre einer solchen Umstimmung der Zirkusdirne?»

      «Man flüstert, für ihr Seelenheil immer mehr besorgt, will sie alle Geldmittel nicht mehr auf den Krieg verwendet wissen, dessen Ausgang sie kaum noch zu erleben hofft, sondern auf Kirchenbauten, zumal auf Vollendung der Sophienkirche – mit deren Grundriß auf der Brust will sie begraben sein.»

      «Wohl als mit ihrem Schild gegen den Zorn des Herrn bei der Auferstehung der Toten! Die Dirne will den lieben Gott mit den hundert Kirchen entwaffnen und mit den bezahlten Kostenrechnungen bestechen. Welchen Wahnsinn brütet dieser Glaube aus», sprach finster für sich Teja.

      «Und so fanden wir keinerlei Spur. Denn keine Spur darf ich es nennen, was nur wie ein Schatten, obendrein vielleicht eines Irrtums Schatten, an mir vorüberhuschte.»

      «Was war das?» forschte Teja aufmerksam.

      «Als ich spät abends den Palast verließ, Tribonians ungünstigen Bescheid bei mir erwägend, ward eine vergoldete Sänfte der Kaiserin von deren kappadokischen Sklaven rasch von dem Viereck der Gärten her – das ist Theodoras Palast – an mir vorübergetragen. Der vergitterte Laden ward etwas in die Höhe geschoben von dem Getragenen – ich sah hin, und es war mir, als erkenne ich… –»

      «Nun?» fragte Teja.

      «Meinen unsel’gen väterlichen Freund, den verschollnen Cethegus», schloß Julius traurig.

      «Schwerlich», meinte der König. «Er ist gefallen. Es war wohl Täuschung, daß Teja in seinem Hause noch seine Stimme zu vernehmen glaubte.»

      «Ich diese Stimme mißkennen! Und sein Schwert, das Adalgoth an der Straßenecke fand?»

      «Kann früher, kann bei dem Forteilen des Mannes nach dem Tiber aus seinem Hause verloren sein. Deutlich sah ich ihn dort auf seinem Schiff die Verteidigung leiten. Der Speerwurf gegen meinen Hals war mit des Hasses bester Kunst und Kraft geführt. Ich traf ihn, ich sah’s, mit dem zurückgeschleuderten Speer. Auch sagte mir Gundhamund, der treffliche Schütz, er sei gewiß, ihn getroffen zu haben am Halse. Man fand am Fluß seinen purpurgesäumten Mantel, von vielen Pfeilen durchlöchert und von Blut ganz überströmt.»

      «Er ist wohl dort gestorben», sprach Julius tiefernst.

      «Seid ihr so gute Christen», fragte Teja, «und wißt nicht, daß der Teufel unsterblich ist?»

      «Mag sein», sprach der König, «aber auch das Licht!» Und mit drohenden Brauen fuhr er fort: «Auf, mein tapfrer Teja, jetzt gibt es neue Arbeit für dein Schwert. Hört, Herzog Guntharis, Wisand, Grippa, Markja, Aligern, Thorismut, Adalgoth: bald hab’ ich vollauf zu schaffen für euch alle. Ihr habt’s vernommen: Kaiser Justinian verweigert uns den Frieden und Italiens ruhigen Besitz. Offenbar darum, weil er uns für zu friedlich hält. Er meint, es könne ihm nie schaden, uns zu Feinden zu haben. Schlimmstenfalls säßen wir ruhig, seine Angriffe abwartend, in Italien. Und Byzanz könne jederzeit den Augenblick wählen, uns anzugreifen, sooft den