Das Dekameron. Джованни Боккаччо

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Название Das Dekameron
Автор произведения Джованни Боккаччо
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788726544862



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bei dem wackeren Manne bleiben, der sie lieber hätte als ihr Erzieher, worüber Graf und Gräfin herzlich lachen mußten.

      Inzwischen hatte sich der Graf erhoben, nicht um die Tochter als Vater zu begrüßen, sondern um als armer Mann einer vornehmen Dame die schuldige Ehrfurcht zu erweisen, und hatte sich in der Stille unsäglich über ihren Anblick gefreut. Sie aber erkannte ihn weder damals noch späterhin, so sehr hatte er sich verändert; denn alt und grau und mager, bärtig und braungebrannt wie er war, glich er eher einem Wildfremden als dem Grafen von Antwerpen. Als die Dame sah, daß die Kinder nicht von ihm ablassen wollten, sondern weinten, sagte sie dem Hofmeister, er möge sie nur eine Weile gewähren lassen.

      Während aber die Kinder noch bei dem wackeren Manne verweilten, kam Jakobs Vater zufällig nach Hause und erfuhr vom Hofmeister, was sich zugetragen hatte. Jeannette war ihm ohnehin zuwider, und so sagte er zu diesem: „Laßt sie, beim Henker, der sie holen mag, wenn er Lust hat. Ihr Benehmen zeigt ja nur ihre Abkunft. Von mütterlicher Seite sind sie Bettelkinder, darum ist’s kein Wunder, wenn sie sich am liebsten mit Bettlern abgeben.“ Der Graf hörte diese Rede und fühlte sich schwer gekränkt, doch zuckte er die Achseln und trug diesen Schimpf geduldig wie so manchen andern. Jakob hingegen liebte die Kinder sehr und hatte gesehen, wie freundlich sie gegen den wackeren Mann gewesen waren. Obwohl ihm das nicht paßte, ließ er, nur um keine Tränen sehen zu müssen, jenem sagen, wenn er im Hause einen Dienst annehmen wolle, werde er willkommen sein. Der Graf antwortete, er wolle gern bleiben, er verstehe sich jedoch nur darauf, die Pferde zu warten, was er sein ganzes Leben lang getan habe. Darauf wurde ihm ein Pferd zugewiesen, und sobald er das besorgt hatte, scherzte und spielte er mit den Kindern.

      Derweilen das Schicksal auf die bisher geschilderte Weise den Grafen und seine Kinder geleitet hatte, war der König von Frankreich, nachdem er mit den Deutschen mehrmals Waffenstillstand geschlossen, von hinnen gefahren. An seiner Stelle war sein Sohn gekrönt worden, dessen Gemahlin die Ursache gewesen war, um derentwillen der Graf vertrieben wurde. Als der letzte Waffenstillstand mit den Deutschen abgelaufen war, fing der junge König den Krieg mit neuer Erbitterung wieder an, und der König von England als sein neuer Vetter sandte ihm zahlreiche Hilfstruppen, die unter Führung seines Marschalls Pierrot und des Jakob Lamiens standen, welcher der Sohn seines zweiten Marschalls war. In dem Gefolge des letzteren zog auch der wackere Mann, der Graf nämlich, mit, lebte geraume Zeit im Lager als Pferdeknecht, ohne erkannt zu werden, und bewirkte hier infolge seines Verstands und seiner Erfahrung durch Rat und Tat viel mehr Gutes, als sich für seine Lage schickte.

      Während dieses Krieges nun wurde die Königin von Frankreich von einer schweren Krankheit befallen; und als sie erkannte, daß der Tod nahe war, bereute sie ihre Sünden und beichtete sie zerknirscht dem Erzbischof von Rouen, der allgemein für einen besonders frommen und aufrechten Mann gehalten wurde. Unter anderen Sünden bekannte sie ihm auch das schwere Unrecht, das sie dem Grafen von Antwerpen zugefügt, und begnügte sich nicht damit, dies dem Bischof zu berichten, sondern schilderte den ganzen Hergang der Sache in Gegenwart vieler anderer angesehener Personen und bat diese, sich beim König dahin zu verwenden, daß der Graf selbst, oder, wenn er nicht mehr am Leben sei, seine Nachkommen wieder in den früheren Stand eingesetzt würden. Nicht lange nach diesem Geständnis starb die Königin, und ihre Leiche wurde ehrenvoll begraben.

      Als dem König diese Aussage seiner Gemahlin hinterbracht ward, beseufzte er zuerst das schwere Unrecht, das er einem so wackeren Manne angetan; dann aber ließ er im ganzen Heere und überdies noch weit und breit im Lande ausrufen, daß er den, der ihm Kunde vom Grafen von Antwerpen oder von seinen Kindern bringe, für jedes einzeln reich belohnen werde; denn der König habe aus den Geständnissen seiner Gemahlin entnommen, daß der Graf sich des Vergehens nicht schuldig gemacht habe, um dessentwillen er verbannt worden sei. Er beabsichtige deshalb, ihn in die alten Ehren und Würden wieder einzusetzen und ihm noch größere zu verleihen.

      Diesen Aufruf hörte auch der gräfliche Stallknecht, und da er wußte, daß sich wirklich alles so verhielt, ging er sogleich zu Jakob und bat diesen, ihn mit Pierrot zusammenzubringen, denn er wolle dem König zeigen, was dieser suche. Als sie nun alle drei zusammen waren, sagte der Graf zu Pierrot, der selbst schon darandachte, sich zu entdecken: „Pierrot, Jakob, der hier steht, hat deine Schwester zur Frau, ohne jemals eine Mitgift bekommen zu haben. Damit aber deine Schwester nicht ohne Aussteuer sei, so will ich, daß er und niemand anders die große Belohnung erhalte, die der König dem verspricht, der dich anzuzeigen weiß. So möge er denn dich als den Sohn des Grafen von Antwerpen angeben, seine Frau als deine Schwester Violante und mich, euren Vater, als den Grafen von Antwerpen.“ Bei diesen Worten blickte Pierrot dem Redenden genauer ins Gesicht, erkannte ihn plötzlich, warf sich ihm weinend zu Füßen, umarmte ihn und sagte: „Vater, seid tausendmal willkommen.“ Jakob aber war zuerst von der Rede des Grafen und dann von dem Benehmen Pierrots so verwundert und freudig überrascht, daß er anfangs gar nicht wußte, was er tun sollte. Doch bald maß er den Worten des Grafen vollen Glauben bei und war voller Scham wegen der harten Reden, die er gegen jenen als Pferdeknecht wohl geführt. Er sank weinend zu seinen Füßen nieder, um für das Geschehene demütig Verzeihung zu erbitten. Der Graf aber erteilte sie ihm willig, indem er ihn aufstehen hieß.

      Als sich alle drei ihre verschiedenen Schicksale unter vielen Tränen und ebensoviel Freude gegenseitig erzählt hatten, wollten Pierrot und Jakob den Grafen mit neuen Kleidern versehen. Er gab es indes auf keine Weise zu, sondern bestand darauf, daß Jakob, nachdem ihm die Belohnung zuvor gesichert wäre, ihn im Knechtsgewand dem König vorführte, um diesen desto mehr zu beschämen. So ging denn Jakob, dem der Graf und Pierrot in einiger Entfernung folgten, vor den König und versprach ihm, den Grafen und dessen Kinder zu bringen, wenn er ihn dem ergangenen Aufruf gemäß belohnen wolle. Sogleich ließ der König die für einen jeden bestimmten Belohnungen, über deren Größe Jakob sich nicht genug wundern konnte, herbeibringen und hieß ihn, diese hinzunehmen, wenn er wirklich den Grafen und dessen Kinder nachzuweisen wisse. Darauf wandte Jakob sich um, ließ den Grafen, seinen Knecht, und Pierrot vortreten und sagte: „Gnädigster Herr, hier sind Vater und Sohn. Die Tochter, die meine Gemahlin ist, habe ich zwar nicht zur Stelle, doch sollt Ihr sie mit Gottes Hilfe bald sehen.“

      Der König blickte den Grafen an, und obgleich dieser sich sehr verändert hatte, erkannte er ihn dennoch, nachdem er ihn eine Weile betrachtet hatte, und schier tränenden Auges hob er den Knienden zu sich empor, küßte und umarmte ihn. Auch den Pierrot empfing er freundschaftlich und befahl, daß der Graf sogleich mit Kleidern, Dienerschaft, Pferden und Geräten versehen werde, so reichlich, wie es seinem hohen Rang angemessen sei. Alsbald wurde dieser Befehl vollzogen. Dann erwies der König dem Jakob ebenfalls vielfache Ehre und verlangte von ihm einen Bericht über die vorhergegangenen Begebenheiten. Als aber Jakob die Belohnung wegtragen ließ, die er für die Auskunft über den Grafen und dessen Kinder erhalten hatte, sagte dieser: „Nimm das als ein gnädiges Geschenk unseres Herrn, des Königs, und vergiß nicht, deinem Vater zu sagen, daß deine Nachkommen, seine wie meine Enkel, von mütterlicher Seite keine Bettelkinder sind.“

      Jakob nahm die Geschenke und ließ seine Gattin und seine Mutter nach Paris kommen. Auch Pierrots Frau wurde herbeigeholt, und alle lebten in großen Freuden mit dem Grafen zusammen, den der König in alle seine Güter wieder eingesetzt und mit größeren Würden begabt hatte als je zuvor. Dann beurlaubten sich alle und kehrten in ihre Heimat zurück. Er aber lebte noch viel ruhmvoller als zuvor bis an sein Ende in Paris.

      NEUNTE GESCHICHTE

      Bernabo von Genua verliert durch Ambrogiuolos Betrug sein Vermögen und befiehlt, daß seine unschuldige Frau getötet werde. Sie entkommt und dient in Männerkleidern dem Sultan. Dann entdeckt sie den Betrüger und veranlaßt Bernabo, nach Alexandrien zu kommen. Der Betrüger wird bestraft, und sie kehrt, wieder im Frauengewand, mit ihrem Manne reich nach Genua zurück.

      Als Elisa durch die rührende Geschichte des Grafen von Antwerpen ihre Pflicht erfüllt hatte, sann Filomena, die Königin, die schön und von schlanker Gestalt war und deren Gesichtszüge noch mehr Anmut und Freundlichkeit hatten als die der andern, einen Augenblick nach und sagte dann: „Wir müssen dem Dioneo schon Wort halten, und so will ich denn, da nur er und ich noch zu erzählen haben, meine Geschichte zuerst vorbringen, und er mag, wie er sich’s ausgebeten, der letzte sein, der für heute erzählt.“