Название | Die Zeit der Völkerwanderung: 14 Historische Romane |
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Автор произведения | Felix Dahn |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788027222049 |
«Wer denkt an die Nacht bei heller Mittagssonne!» rief Adalgoth.
«Die Ahnungsvollen», sagte Teja. «Seht, wie rasch die Sonne verschwand und ihr warmes, freudiges Goldlicht. Eine Purpurdecke, wie ein rotes, blutiges Leichentuch, deckt schon das Tal von Taginä. Und die veilchenblauen Schatten sind schon kaltes Schwarz geworden und fallen plötzlich herein! So rasch! Und rascher noch, als in diesem Land die Nacht, bricht ein, in allen Ländern, das Schicksal und der Tod.»
Viertes Kapitel
An dem gleichen Abend, da Adalgoth im Gefolge des Königs die Sonne sinken sah über das mittelitalische Land auf der Spes bonorum, stand auch in schimmervollem Sonnenuntergang auf dem Südabhang des Iffingerberges auf ihren Stab gelehnt Gotho, die Hirtin. –
Um sie her hüpften und weideten die Schafe und drängten sich allmählich müde zusammen um die Hüterin, der Heimkehr nach dem Sennhaus gewärtig und begierig.
Aber sie harrten und blökten umsonst.
Denn das schöne Kind beugte sich von moosigem Stein an dem Rand des silberklaren Gebirgsquells emsig vor: in ihrer Lederschürze lagen gehäuft die schönen, würzig duftenden Blumen der Berghalde: der Thymian, die Wegrose, die Minze, die am feuchten Saume des Rinnsals sprießt, und der tiefblaue Enzian. Und sie sann und sprach mit sich selbst und mit ihren Blumen und den hurtig enteilenden Wellen. Und sie warf die Blumen in den rinnenden Quell: bald einzeln, bald kleine Sträuße und halbfertige Kränze. – –
«Wie viele», sagte das Kind vor sich hin in die Wellen und warf die langen, gelben Zöpfe über die Schultern, «wie viele von euch hab’ ich schon ausgesendet, ihn zu grüßen! Denn nach Süden ist er gezogen, und nach Süden hinab rinnen diese schnellen Wasser. Aber ich weiß nicht, ob ihr’s bestellt: – denn er ist immer noch nicht heimgekommen. Ihr aber, wie ihr euch hebt und senkt im Tanz der Wellen, ihr winket mir, euch zu folgen. Ja, wer euch folgen könnte! Oder den Fischlein, die da hinabschießen wie dunkle Pfeile! Oder den flinken Bergschwalben, die durch die Luft schwirren, frei wie die Gedanken! Oder den rotbeschwingten Abendwolken, wenn sie der Bergwind rasch gen Süden trägt!
Aber am sichersten fände ihn freilich das Herz der Sucherin selber, dürft’ ich, die Halde verlassend, ihm folgen ins ferne, ins sonnige Land. – –
Jedoch was sollte ich da unten? Die Hirtin unter den Männern des Krieges, unter den klugen Frauen des Hofs! Und ich seh’ ihn ja doch wieder! So sicher ich die Sonne doch wiedersehe, ob sie verschwand hinter jenen Bergen. Man weiß, man sieht sie wieder. Und dennoch: – Sehnsucht füllt die Zeit von ihrem Scheidestrahl bis zu ihrem Wiedergruß.»
Da tönte vom Sennhaus her ein weit vernehmlicher, rauher Schall: ein Stoß in das gewundne Widderhorn.
Gotho sah auf: es war dunkler geworden, sie sah schon durch die offne Tür das rote Herdfeuer glühn. Die Schafe erwiderten das wohlbekannte Zeichen mit lauterem Blöken, die Köpfe gegen das Sennhaus und die Ställe reckend. Der braune, zottige Hund sprang bellend, mahnend an ihr hinauf.
«Ich gehe schon», lächelte sie, die Mahner beschwichtigend. «Ach, eher werden die Schafe der Weide satt, als die Schäferin ihrer Gedanken. Nun vorwärts, Weiß-Elbchen! Jetzt bist du schon stattlich!»
Und sie schritt den Hang hinab, der Talmulde zwischen den beiden Berghäuptern zu, in der das Haus und die Ställe Schutz fanden vor Wind und Lawinen. Hier blendete nicht mehr der Glanz der Sonne. Schon wurden die Sterne sichtbar. Sie sah innig zu ihnen hinauf. «Sie sind so schön, weil er so oft sie anblickt.»
Da schoß ein Stern und fiel rasch gegen Süden.
«Er ruft mich! Dorthin», sprach Gotho zusammenbebend. «Wie gern würd’ ich ihm folgen!»
Und rascher trieb sie die Schafe an, versorgte sie in dem Stalle und schritt in das große, einzige Gemach des Erdgeschosses im Wohnhaus.
Da fand sie den Großvater Iffa ausgestreckt auf dem Steinsims nahe an dem Herdfeuer, die Füße zugedeckt mit zwei großen Bärenfellen. Er sah bleicher und älter als sonst aus.
«Setze dich hier neben mich, Gotho», sagte er, «und trink, hier ist Milch mit Honig gemischt, und höre mir zu. Die Zeit ist nun gekommen, von der ich dir lange gesagt. Wir müssen scheiden. Ich fahre heim. Vor meinen müden, alten Augen flimmert kaum noch trüb dein liebes Angesicht. Und als ich gestern noch selbst zum Quell hinuntersteigen wollte, Wasser zu schöpfen, brachen mir die Knie. – Da spürte ich: es ist nahe.
Und ich schickte den Gaisbuben hinüber nach Teriolis mit Botschaft. Du aber sollst nicht zugegen sein, wann die Seele aus des alten Iffa Munde fährt. Es ist nicht schön, das Menschensterben – ich meine den Strohtod. Und du hast noch nichts Trauriges gesehn. Der Schatten soll nicht fallen auf dein junges Leben.
Morgen vor Hahnenkraht kommt der tapfre Hunibad herüber von Teriolis, dich abzuholen er hat mir’s zugesagt. Zwar noch nicht sind seine Wunden ausgeheilt: – er ist noch schwach – aber er sagt, es läßt ihn nicht mehr in Muße liegen, da, wie es heißt, der Kampf bald wieder losgeht mit den Feinden.
Er will zu König Totila nach Rom. Und dahin mußt auch du mit wichtiger Botschaft. Und er soll dein Wegschirmer und Wegführer sein.
Binde feste Sohlen aus Buchenrinde unter deine Füße: denn weit ist dein Weg. Und Brun, der Hund, mag euch beide begleiten. Und nimm die Tasche dort aus starkem Ziegenleder, darin sind sechs Goldstücke noch von Adalgoths – von eurem Vater. Sie sind Adalgoths, – aber du darfst schon davon gebrauchen – sie werden reichen bis Rom.
Und nimm dir ein Bündel duftigen Bergheus vom Iffinger-Hang mit und lege nachts den Kopf darauf, so wirst du besser schlafen.
Und hast du nun Rom gefunden und das goldene Haus des Königs darin, und trittst du ein in seinen Saal, so siehe, welcher der Männer einen goldnen Reif um die Stirne trägt und von wessen Brauen es milde niederglänzt wie Morgenlicht von den Berghöhen: – der ist dann König Totila.
Und dann beuge das Haupt vor ihm, – aber nur ein wenig, und nicht die Knie: denn du bist eines freien Goten freies Kind. Und dann übergibst du dem König diese Rolle, die ich hier seit vielen Sommern getreulich verwahrt: – sie ist von Oheim Wargs, den der Berg begraben hat.»
Und der Alte hob einen Ziegel aus dem steinernen Unterbau, der den Herdsockel mit dem hart gestampften Erdboden verband, und holte aus dem dunkeln Raum eine Papyrusrolle hervor, die, sorgfältig verschnürt und versiegelt, in ein gleichfalls beschriebenes und mit seltsamen Siegeln darüber gefestigtes Pergament geschlagen war.
«Hier», sagte er, «dies Geschreibsel wahre gut. Dies Äußere, was da auf der Eselhaut steht, das hab’ ich dem langen Hermegisel drüben in Majä, der schreiben kann, vorgesprochen, zu schreiben. Er hat mir geschworen, davon zu schweigen, und er hat’s gehalten. Nun kann er gar nicht mehr reden unter dem Kirchengang hervor, wo sie ihn begraben.
Du aber und Hunibad – ihr könnt nicht lesen. Und das ist gut. Denn gefährlich könnt’ es werden für dich und – einen andern, wenn früher, bevor der milde und gerechte König Totila davon erfährt, die Leute erführen, was die Rolle da weiß. Zumal vor den Welschen birg die Rolle. Und frage in jeder Stadt, wo du einziehst, ob sie berge Cornelius Cethegus Cäsarius, den Präfekten von Rom.
Und sagen die Torwächter ja, – dann wende dich auf dem Absatz und, wie müde du bist und so spät schon die Nachtstunde oder so glühheiß der Mittag, – wandre davon, bis du drei Wasser zwischen dir hast und dem Mann Cethegus.
Und nicht minder als dies Geschreibsel – du siehst, ich drückte statt des Siegels Baumharz darauf, wie es aus den Tannen träuft, und unsre Hausmarke ritzt’ ich drein, wie sie unser Vieh und unsre Fahrnis trägt – nicht minder wahre dies alte, teure Gold.»
Und er langte aus dem Hohlraum die Hälfte eines breiten Goldreifs,