Название | Die Zeit der Völkerwanderung: 14 Historische Romane |
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Автор произведения | Felix Dahn |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788027222049 |
«Die Klage dieses gottlosen Mannes», hob Silverius an, «bringt nur ein Recht der heiligen Kirche noch früher ans Licht, als sie es in dieser unruhigen Zeit geltend machen wollte. Es ist wahr, ich habe diesen Vertrag mit dem Barbarenkönig geschlossen.»
Eine Bewegung der Entrüstung ging durch die Reihen der Byzantiner.
«Nicht aus weltlicher Herrschsucht, nicht, um neues Recht zu erwerben, habe ich mit dem König der Goten, als dem damaligen Besitzer der Stadt, verhandelt. Nein! die Heiligen sind mir Zeugen! Nur weil es meine Pflicht, ein uraltes Recht des heiligen Petrus nicht fallen zu lassen.»
«Ein uraltes Recht?» fragte Belisar unwillig.
«Ein uraltes Recht!» wiederholte Silverius, «das geltend zu machen die Kirche nur bisher unterlassen hat. Ihre Feinde nötigen sie, in diesem Augenblick damit hervorzutreten. Wisse denn, du Vertreter des Kaisers, höret es, ihr Kriegsobersten und Schwertgewaltigen, was sich die Kirche von Theodahad hat einräumen lassen, ist schon seit zwei Jahrhunderten ihr Eigentum: der Gote hat es nur bestätigt.
An demselben Ort, wo des Präfekten tempelschänderische Hand diese Bestätigung entwendet, hätte er auch die Urkunde finden können, die ursprünglich unser Recht begründet hat. Der fromme Kaiser Constantinus, der sich zuerst von den Vorgängern Justinians der Lehre des Heils zugewandt, hat auf Bitten seiner gottseligen Mutter Helena, nachdem er alle seine Feinde mit sichtbarer Hilfe der Heiligen, besonders des heiligen Petrus, unter seine Füße getreten, zur dankbaren Anerkenntnis solchen Beistandes und um vor aller Welt zu bezeugen, daß Krone und Schwert sich vor dem Kreuz der Kirche zu beugen haben, die Stadt Rom mit ihrem Weichbild und die benachbarten Städte und Marken durch eine feierliche Schenkungsurkunde für ewige Zeiten dem heiligen Petrus zu eigen übertragen, mit Gericht und Verwaltung, Steuer und Zoll und allen Kronrechten irdischer Herrschaft, auf daß die Kirche auch einen weltlichen Boden habe zur leichteren Vollführung ihrer weltlichen Aufgaben. Diese Schenkung ist durch eine rechtsgültige Urkunde in aller Form verbrieft: der Fluch von Gehenna ist jedem gedroht, der sie anstreitet. Und ich frage im Namen des dreieinigen Gottes den Kaiser Justinian, ob er diese Rechtshandlung seines Vorgängers, des in Gott seligen Kaisers Constantinus, anerkennen oder ob er sie, aus weltlicher Habgier, umstoßen und damit den Fluch der Gehenna und die ewige Verdammnis auf sein Haupt laden will?»
Diese Rede des Bischofs von Rom, mit aller Kraft geistlicher Würde und aller Kunst weltlicher Rhetorik vorgetragen, war von unwiderstehlicher Wirkung. Belisar, Prokop und die Feldherren, die eben noch über den verräterischen Priester ein zorniges Gericht hatten halten wollen, fühlten sich jetzt durch den plötzlich ihnen entgegengehaltenen Rechtstitel selbst wie verurteilt.
Der Kern Italiens schien unwiderbringlich dem Kaiser verloren und der Herrschaft der Kirche anheimgegeben. Ein banges Schweigen lagerte über den jüngst noch so herrischen Byzantinern, und triumphierend stand der Priester als Sieger in ihrer Mitte. Endlich sprach Belisar, der die Aufgabe der Bekämpfung oder die Schmach der Niederlage von sich abwälzen wollte: «Präfekt von Rom, was hast du zu erwidern?»
Mit einem kaum bemerkbaren Zucken des Spottes um die feinen Lippen verneigte sich Cethegus und begann: «Der Angeklagte beruft sich auf eine Urkunde.
Ich könnte, glaub’ ich, ihn in große Verlegenheit versetzen, wenn ich ihr Vorhandensein bestritte, und die sofortige Vorlage der Urschrift von ihm verlange. Indessen will ich dem Manne, der sich das Haupt der Christenheit nennt, nicht wie ein gehässiger Anwalt begegnen. Ich räum ein, die Urkunde existiert.»
Belisar macht eine Bewegung hilflosen Verdrusses.
«Mehr noch! Ich habe dem Heiligen Vater die Mühe der Vorlage derselben, die ihm sonst sehr schwer fallen dürfte, erspart, und die Urkunde selbst mitgebracht in meiner tempelschänderischen Hand.» Er zog ein vergilbtes Pergament aus dem Sinus und sah lächelnd bald in dessen Zeilen, bald auf des Papstes, bald auf Belisars Gesicht, an deren Spannung sich weidend.
«Ja, noch mehr. Ich habe die Urkunde viele Tage lang mit feindselig forschenden Augen, mit Zuziehung noch schärferer Juristen, als ich es leider bin, – so meines jungen Freundes Salvius Julianus, – bis auf jeden Buchstaben nach ihrer formellen Gültigkeit geprüft. Vergebens. – Selbst der Scharfsinn meines verehrten und gelehrten Freundes Scävola könnte keinen Mangel herausinterpretieren. Alle Formen des Rechts, alle Klauseln höchster unanfechtbarer Sicherheit sind in der Schenkungsakte haarscharf gewahrt; und in der Tat: ich hätte den Protonotarius des Kaisers Constantin kennen mögen, er muß ein Jurist ersten Ranges gewesen sein.» Er hielt inne: – höhnisch ruhte sein Auge auf dem Antlitz des Silverius, der sich den Schweiß von den Schläfen wischte.
«Also», fragte Belisar in höchster Aufregung: «die Urkunde ist formell ganz richtig – daher beweiskräftig?»
«Jawohl!« seufzte Cethegus, »die Schenkung ist ganz makelloser Ordnung. Schade nur, daß… –»
«Nun?» unterbrach Belisar.
«Schade nur, daß sie falsch ist.»
Da flog ein Schrei von aller Lippen. Belisar, Antonina sprangen auf, alle Anwesenden traten einen Schritt näher zu dem Präfekten. Nur Silverius wankte einen Schritt zurück.
«Falsch?» fragte Belisar mit einem Ruf, der wie ein Jubel klang. «Präfekt, – Freund, – kannst du das beweisen?»
«Sonst hätte ich mich gehütet, es zu behaupten. Das Pergament, auf das die Schenkung geschrieben ist, zeigt alle Spuren eines hohen Alters: Brüche, Wurmstiche, Flecken jeder Art, alles, was man von Ehrwürdigkeit verlangen kann, – so daß es manchmal sogar schwierig ist, die Buchstaben zu erkennen. Gleichwohl stellt sich die Urkunde nur so alt: mit so großem Aufwand von Kunst, als manche Frauen sich den Schein der Jugend geben, lügt sie die Heiligkeit des Alters. Es ist echtes Pergament aus der alten, von Constantin begründeten, noch heute bestehenden kaiserlichen Pergamentfabrik zu Byzanz.»
«Zur Sache», rief Belisar.
«Aber es ist wohl nicht jedem bekannt, – und es scheint auch leider dem heiligen Bischof entgangen zu sein! – daß bei diesem Pergament ganz unten – links, am Rande – durch Stempelschlag das Jahr der Fertigung durch Angabe der Jahreskonsuln in allerdings kaum wahrnehmbaren Buchstaben bezeichnet wird. Nun gib wohl acht, o Feldherr!
Die Urkunde will, wie sie im Text sagt, gefertigt sein im sechzehnten Jahre von Constantins Regierung, im gleichen Jahre, da er die Heidentempel schließen ließ, wie das fromme Pergament besagt, ein Jahr nach der Erhebung von Constantinopolis zur Hauptstadt, und nennt richtig die richtigen Konsuln dieses Jahres, Dalmatius und Xenophilos.
Da ist es nun wirklich durch ein Wunder zu erklären, – aber hier hat Gott der Herr ein Wunder gegen seine Kirche getan! – daß man jenem Jahre, also im Jahre dreihundertfünfunddreißig nach der Geburt des Herrn, schon ganz genau wußte, wer im Jahr nach dem Tode des Kaisers Justinus und des Königs Theoderich Konsul sein würde; denn seht, hier unten am Rande der Stempel besagt: der Schreiber hatte ihn nicht beachtet – er ist wirklich sehr schwer wahrzunehmen, wenn man das Pergament nicht gegen das Licht hält – so etwa, siehst du, Belisar? und er hatte blindlings drei Kreuze darauf gemalt; ich aber habe diese Kreuze mit meiner – wie hieß es doch? – ‹tempelschänderischen›, aber geschickten Hand weggewischt und siehe, da steht eingestempelt: ‹VI Indiktion: Justianinus Augustus, allein Konsul im ersten Jahre seiner Herrschaft.›»
Silverius wankte und hielt sich an dem Stuhl, den man für ihn bereit gestellt.
«Das Pergament der Urkunde, auf welches der Protonotar des Kaisers Constantin vor zweihundert Jahren die Schenkung niederschrieb, ist also erst vor einem Jahr zu Byzanz einem Esel von den Rippen gezogen worden. Gesteh, o Feldherr, daß hier das Gebiet des Begreiflichen endet, und des Übernatürlichen beginnt, daß hier ein Wunder der Heiligen geschah, und verehre das Walten des Himmels.» Er reichte Belisar die Urkunde.
«Das ist auch ein tüchtig Stück Weltgeschichte, heilige und profane, was wir da erleben!» sagte Prokop zu sich selbst.
«Es ist so, beim Schlummer Justinians!» frohlockte Belisar. «Bischof von Rom, was hast