Die Vollendung des Königs Henri Quatre. Heinrich Mann

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Название Die Vollendung des Königs Henri Quatre
Автор произведения Heinrich Mann
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9788726482881



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allen Sechzehn weniger einen die Kehle abschneiden.

      Der König bei seinen Abenteurern vernahm aus Paris jedes Wort, tat aber nichts dergleichen, sondern ließ die Abenteurer reden — nicht aus Neugier. Er wußte ohnedies, wie solche Leute gesinnt sind und was sie ihm raten konnten. Abschwören, sofort, und die Hauptstadt öffnet ihre Tore! Solche Leute sind erfüllt von ihren eigenen Erfahrungen, Versäumnissen und begangenen Fehlern. Davon erzählten sie mehr als jemals dem Hof und Feldlager; und da sie zwei Tage lang die Freunde des Königs gewesen waren, fanden ihre Warnungen einige Beachtung. Henri hatte ein feines Gehör. Im Getümmel eines großen Saales und scheinbar seinem Leichtsinn ergeben, unterschied er die entfernten Gespräche, mehrere auf einmal. Eine Gruppe junger Leute, dem König verdeckt, aber zu erkennen an den frischen Stimmen, ließen sich von geprüften Lebenskennern belehren und stimmten zu. Der Dieb d’O verwarf die Armut, der man unbedingt entrinnen sollte. „So arm wie der König darf man nicht sein“, bestätigte Rosny: Henri, der gerade lachte, erfaßte jedes Wort. Nach seinem Rosny vernahm er auch seinen klugen Turenne, wie er dem Hauptmann Alexis recht gab. „Vor dem Unglück muß man sich hüten“, behauptete diese Erscheinung, die keine Nase mehr hatte.

      Leise berieten der alte Biron und der alte La Noue. Sie waren nicht wieder laut, weil sie jetzt einer Meinung waren. Dem König blieb nach seiner Demütigung durch Farnese nur übrig, ein Ende zu machen. Das Ende, das Paris selbst zu dieser Stunde ihm anbot: ein anderes konnten sie nicht meinen, obwohl die Scham den beiden Feldherren verbot, die Sache bei ihrem Namen zu nennen; und hätte jemand das Wort vor ihnen ausgesprochen, sie wären hochgegangen aus Zorn, Biron so gut wie der Protestant La Noue. Als Soldaten sahen sie keinen Frieden gern, da der Krieg sie nährte. Am wenigsten gefiel es ihnen, nach einem Mißerfolg die Waffen niederzulegen. Dennoch sprachen sie von dem Gebot der gegebenen Lage, nannten es nicht beim Namen; aber Henri lauschte und verstand.

      Seinen Hugenotten Agrippa hörte er die Stimme erheben. Agrippa d’Aubigné stritt mit dem deutschen Erzbischof, den der Übertritt zum Protestantismus seinen Thron gekostet hatte, und seither hielt er nur die Messe für die sichere Bürgschaft der Throne; weshalb er gerade hier sehr dringend zu der Messe riet. Henri löste sich aus seinem Kreis, drängte zu dem Hugenotten Agrippa hin und öffnete den Mund, um ihm ein Wort zu sagen, gerade ins Auge. Das Wort „Ich tu’s nicht“ wäre es gewesen; Agrippa sah auch genau, was kommen sollte. Da berührte ein Edelmann namens Chicot den Arm des Königs. Chicot durfte äußern, was jeder andere für sich behielt: deshalb hieß er der Narr des Königs, und aus ironischer Vernünftigkeit machte er sich daraus ein Amt. Auch der König tat, als hätte er es ihm wirklich verliehen und ließ den so gekennzeichneten Edelmann zuweilen Wahrheiten verbreiten, die er selbst noch nicht eingestehen mochte. Neue Wahrheiten sind zuerst dem Narren erlaubt. Chicot stieß den König an, schnitt ihm das Wort ab und äußerte vernehmlich:

      „Freund! Du siehst nicht gut aus. Nimm ein Weihwasser-Klistier.“

      Über einen Mann, der nun einmal ein Narr sein soll, wird doch gelacht? Die Nächsten verstummten aber, und das Schweigen setzte sich durch den Saal fort, bis es drückend wurde. Die dicht gedrängte Gesellschaft bemerkte plötzlich, daß ihre Luft nicht länger zu atmen war; Fenster wurden aufgerissen in den Abend — und da alles hindrängte, fanden Henri und sein alter Freund Agrippa sich inmitten allein. Beide waren erbleicht, sie sahen es im Schein der hereingetragenen Lichter. Sie schwiegen, jeden beschäftigte hier nur das Gefühl, das letzte Wort wäre gesprochen.

      Agrippa hatte sonst bittere Verse gemacht, wenn nach seiner Meinung der König ihn mit Undank belohnte. Er war hochgemut, wortreich und noch niemals verlegen gewesen um harte Wahrheiten für seinen König. Eine Verstimmung wagt man, erträgt sogar eine Ungnade. Anders diesmal; zu sichtbar war, daß der König litt. Agrippa senkte den Blick, um zu sagen: „Sie haben sich lange und tapfer gewehrt.“

      „Es ist nicht aus“, erwiderte Henri schnell.

      Als einzige Antwort schlug Agrippa den Blick auf.

      „Agrippa!“ befahl Henri. „Komm, wir wollen den Herrn, unseren Gott, anrufen.“

      „Sie rufe ich an, Sire, und bitte Sie: Gib mir den Abschied, den mein Herz vermißt.“

      „Dafür ist Du Bartas dann auch gestorben“, sagte Henri von der Seite. „Ich und du — kennen uns doch. Wir wollen leben.“ Womit sie schon abgingen.

      Sie stiegen zu Pferd, und draußen auf freiem Feld fanden sie Wachfeuer, Zelte, ein Heerlager: niemand in der Umgebung des Königs hatte davon etwas geahnt, auch der wachsame d’Aubigné nicht. ,So hast du, Henri, für eine neue Armee gesorgt anstatt der auseinandergelaufenen; hast heimlich eine große Zahl Briefe geschrieben, Boten entsandt, hast aus der Ferne deine Edelleute neu belebt und begeistert mit Sätzen, die nicht Agrippa, einem Dichter, gegeben wären. Das tatest du, Henri, in der Stille, während du augenscheinlich mit den Abenteurern umgingst und Vorkehrungen trafest, deine Religion abzuschwören.‘ — „Sire!“ sagte Agrippa laut. „Ich will den Abschied nicht, mein Herz vermißt ihn keineswegs.“

      Der König ließ nicht merken, daß er ihn hörte: er gab Befehle, alle bezogen sich auf den nahen Aufbruch nach Rouen. War Paris für diesmal nicht einzunehmen, dann sollte die Hauptstadt der Normandie alsbald der Liga entrissen, und Mayenne wie auch Farnese sollten nach Norden abgezogen werden auf die Schlachtfelder, die der eine schon kannte. Agrippa d’Aubigné, auf dem Ritt um das Lager, den er hinter seinem erstaunlichen König machen durfte, begriff die Absicht und freute sich seiner Klugheit. Gerade hier wurde er nochmals überrascht. Der König rief einen seiner Pastoren an. „Herr Damours! Beten Sie mit dem Heer.“

      Derselbe Pastor hatte bei Arques den Psalm angestimmt auf Befehl des Königs, und das war schon der verlorene Sieg über das gewaltige Heer der Liga gewesen, es war die Rettung eines Heeres von Freiheitskämpfern, Gewissenskämpfern. Dieselben sind auch diesmal zur Stelle. Aus den Zelten, von den Wachfeuern springen Hugenotten in den Kreis, nach vorn die ältesten; tragen im Gesicht gleiche Falten wie ihr König, Narben am Leib wie er, und das zu wissen, ist ihnen genug. Wir haben für ihn gekämpft, wir werden für ihn kämpfen und beten jetzt mit ihm.

      Agrippa d’Aubigné, von rauhen, gläubigen Stimmen umgeben, versucht mitzusprechen, aber seine eigene innere Stimme fällt ihm in das Wort. Er denkt: ,Ein frommer Betrug. Sire! Sie täuschen Ihre alten Freiheits- und Gewissenskämpfer. Was Sie aber wirklich tun werden, ist fertig und beschlossen. Sie werden nichts ändern, da Gott es anders nicht will. Herr! Dein Wille geschehe. Soll mein König den Glauben und die Treue verraten, halt ich doch beides, Gott und ihm.‘ In diesem Geiste betete endlich auch Agrippa mit und ließ sich nicht wieder stören.

      Unser Teil

      Der König belagerte die Stadt Rouen, ihre Einnahme drohte Paris die Lebensmittel abzuschneiden. Endlich zog Mayenne ihr zu Hilfe. Dieser Führer der Liga hatte indessen Paris vermittels Hängens und Schießens halbwegs zur Vernunft gebracht, knapp bevor es vollends spanisch wurde im blinden Eifer. Hierauf mußte er im Gegenteil den spanischen Feldherrn aus Flandern zurückrufen; ohne Farnese hoffte er nicht mehr, den König zu vernichten. Sein gefährlicher Verbündeter hätte sich ebensogern der Stadt Rouen bemächtigt wie der König selbst: weshalb Mayenne sich anstrengen mußte, um ihn mit Ausreden von Rouen fernzuhalten. Der König, nach seiner Art auf eine Schlacht versessen, sollte ihnen gewiß entgegenkommen auf ein Gelände, das sie günstig fänden. Nun fing der König den Strategen Farnese zu kennen an, und anstatt einer offenen Feldschlacht gedachte er ihm Künste mehr nach seinem Geschmack zu zeigen. Daher näherte er sich nur mit leichter Reiterei, neunhundert Pferde im ganzen, wie denn? Niemand versteht, was er sich dabei denkt.

      Unterwegs wurde gemeldet, daß die Spanier mit Trommeln und Trompeten anrücken, ein mächtiges Heer von achtzehntausend Mann Fußvolk, siebentausend Reitern, es bewegte sich in gedrängter Ordnung, die Kavallerie in der Mitte, seitwärts die Gepäckwagen, und die leichtesten Schwadronen flogen außen auf und ab wie Flügelschlagen. Es war ein reizvoller Anblick für Kenner, dieser Anmarsch Farneses auf dem gewellten Hügelland. Dem König kam das Bild zu Gesicht, als ihn und seine Reiter die Mauern von Aumale schützten; er wollte aber mehr sehen und verließ allein die Deckung.

      Die