Название | Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie |
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Автор произведения | Georg Ebers |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788075836854 |
Dann faßte er von Neuem die Hand des Phanes und sprach:
»Wie Dir, mein Freund, so ist auch mir der Gewalthaber verhaßt; doch ich vermag mich der Ueberzeugung nicht zu verschließen, daß die Tyrannis, so lange Pisistratus am Leben bleibt, kaum gestürzt werden kann. Seine Bundesgenossen Lygdamis von Naxos und Polykrates von Samos sind mächtig; gefährlicher aber als diese ist für unsere Freiheit die Mäßigung und Klugheit des Pisistratus selbst. Mit Schrecken hab’ ich bei meinem jetzigen Aufenthalt in Hellas gesehen, daß die Volksmasse von Athen den Bedrücker gleich einem Vater liebt. Trotz seiner Macht läßt er dem Gesammtwesen die Verfassung des Solon. Er schmückt die Stadt mit den herrlichsten Werken. Der neue Tempel des Zeus, welcher von Kallaeschrus, Antistates und Porinus, die Du kennen mußt, Theodorus, aus herrlichem Marmor aufgerichtet wird, soll alle bisherigen Bauten der Hellenen übertreffen91. Er weiß Künstler und Dichter jeder Art nach Athen zu locken, er läßt die Gesänge des Homer niederschreiben und die Sprüche des Musaeus von Onomacritus aufzeichnen und sammeln. Er legt neue Straßen an und richtet neue Feste ein; der Handel blüht unter seinem Scepter und der Wohlstand des Volkes scheint trotz der Steuern, die ihm auferlegt werden, zu wachsen, statt sich zu vermindern. Aber was ist das Volk? Ein gemeiner Haufe, der, wie die Mücken, allem Glänzenden entgegenfliegt, und wenn es sich auch die Flügel an ihm verbrennt, die Kerze dennoch umflattert, so lange sie brennt. Laß die Fackel des Pisistratus verlöschen, Phanes, und ich schwöre Dir, daß die veränderungssüchtige Menge dem heimkehrenden Adel, dem neuen Lichte, nicht weniger beflissen entgegenfliegen wird, wie jüngst dem Tyrannen. – Gib mir noch einmal Deine Hand, Du echter Sohn des Ajax; euch aber, ihr Freunde, bin ich manche Neuigkeit schuldig.
»Im Wagenrennen siegte also Cimon, der dem Pisistratus seinen Oelzweig schenkte. Niemals sah ich vier schönere Rosse als die seinigen. Auch Arkesilaus von Cyrene, Kleosthenes von Epidamnus92, Aster von Sybaris, Hekataeus von Milet und viele Andere hatten köstliche Gespanne nach Olympia gesandt. Ueberhaupt waren die diesmaligen Spiele mehr als glänzend. Ganz Hellas hatte Boten geschickt. Rhoda, die Ardeaten-Stadt im fernen Iberien93, das reiche Tartessus, Sinope im entlegenen Osten am Gestade des Pontus, kurz jeder Stamm, welcher sich hellenischer Herkunft rühmt, war reichlich vertreten. Die Sybariten sandten Festboten von wahrhaft blendendem Glanze, die Spartaner schlichte Männer von der Schönheit des Achilles und dem Wuchse des Herkules; die Athener zeichneten sich durch geschmeidige Glieder und anmuthige Bewegungen aus, die Krotoniaten wurden von Milo94, dem stärksten Manne menschlicher Herkunft, geführt, die samischen und milesischen Festgenossen wetteiferten an Pracht und äußerem Schimmer mit den Korinthern und Mytilenaeern, die ganze Blüthe der hellenischen Jugend war versammelt, und in den Zuschauerräumen saßen neben Männern jeden Alters, jeden Standes und Volkes, viele holde Jungfrauen, welche namentlich von Sparta nach Olympia gekommen waren, um durch ihren Zuruf die Spiele der Männer zu verschönern95. Jenseits des Alphäus war der Markt erbaut. Dort konntet ihr Handelsleute aus allen Ländern der Welt erblicken. Hellenen, Karchedonier, Lyder, Phryger und feilschende Phönizier von Palästina schlossen große Geschäfte ab, oder hielten in Buden und Zelten ihre Waaren feil. Was soll ich euch das drängende Gewoge der Menge, die schallenden Chöre, die dampfenden Festhekatomben, die bunten Trachten, die kostbaren Wagen und Rosse, das Zusammenklingen der verschiedenen Dialekte, die Jubelrufe alter Freunde, welche sich hier nach jahrelanger Trennung wiederfanden, den Glanz der Festgesandten, das Gewimmel der Zuschauer und Kaufleute, die Spannung auf den Verlauf der Spiele, den herrlichen Anblick der überfüllten Zuschauerräume, den endlosen Jubel, sobald ein Sieg entschieden war, die feierliche Belehnung mit dem Zweige, den ein Knabe von Elis, dessen beide Eltern noch leben mußten, mit dem goldenen Messer von jenem heiligen Oelbaum in der Altis96 schnitt, den Herkules selbst vor vielen Jahrhunderten gepflanzt hat; – was soll ich euch endlich das nicht aufhörende Jubelgeschrei, welches wie brüllender Donner durch das Stadium brauste, beschreiben, als Milo, der Krotoniat, erschien, und seine von Dameas gegossene Bildsäule von Erz auf den eigenen Schultern, ohne daß ihm die Knie wankten, durch das Stadium97 in die Altis trug98. Einen Giganten hätte die Wucht des Metalls zu Boden gedrückt; Milo aber trug sie, wie eine lacedaemonische Kinderfrau ein Knäblein trägt99.
»Die schönsten Kränze, nach denen des Cimon, wurden einem spartanischen Brüderpaare zu Theil, dem Lysander und Maro, den Söhnen eines verbannten Edlen, mit Namen Aristomachus. Maro siegte im Wettlauf; Lysander aber stellte sich, unter dem Jubel aller Anwesenden, Milo, dem unwiderstehlichen Sieger von Pisa, den Pythien und dem Isthmus, zum Ringkampfe entgegen100. Milo war größer und stärker als der Spartaner, dessen Körperbau dem Wuchse des Apollo glich, und dessen große Jugend andeutete, daß er kaum dem Paedanomos101 entwachsen war.
»In ihrer nackten Schönheit, vom goldnen Salböle glänzend, standen sich der Jüngling und der Mann gegenüber, einem Panther und einem Löwen gleichend, die sich zum Kampfe bereiten. Der junge Lysander hob seine Hände vor dem ersten Anlaufe beschwörend zu den Göttern empor und rief: ›Für meinen Vater, meine Ehre und Spartaner-Ruhm!‹ Der Krotoniat aber lächelte überlegen auf den Jüngling herab, wie ein Feinschmecker lächelt, ehe er sich an die Arbeit begibt, die Schale einer Languste102 zu öffnen.
»Jetzt begann das Ringen. Lange konnte keiner von Beiden den Andern greifen. Wuchtig, fast unwiderstehlich faßte der Krotoniat nach seinem Gegner, der sich, wie eine Schlange, den furchtbaren Griffen der Zangenhände des Athleten entwand. – Lange währte das Ringen nach dem Griffe, dem die ganze ungeheure Versammlung stumm und athemlos zuschaute. Man hörte nichts als das Stöhnen der Kämpfer und den Gesang der Vögel in dem Haine der Altis. Endlich, – endlich war es dem Jünglinge gelungen, mit dem schönsten Griffe, den ich je gesehen, sich an seinen Gegner zu klammern. Lange strengte Milo vergebens seine Kräfte an, um sich den festen Armen des Jünglings zu entziehen. Der Schweiß ihrer Riesenarbeit netzte reichlich den Sand des Stadiums.
»Immer höher wuchs die Spannung der Zuschauer, immer tiefer ward das Schweigen, immer seltener wurden die ermunternden Zurufe, immer lauter ließ sich das Stöhnen der beiden Kämpfenden vernehmen. Endlich sanken dem Jüngling die Kräfte. Tausend ermunternde Stimmen riefen ihm zu, noch einmal raffte er sich mit übermenschlicher Anstrengung zusammen, noch einmal versuchte er den Krotoniaten zu werfen; dieser aber hatte die augenblickliche Abspannung seines Gegners wahrgenommen, und preßte ihn in unwiderstehlicher Umarmung an sich. Da entquoll ein schwarzer, voller Blutstrom den schönen Lippen des Jünglings, der leblos aus den ermatteten Armen des Riesen zu Boden sank. Democedes103, der berühmteste Arzt unserer Zeit, ihr Samier müßt ihn vom Hofe des Polykrates kennen, eilte herbei; aber keine Kunst konnte dem Glücklichen helfen, denn er war todt.
»Milo mußte sich des Kranzes begeben und der Ruhm dieses Jünglings wird durch ganz Hellas fortklingen. Wahrlich, ich möchte selber lieber todt sein gleich Lysander, dem Sohne des Aristomachus, als leben wie Kallias, der in der Fremde thatenlos altert. – Ganz Griechenland, durch seine Besten vertreten, geleitete den schönen Leichnam des Jünglings zum Scheiterhaufen und seine Bildsäule soll in der Altis, neben denen des Milo von Kroton und Praxidamas von Aegina