Reise zum Mittelpunkt der Erde. Jules Verne

Читать онлайн.
Название Reise zum Mittelpunkt der Erde
Автор произведения Jules Verne
Жанр Языкознание
Серия Jules Verne bei Null Papier
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783962817817



Скачать книгу

ja!« er­wi­der­te ich, in­dem ich die­sen En­thu­si­as­mus zu tei­len an­fing, »ja, wir wer­den’s se­hen, wenn man je­doch dort se­hen kann?«

      »Und warum nicht? Kön­nen wir nicht auf elek­tri­sche Er­schei­nun­gen rech­nen, die uns Licht ge­wäh­ren, und selbst auf die At­mo­sphä­re, wel­che bei An­nä­he­rung an das Zen­trum durch ih­ren Druck leuch­tend wer­den kann?«

      »Ja«, sag­te ich, »ja! Das ist mög­lich nach al­lem.«

      »Das ist ge­wiss«, er­wi­der­te mein On­kel tri­um­phie­rend; »aber nur stil­le, ver­stehst du? Kein Wort von alle die­sem; kein Mensch soll die Idee be­kom­men, vor uns das Zen­trum der Erde zu ent­de­cken.«

      So schloss die­se merk­wür­di­ge Un­ter­re­dung. Ich war fie­ber­haft an­ge­regt. Ich ver­ließ ganz ver­blüfft das Ka­bi­nett mei­nes On­kels, und die Luft Ham­burgs reich­te nicht aus, um mich dar­in zu er­ho­len. Ich eil­te da­her an das El­bu­fer nach der Dampf­fäh­re hin, wel­che zur Ver­bin­dung der Stadt mit der Ham­bur­ger Ei­sen­bahn dient.

      War ich von dem, was man mich eben ge­lehrt hat­te, über­zeugt? War ich nicht viel­mehr dem Pro­fes­sor Li­den­b­rock er­le­gen? Soll­te ich im Ernst neh­men, dass er ent­schlos­sen sei, zum Zen­trum des Erd­kör­pers zu drin­gen? Hör­te ich so­eben die tol­len Spe­ku­la­tio­nen ei­nes Nar­ren, oder die wis­sen­schaft­li­che Dar­le­gung ei­nes großen Ge­nies? Bei al­lem, wo hör­te die Wahr­heit auf, be­gann der Irr­tum?

      Ich schwank­te zwi­schen tau­send sich wi­der­spre­chen­den Hy­po­the­sen, ohne mich an ei­ner fest­hal­ten zu kön­nen.

      Doch er­in­ner­te ich mich, dass ich über­zeugt war, ob­wohl mein En­thu­si­as­mus an­fing mä­ßi­ger zu wer­den; aber ich hat­te un­ver­züg­lich ab­rei­sen wol­len, ohne mir Zeit zum Über­le­gen zu las­sen. Ja, es hät­te mir nicht an Mut ge­fehlt, au­gen­blick­lich mei­nen Ran­zen zu schnal­len.

      Doch muss ich ge­ste­hen, eine Stun­de her­nach war die­se Über­rei­zung schon ge­sun­ken, die Span­nung mei­ner Ner­ven ließ nach, und kam wie­der aus den Ab­grün­den der Erde zur Ober­flä­che em­por.

      »Das ist ja lä­cher­lich!« sag­te ich mir; »es hat kei­nen rech­ten Ver­stand! Solch einen Vor­schlag kann man ei­nem ver­stän­di­gen Jun­gen nicht im Ernst ma­chen. Das al­les ist ei­tel nichts. Ich habe übel ge­schla­fen, einen schlim­men Traum ge­habt.«

      In­zwi­schen war ich längs dem Ufer der Elbe um die Stadt her­um­ge­kom­men und auf die Stra­ße nach Al­to­na. Es hat­te mich eine rich­ti­ge Ah­nung die­sen Weg ge­führt, denn ich be­merk­te bald mein lie­bes Gret­chen, das ra­schen Schrit­tes tap­fer nach Ham­burg heim­ging.

      So erreichte ich das Ufer der Elbe. So erreichte ich das Ufer der Elbe.

      »Gret­chen!« rief ich ihr von wei­tem zu.

      Das Mäd­chen stand stil­le, et­was be­trof­fen, schi­en es, auf of­fe­ner Stra­ße so an­ge­ru­fen zu wer­den. Mit zehn Schrit­ten war ich bei ihr.

      »Axel!« sag­te sie über­rascht. »Du bist mir ent­ge­gen ge­gan­gen, das ist ja recht hübsch.«

      Als nun aber Gret­chen mich an­sah, ent­ging ihr mein un­ru­hi­ges, ver­stör­tes Aus­se­hen nicht.

      »Was ist dir?« sag­te sie, mir die Hand rei­chend.

      »Was mir ist, Gret­chen!« rief ich.

      Und in zwei Se­kun­den, in drei Sät­zen hat­te ich mei­ne hüb­sche Vier­län­de­rin über die Lage der Din­ge in Kennt­nis ge­setzt. Ei­ni­ge Au­gen­bli­cke schwieg sie. Ob ihr Herz gleich dem mei­ni­gen klopf­te, weiß ich nicht, aber ihre Hand in der mei­ni­gen zit­ter­te nicht. Hun­dert Schrit­te gin­gen wir stumm ne­ben­ein­an­der her.

      »Axel!« sag­te sie end­lich.

      »Lie­bes Gret­chen!«

      »Das wird eine schö­ne Rei­se sein.«

      Ich sprang auf bei die­sen Wor­ten.

      »Ja, Axel, eine Rei­se, des Nef­fen ei­nes Ge­lehr­ten wür­dig. Ein Mann muss sich durch ein großes Un­ter­neh­men aus­zeich­nen!«

      »Wie? Gret­chen, du rätst mir nicht von solch ei­nem Un­ter­neh­men ab?«

      »Nein, lie­ber Axel, und ich wür­de euch ger­ne be­glei­ten, wenn nicht ein ar­mes Mäd­chen ein Hin­der­nis für euch wäre.«

      »Ist das wirk­lich dein Ernst?«

      »Wirk­lich.«

      Ach. Wie sind doch Frau­en, jun­ge Mäd­chen, weib­li­che Her­zen stets un­be­greif­lich! Seid ihr nicht die schüch­t­erns­ten We­sen, so seid ihr die tap­fers­ten! Ver­nunft hat bei euch kei­ne Gel­tung. Wie? die­ses Kind er­mun­ter­te mich, die Rei­se mitz­u­ma­chen! Sie hat­te kei­ne Furcht vor ei­ner aben­teu­er­li­chen Fahrt! Sie dräng­te mich dazu, den sie doch lieb­te.

      Ich war ver­le­gen und, of­fen zu sa­gen, schäm­te ich mich.

      »Gret­chen«, fuhr ich fort, »wir wol­len se­hen, ob du mor­gen noch eben­so sprichst.«

      »Mor­gen, lie­ber Axel, werd’ ich re­den, wie heu­te.«

      Wir gin­gen Hand in Hand, aber in tie­fem Schwei­gen un­se­res We­ges wei­ter. Die Gem­müts­be­we­gun­gen des Ta­ges hat­ten mich klein­laut ge­macht.

      »Im­mer­hin«, dach­te ich, »ist der ers­te Juli noch weit ent­fernt, und bis da­hin kann noch man­ches vor­ge­hen, was mei­nen On­kel von der tol­len Lust, eine Rei­se un­ter die Erde zu ma­chen, hei­len mag.«

      Es war schon Nacht ge­wor­den, als wir bei dem Hau­se der Kö­nigs­tra­ße an­lang­ten. Ich hat­te ver­mu­tet, wir trä­fen die Woh­nung ru­hig, mei­nen On­kel, wie ge­wöhn­lich, schon zu Bet­te und Mar­tha mit Ab­stau­ben des Spei­se­zim­mers be­schäf­tigt.

      Aber ich hat­te die Un­ge­duld des Pro­fes­sors nicht in An­schlag ge­bracht. Ich fand ihn un­ter ei­ner Trup­pe Last­trä­ger, wel­che al­ler­hand Wa­ren in die Al­lee brach­ten, mit lau­tem Ge­schrei hin und her ren­nend; die alte Die­ne­rin wuss­te nicht, wo ihr der Kopf stand.

      »Aber, so komm doch, Axel; eile doch, Un­glück­se­li­ger!« rief mein On­kel schon von wei­tem, wie er mich er­blick­te. »Und dein Kof­fer ist noch nicht ge­packt, und mei­ne Pa­pie­re noch nicht ge­ord­net, und der Schlüs­sel mei­nes Rei­se­sacks nicht zu fin­den, und mei­ne Ga­ma­schen blei­ben aus!«

      Ich fand meinen Onkel schreiend und zeternd. Ich fand meinen Onkel schreiend und zeternd.

      Ich war wie vom Don­ner ge­rührt, die Stim­me ver­sag­te mir. Kaum ver­moch­ten mei­ne Lip­pen die Wor­te her­vor­zu­brin­gen:

      »Also rei­sen wir ab?«

      »Ja, Un­glück­se­li­ger, und du gehst spa­zie­ren, an­statt bei der Hand zu sein!«

      »Wir rei­sen ab?« frag­te ich noch­mals mit schwa­cher Stim­me.

      »Ja, über­mor­gen in al­ler Frü­he.«

      Ich konn­te nichts wei­ter an­hö­ren und flüch­te­te in mein Zim­mer­chen.

      Es