Die Vollendung des Königs Henri Quatre. Heinrich Mann

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Название Die Vollendung des Königs Henri Quatre
Автор произведения Heinrich Mann
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9788726482881



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und sinnt, wie er meinen Ruhm vernichtet. Das ist sein Auftrag von Don Philipp. ,Ich muß mich hüten.‘ Umsonst versuchte er die Dunkelheit zu durchdringen. ,Kein Licht bei Farnese, aber er schläft nie. Ich glaube, daß er im Dunkeln sieht und mich erkennt. Er soll ein Kranker sein, schon alt, und wer weiß, vielleicht ist er ein Schatten und Dämon eher als ein Lebendiger.‘ In einer feuchten Nacht ohne Mond erschauert man leicht, besonders wenn die Gedanken in Richtung des Unbekannten schwanken. Henri fuhr scharf herum, etwas hatte seine Schulter berührt. Er sah, schneller als der Augenblick, in ein Gesicht. Es hat sich überraschen lassen, und da es fort ist, verspürt die dunkle unbewegte Luft es noch, sie riecht nach Sumpf und Moder.

      Laut lachend verließ Henri den Platz. Der Widerhall seines Gelächters versuchte wohl, ihn zu verhöhnen, er aber erinnerte sich rechtzeitig, daß der berühmte Stratege mit den Holländern nicht fertig geworden war, wie man nachgerade erfuhr. Hatte beträchtliches Unglück gehabt in Holland. Andererseits hielt er selbst von seinem Feldzug in Frankreich nichts: er war nur hier auf Befehl seines Herrn Don Philipp. Kann man auch ein Feldherr auf Befehl sein und ein Sieger für andere? Dieser ist doch selbst ein regierender Fürst, vergißt aber sein Herzogtum über den Dienst des Königs von Spanien — dem seine eigenen Beine zu nichts dienen, denn er sitzt nur. Sitzt allein, schickt Aufträge, die er geträumt hat, zur Eroberung fremder Königreiche an diesen anderen Kranken, der in der Fremde ist. Was wird daraus?

      Gleich am Morgen nach dieser Nacht der Fragen begann Parma sie zu beantworten, denn er stellte sein Heer zur Schlacht auf. Eigentlich war es nur das Heer der Liga, er ließ die Hüte und die Feldzeichen vertauschen. Septembertag, der Kampf wurde heiß, die Franzosen des Königs meinten, sie stießen endlich auf die sagenhaften Spanier, vor ihnen zittert die Welt, und nur wir nicht! Im Nahkampf erwies sich erst, daß alle, hier und drüben, französisch sprachen. Einmal im Zuge, hieb man um so leidenschaftlicher auf eingebildete Spanier ein, mochten sie sogar altbekannte Gesichter tragen. Farnese inzwischen zog unbemerkt sein Zentrum aus der Schlacht. Nicht einmal dem dicken Mayenne, der sich vorn umherschlug, hatte er etwas anvertraut. Hinter dem Hügel, gedeckt durch die unbeachtete Erhebung, die ihm von Anfang an wichtiger gewesen war als Sumpf und Schanzen, ließ er seine Truppen auf einer Schiffsbrücke über die Marne gehen — still und heimlich, in eiserner Zucht. Überdies verbot der hohe Mut der Schlacht, daß die Kämpfenden etwas bemerkten. Von den beiden, Mayenne und Henri, ging diesem noch früher ein Licht auf. Schon war Lagny von drüben her genommen oder doch fast, und da diesseits des Flusses auch Mayenne, endlich aufgeklärt, mit Kanonen nach dem Ort schoß wichen die Königlichen und hatten verloren.

      Paris bekam daher Lebensmittel auf dem Wasser zugefahren, während der König hier und dort Handstreiche versuchte, vergeblich wollte er die Wälle seiner Hauptstadt erklettern. Farnese äußerte über ihn: „Ich erwartete einen König zu finden. Das ist ja ein Husar.“ Noch lächerlicher hatte er den Herzog von Mayenne aus dem großen Haus Guise gemacht, als er ihn so tapfer und unwissend kämpfen ließ zum bloßen Schein, indessen er selbst durch einen Kunstgriff die Schlacht zunichte machte. Trotz Zorn mußte Mayenne froh sein, daß Farnese ihm drei Regimenter da ließ. Ihr Kunststück vollbracht, begab diese Berühmtheit sich auf ihren Rückmarsch nach Flandern. Der König schloß Paris alsbald wieder ein: das war dem Strategen einerlei.

      Von dem König dachte er gewiß: ,Eine überschätzte Mittelmäßigkeit. Braucht nur richtiggestellt zu werden. Jetzt ist das höchstens noch für Mayenne ein Gegner. Vale et me ama.‘

      Wir wollen leben

      Henri war danach zwei volle Tage wahrhaftig der Geschlagene. Verhängnisvoller als in frühen Abschnitten des Lebens ist das jetzt, nach langen geduldigen Kämpfen, mehreren glänzenden Siegen und bei schon begonnenem Aufsehen der Welt. Die Einnahme der Hauptstadt auf lange verschoben, aber gerade ihretwegen die Provinzen von Truppen entblößt. Geld hat man ohnedies nicht, die zwei Tage wird kein Brot gebacken, und sogar die Hemden des Königs reißen aus. Dazu eine persönliche Umgebung — reden wir nicht davon! Totus mundus exercet histrionem, Komödianten sind wir alle, und wem es schiefgeht, der findet auch gleich, woher bläst es sie nur herbei, die rechten Freunde, lauter Ausschuß. Ein vertriebener deutscher Erzbischof, im Übermut war er Protestant geworden: an wen erinnert das? Auch wir haben im Sinn, unsere Religion zu verraten. Der Gauner d’O ist anrüchig, aber reich, er soll uns einladen und unsere Kuppler bezahlen.

      Seit am Abend der Schlacht bei Ivry der Schatzmeister ein gewisses Wort gesprochen hatte — schlecht das Wort, unwürdig und unvergeßlich: Henri hat es nicht vergessen, und seinem Urheber ist er ausgewichen. Er hat nicht einmal darauf geachtet, ihn zu vermeiden; das tritt von selbst ein, wenn unser Inneres, sich zur Wehr setzt, nicht nur gegen einen Fremden, eigentlich gegen uns selbst. Was ist ein Wort. Schlimm ist nur, es wiederzuerkennen, als hätte ich’s schon gekannt und nur verschwiegen.

      Jetzt wird der Schatzmeister in Gnaden wieder aufgenommen. Wer Geld ausgibt, ist unser Freund, sollte er, wie ein gewisser Gascogner Hauptmann, unser Landsmann, übrigens keine Nase mehr haben durch Unglück in der Liebe. Der König verkehrt mit Abenteurern, vor denen es manchem grausen würde.

      Ja. Und er läßt sie um sich sein, damit er sich an ihnen prüft, seine Gesundheit, seine Kraft, zu widerstehen. Hört, was in Paris geschieht, wo sie die eigene Art schauerlich auf die Spitze treiben. Zuletzt trägt jeden sein Wahn und rechtfertigt sein Leben. Aber man kann sich, je besser man geboren ist, unmöglich jeden Augenblick auf der Höhe des Wahnes halten, das wäre schrecklich. Erkennen wir uns bei den Abenteurern bis zu dem Punkt, daß wir selbst einer scheinen! Noch heute kann eine Kugel treffen, und dieser kleine König in abgetragenen Kleidern wird verscharrt, hat nie dieses Land durchpflügt mit den Hufen seiner Pferde, sein Königreich war es nie. In Paris hängen sie soeben den Präsidenten des hohen Gerichtes auf, weil er für seinen König und gegen Spanien soll verschworen sein.

      Es ist aber eine entscheidende Handlung und trennt eine Stadt vom Königreich sicherer ab als die stärksten Mauern, wenn sie den tötet, der noch das Recht behauptet. Daher hatten die Feinde des Präsidenten Brisson mit vielen Schlichen sich vorgesehen, Unterschriften gesammelt für den Tod eines Unbekannten und erst nachher den Namen des höchsten Richters eingesetzt. Hatten Rückhalt bei den spanischen Befehlshabern gesucht, Entlastung erbeten von der geistlichen Hochschule Sorbonne und das Volk im voraus bearbeiten lassen durch Redner wie Boucher. Bei grauendem Morgen war Brisson auf die Straße gelockt, war hinterrücks in das Gefängnis gestoßen mit zweien seiner Räte, ihre Feinde erhängten die drei an einem Balken und leuchteten sie mit der Laterne ab, bis die drei Körper ihnen lang genug ausgestreckt schienen und die Gesichter aussahen nach Wunsch. Dann brachten sie ihre drei Pflegebefohlenen, hergerichtet wie es sich gebührt, nach dem Grèveplatz und banden sie an den ordentlichen Galgen.

      Der Rechtsgelehrte hatte nicht damit gerechnet, daß die Gesetzlosigkeit noch einmal ein solches Ausmaß annähme: es gab ein Gesetzbuch, das erste des Landes, er selbst war sein Verfasser. Aber geistige Taten entzweien uns nicht nur mit der schlechten Wirklichkeit: sie verdrängen diese auch, es wird schwer, an sie zu glauben. Anders steht es für das Volk. Es wird gewiß festlich erhoben sein, da in außerordentlicher Art der schimpflichste Tod den höchsten Richter trifft. Die Kraftprobe, die den Geist der Menschen in Bann zu schlagen pflegt, ist die Vergewaltigung des Rechtes. Da es Morgen wurde, füllte sich der Platz, und der Feind des Toten, der unter den Füßen des Erhängten stand, begann sogleich zu schreien, was für ein Verräter Brisson gewesen, und hätte Paris ausliefern wollen an den König, der die Stadt bestraft haben würde, und alle, alle wären sie in dem Fall hin und verloren gewesen. Volk! Du bist gerettet, da hängt Brisson. Allerdings, da hängt einer am Galgen, hat nur das Hemd an und ein schwarz unterlaufenes Gesicht. Das, der Präsident des königlichen Parlamentes, das, in unserm armen Lande eines der berühmten Kleinode, die noch übrig waren?

      Sie regen sich nicht, die Menge ist erstarrt von dem Anblick, jeder Hinzugekommene wird sofort gelähmt. Aus den Ecken des Platzes rufen die aufgestellten Mordgesellen, daß die Verschwörer reich sind, und daß ihre Häuser mit allem, was darin ist, von Rechts wegen dem Volk zufallen. Niemand regt sich. Geplündert wird nicht alle Tage, man sollte die Gelegenheit wahrnehmen, dennoch schleicht dies Volk nach Hause. Erst in einiger Entfernung vom Richtplatz sprach es lauter. Da hörte einer der Sechzehn es sagen, daß an