Der verlorene Sohn - Der Fürst des Elends (Kriminalroman). Karl May

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Название Der verlorene Sohn - Der Fürst des Elends (Kriminalroman)
Автор произведения Karl May
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788026866886



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Wege.«

      Sie stiegen durch das Fenster. Die Thür des Zimmers, in welchem sie sich nun befanden, war nicht verschlossen. In einigen Augenblicken befanden sich die Beiden oben auf dem Corridore.

      »Hier! Leise herein!« flüsterte der Schmied.

      Ein Streichholz flackerte auf. Beim Scheine desselben gewahrten sie den Knaben, welcher in seinem Bettchen schlummerte. Leise, leise nahm ihn der Schmied heraus, er drückte ihn an sich; er erwachte nicht.

      »Schnell! Den anderen Balg hinein! Betten drauf und die Kleidungsstücke, welche dort an der Wand hängen. Findest Du Dich allein zurecht?«

      »Ja, Vater.«

      »So gehe ich. An der Buche treffen wir uns wieder.«

      »Aber wenn der Junge erwacht!«

      »Schadet nichts. Hier hängt ein Mantel. Ich wickle ihn hinein. Was soll man da hören.«

      Er nahm den Mantel, schlug den Knaben hinein und schlich sich davon. Es war ein Wunder zu nennen, daß das Kind nicht erwachte. Mit unhörbaren Schritten huschte der Schmied zur Treppe hinab und durch die Stube, welche sie offen gefunden hatten, in das Freie hinaus.

      Da begann der Knabe sich zu regen. Der Schmied schaukelte ihn im Gehen leise hin und her. Das half. Das Kind glaubte sich in den Armen der Bonne und schlief wieder ein.

      An der Buche angekommen, wartete er. Nach kaum zwei Minuten hörte er leise Schritte. Sein Sohn war es.

      »Nun?« fragte er. »Ist's gelungen?«

      »Natürlich!«

      »Man sieht aber doch nichts!«

      »So schnell kann es nicht gehen. Das Fenster liegt ja auf der Seite, welche man hier nicht sieht.«

      »Verdammt! Wenn es nicht gezündet hätte, würde man die Verwechslung bemerken!«

      »Habe keine Sorge. Was ich mache, das mache ich gut.«

      »So wollen wir das Weite suchen.«

      »Ziehen wir die Stiefel an?«

      »Dazu giebt es keine Zeit. Trage Du sie. Ich habe den Jungen. Ehe Lärm wird, müssen wir zu Hause sein.«

      Sie eilten davon, erreichten glücklich ihren Garten und gelangten durch die Scheune in den Hof. Die Gäste saßen noch in der Stube.

      »Gehe hinein und schicke die Mutter heraus,« befahl der Schmied.

      Der Sohn ging, und in kurzer Zeit kam die Frau des Schmiedes.

      »Endlich, endlich,« flüsterte sie. »Was ich für Angst ausgestanden habe. Ist es gelungen?«

      »Ich hoffe es. Hier ist der Knabe. Ist das Versteck fertig?«

      »Ja. Gieb ihn her, und gehe in die Stube.«

      »Haben sie nach mir gefragt?«

      »Ja; ich habe gesagt, daß Du beim Gevatter bist, aber bald kommen wirst.«

      Sie nahm das Kind und verschwand im Dunkel des Hofes. Unter dem Hause befand sich ein verborgener Keller, welchen die Grenzer noch nie entdeckt hatten; dorthin trug sie einstweilen den geraubten Knaben, während der Schmied in die Gaststube trat.

      Auch dort spielte man noch Karte. Es waren Bekannte aus dem Dorfe und Pascher von jenseits der Grenze herüber. Die Beiden, Vater und Sohn, mußten sich sofort zu ihnen setzen, um an dem Spiele theilzunehmen. Beide hatten allerdings nicht die rechte Lust dazu, da ein jeder Augenblick die Kunde bringen konnte von dem, was auf denn Schlosse geschehen war.

      Es vergingen fünf Minuten, zehn Minuten – sollte der Streich nicht gelungen sein? Da, da ertönte draußen auf der Dorfstraße ein lauter Ruf:

      »Feuer! Feurio! Feurio!«

      Der Nachtwächter stieß in das Horn. Alle Gäste sprangen auf und zur Thür hinaus. Der Nachtwächter erblickte sie und rief:

      »Feuer, Ihr Leute! Auf dem Schlosse brennt es!«

      »Herr Jesus! Auf dem Schlosse!« ertönte es aus Aller Munde. »Rasch, zur Spritze, ehe es gefährlich wird!«

      Es war bereits gefährlich genug, denn als man endlich mit der Spritze anlangte, stand der eine Flügel des Gebäudes vollständig in Flammen. Eine Feuerwehr gab es nicht in der Nähe, und ehe diejenige der Amtsstadt herbeikam, oder ehe die nachbarlichen Spritzen herbeigeschleppt werden konnten, mußte das ganze Schloß bereits brennen.

      Die Bewohner desselben schleppten heraus, was ihnen das Liebste war. Die Dörfler halfen. Ihre Spritze war überflüssig, denn es fehlte an Wasser.

      Der Ortsvorsteher übernahm es, die möglichen Rettungsarbeiten zu überwachen. Erst nach langer Zeit, als die Bewohner der benachbarten Ortschaften bereits angekommen waren, aber auch einsehen mußten, daß das Gebäude nicht zu retten sei, kam es ihm in den Sinn, daß ja auch Menschen in Gefahr gewesen sein könnten.

      Er eilte nach der Stelle, an welcher die Bediensteten des Schlosses standen und jammernd der Zerstörungswuth des Elementes zuschauten.

      »Es sind doch Alle da beisammen?« fragte er.

      »Alle,« antwortete die Zofe Ella, welche noch die meiste Fassung behalten hatte.

      »Es fehlt keine Person?«

      »Nein.«

      Aber da ließ sich ein lauter, gräßlicher Schrei hören. Die Bonne hatte ihn ausgestoßen.

      »Was ist's? Was giebt's?« fragte er.

      »Der Knabe! Der Knabe! Der kleine Herr!« rief sie.

      »Herrgott! Fehlt er vielleicht?«

      »Ja, ja, er schlief! O Gott! Wir waren unten, als es oben bereits lichterloh brannte. Wir wurden es erst gewahr, als kein Mensch mehr hinauf konnte!«

      Das gab nun allerdings eine fürchterliche Aufregung. Man suchte, man gab hunderterlei Rathschläge – vergebens! Da hinauf, wo der Knabe gelegen war, konnte längst kein Mensch mehr. Selbst als die freiwillige Feuerwehr der Amtsstadt anlangte und deren Anführer das Geschehene erfuhr, zuckte er die Achsel und sagte:

      »Muß längst verbrannt sein! Da hinauf sich zu wagen, würde mehr als Wahnsinn sein. Vielleicht aber retten wir die Ueberreste des Kindes. Noch halten die Mauern und Balken.«

      Die Spritzen begannen zu arbeiten, denn jetzt gab es Wasserzubringer. Beide Elemente trafen zusammen; eins suchte das andere zu zerstören; ein dunkelleuchtender Schwalch stieg aus dichtem, stinkendem Rauche himmelan.

      Da kam auf schäumendem Pferde ein Reiter herangesprengt. Baron Franz von Helfenstein war es. Am Abende aus der Residenz zurückgekehrt, hatte er nach dem Aufregenden, was er dort mit zu erleben gehabt hatte, keine Ruhe gefunden. Da war nach Mitternacht ein eigenthümlicher Schein in seine Stube gedrungen. Er erhob sich vom Lager, blickte durch das Fenster und sah, daß in der Richtung nach Schloß Hirschenau ein bedeutendes Feuer sein müsse. Sollte Hirschenau selbst brennen? Er zog sich eiligst an, zog sein Pferd hervor und ritt, ohne erst zu satteln, davon.

      Jetzt erfuhr er, daß seine Cousine noch nicht aus der Residenz zurückgekehrt, sein kleiner Cousin aber verbrannt sei. Er that, als ob dieser Schlag ein entsetzlicher für ihn sei. Er sprengte wie ein Wüthender um das brennende Schloß herum. Da, als er grad an einer Stelle hielt, an welcher sich wenig Menschen befanden, hörte er sich angerufen:

      »Ein böses Unglück, Herr Baron!«

      Er blickte sich um und erkannte den Schmied.

      »Ah, Sie sind es!« meinte er. »Wann ist es ausgebrochen?«

      »Kurz nach Mitternacht. Wir saßen bei mir bei der Karte.«

      »Alles, Alles verloren!«

      »Viel, sehr viel gewonnen!«

      Das erregte die Aufmerksamkeit des Barons.

      »Was denn gewonnen?« fragte er.

      »Die