Название | Das Anthropozän lernen und lehren |
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Автор произведения | Группа авторов |
Жанр | Документальная литература |
Серия | Pädagogik für Niederösterreich |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783706560832 |
Das Anthropozän als Denkrahmen für Lehr- und Lernprozesse unter den Bedingungen der Kultur der Digitalität
Elisabeth Hollerweger
Das Anthropozän erlesen
Literaturdidaktische Perspektiven auf Mensch-Umwelt-Erzählungen
Petra Koder
Philosophieren mit Kindern als integriertes Unterrichtsprinzip in der Primarstufe
Irene Lampert & Kai Niebert
Vorstellungen zur planetaren Grenze Ozeanversauerung
Claudia Mewald
Too early? Too difficult? Too complex?
About the Anthropocene for Young Language Learners
Elisabeth Mürwald-Scheifinger, Sabine Apfler & Christian Spreitzer
Mathematik im Anthropozän
Wie lang ist das – Halbwertszeit? Zeitspannen und Zerfallsprozesse in der Primarstufe mathematisch erfassen
Stefanie Preiml & Moremi Zeil
TatOrte
Entwurf einer Didaktik des Anthropozäns
Carmen Sippl
Was der Fluss erzählt
Wasser literarisch lernen mit dem Bilderbuch
Kerstin Steindl-Kuscher
Lernszenario H2O – „Wasser, was ist denn das?“
Gabriele Weigelhofer & Eva Feldbacher
Nachhaltiges Lernen durch Verstehen von Zusammenhängen
Unterrichtsbeispiele aus dem Bereich Gewässerökosysteme
Khaled Hakami & Christian Wiesner im Gespräch
Vanessa Janeczek & Christian Spreitzer
Eine naturwissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Anthropozänbegriff
Sophie Reyer
Plastik oder Wassermanns Arche
Carmen Sippl
In medias res
– oder: Ins kalte Wasser springen
Der Titel dieses Bandes, „Das Anthropozän lernen und lehren“, suggeriert die Vorannahme, das Anthropozän sei ein Fach, dessen fachwissenschaftliche Inhalte zu lernen und fachdidaktisch aufbereitet zu lehren sind. Als (noch nicht fixierte) Bezeichnung eines Erdzeitalters wäre das Anthropozän Thema der Geologie bzw. der Erdsystemwissenschaften – die es in der Schule allenfalls als fragmentiertes Teilwissen in MINT-Fächern gibt. Als „kulturelles Konzept“ (Trischler 2016, S. 270) – schließlich geht es um den Menschen (‚anthropos‘) als „geologischen Faktor“ (ebd., S. 269) und die nachhaltigen Spuren, die er im Erdsystem hinterlässt – wäre das Anthropozän in der Kulturellen Bildung zu verorten. Aber diese ist kein Schulfach; sie ist vielmehr den künstlerisch-ästhetisch-kreativen (also vermeintlich entbehrlichen) Gegenständen wie Bildnerische und Musikerziehung, Technisches und Textiles Werken zuzuordnen bzw. Unverbindlichen Übungen wie Darstellendes Spiel, Bildnerisches und Musikalisches Gestalten und mit etwas Glück und Verstand auch dem Deutsch-, Geschichts- und Religions- bzw. Ethikunterricht mit ihren jeweiligen Narrativen.
Das Anthropozän aber, so Eva Horn, Kulturwissenschaftlerin und Begründerin des Vienna Anthropocene Network, ist „eine Gegenwartsdiagnose“ und „eine ethische Herausforderung“: „Es geht darum, unser Verhältnis zur Welt neu zu denken.“ (Horn 2019a, S. 12f.) Dies betrifft insbesondere das Verhältnis von Natur und Kultur – denn die massiven Eingriffe des Menschen in das Erdsystem und das Erreichen von Kipppunkten machen dieses Neudenken und ein entsprechendes Handeln notwendig. Das Anthropozän als „Brückenkonzept und Querschnittsaufgabe“ (Dürbeck 2015, S. 107) fordert daher Natur- ebenso wie Kultur- und Geisteswissenschaften dazu heraus, in einen bislang ungewohnten Dialog zu treten. „Anthropozän-Wissenschaften zu betreiben“, betont Reinhold Leinfelder, Geologe und Mitglied der Anthropocene Working Group, „bedeutet also insbesondere die umfassende Verschränkung von Natur-, Kultur-, Gesellschafts- und Geisteswissenschaften, um gemeinsam die Interaktion zwischen belebter und unbelebter sowie zwischen natürlicher, kulturell-technischer und sozialer Umwelt zu erforschen.“ (Leinfelder 2015, S. 259)
Aber wie kann interdisziplinär generiertes Wissen in sektorale Bildungssysteme Eingang finden? Gerald Bast plädiert dafür, dass die „Veränderungen der Bildungssysteme und der Bildungsrealität […] in ihrer Radikalität der Radikalität der gesellschaftlichen, klimatischen und technologischen Veränderungen entsprechen“ müssten (Bast 2020, S. 380f.). Die Wechselwirkung von Mensch und Natur hat durch die erkennbaren Folgen etwa von Klimawandel und Artensterben eine Aktualität gewonnen, die für hoch-/schulische Bildung von zentraler Bedeutung ist. Dabei ist das Anthropozän „nicht als Konkurrenz, sondern als verbindende, integrative Ergänzung zu existierenden Fächern“ zu sehen (Leinfelder, in diesem Band, S. 27). Es gilt also, das Anthropozän als Denkrahmen für Bildungsprozesse zu nutzen, die ein transformatives Potenzial entfalten können.
Diese Aufgabe hat sich das Forschungs- und Entwicklungsprojekt der Pädagogischen Hochschule Niederösterreich „Das Anthropozän lernen und lehren“ gestellt, gefördert von der Abteilung Wissenschaft und Forschung der NÖ Landesregierung.1 Leitend für die Projektpartner2 sind dabei die Fragen: Wie kann die Mensch-Natur-Beziehung zukunftsorientiert neu gestaltet werden? Welche aktiven Lernprozesse können dafür notwendiges Wissen generieren und zu Zukunftsverantwortlichkeit und Gestaltungskompetenz befähigen? Im Lernraum Hoch-/Schule, so die Prämisse, bietet die fächerübergreifende und fächerverbindende Auseinandersetzung mit der Mensch-Natur-Beziehung im Kontext der Dimensionen Zeit und Raum die Möglichkeit, das Anthropozän als Reflexionsbegriff im Sinne transformativer Bildung zu nutzen. Denn transformatives Lernen sieht „erfolgreiche Lernprozesse dann, wenn sich die grundlegenden Muster, die dem menschlichen Wahrnehmen und Interpretieren zugrunde liegen, verändern“ (Singer-Brodowski 2016, S. 134).
Wie kann