Название | Chefarzt Dr. Norden Paket 1 – Arztroman |
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Автор произведения | Patricia Vandenberg |
Жанр | Языкознание |
Серия | Chefarzt Dr. Norden Paket |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783740975135 |
»Hallo, Elias«, begrüßte sie den jungen Mann, der auf dem Bett saß. »Mein Name ist Schwester Elena.«
Annabelle Werner legte das Buch zur Seite, aus dem sie ihrem Sohn gerade vorgelesen hatte, und wollte die Schwester begrüßen, als sich die Tür erneut öffnete.
»Dr. Lammers«, erklärte der Kinderchirurg knapp und zog sich einen Hocker heran. »Du bist also wegen deinem Pferdefuß hier«, wandte er sich an den Jungen.
Entsetzt drehte sich Elias zu seiner Mutter um.
»Mami, ich habe keinen Pferdefuß.«
Annabelle und Elena waren gleichermaßen entsetzt.
»Natürlich hast du das nicht. Der Doktor meint das nicht so«, versicherte Elena schnell.
»Sie hat niemand gefragt!«, wies Lammers sie scharf zurecht, ehe er sich wieder an Mutter und Sohn wandte. Vorsichtshalber hatte sich Elias in Annabelles Arme geschmiegt. Hier geschah ihm kein Leid. »Die meisten vierfüßigen Tiere setzen den Fuß nicht mit der ganzen Sohle auf. Auch das Pferd. Deshalb wird ein Pes equinus so genannt. Kein Grund, sich deshalb aufzuregen.« Er rollte näher heran. »Jetzt zeig deinen Spitzfuß mal her.«
Elias schickte Annabelle einen hilfesuchenden Blick, ehe er mit einem Satz aus dem Bett sprang und im Bad verschwand. Annabelle entschuldigte sich und lief ihm nach.
»Komm schon, Elias, ich habe dir doch alles genau erklärt. Zeig dem Doktor deinen Fuß.«
»Ich will aber nicht. Der ist böse.«
Volker Lammers rollte mit den Augen.
»Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit. Was ist denn jetzt?«, fragte er energisch.
Mit Engelszungen redete die Mutter auf ihren Sohn ein. Endlich ließ sich Elias überreden und schlich zurück. Er rutschte aufs Bett, Annabelle zog ihm die Socken aus. Doch als Volker nach dem Fuß greifen wollte, zog der Junge ihn abrupt zurück.
»Rotzlöffel!«, entfuhr es Lammers. Und zu Annabelle gewandt: »Wie alt ist Ihr Sohn?«
»Sieben Jahre.« Es kostete sie alle Kraft, das sich windende Kind zu bändigen.
»So ein Spitzfuß wird normalerweise im Kleinkindalter operiert.«
»Er hat schon zwei Eingriffe hinter sich, die leider noch nicht den gewünschten Erfolg gebracht haben.« Elias zappelte in Annabelles Armen. »Jetzt hör doch bitte auf! Die letzten Male war es doch auch nicht schlimm.« Vor Anstrengung trat ihr der Schweiß auf die Stirn. Sie lächelte Dr. Lammers entschuldigend an. »Er beruhigt sich bestimmt gleich wieder.«
»Rufen Sie mich, wenn es so weit ist.« Volker hatte keine Lust mehr zu warten und verließ das Zimmer.
Elena murmelte eine Entschuldigung, ehe sie ihm folgte.
»Was ist denn jetzt mit Elias?« Im Laufschritt eilte sie ihm über den Flur nach.
»Ein Leichtathlet wird er mit Sicherheit nie.«
Elena schnappte nach Luft. Lammers machte seinem Ruf wieder einmal alle Ehre.
»Was soll das heißen? Operieren Sie nicht?«
»Wie denn? Teleskopinstrumente gibt es noch nicht.«
Mitten auf dem Gang blieb Schwester Elena stehen und sah ihm nach.
»Sie benehmen sich wie eine beleidigte Diva!«, schleuderte sie ihm hinterher.
Ohne sich umzudrehen, machte Lammers eine wegwerfende Handbewegung und wollte um die Ecke verschwinden, als Annabelle Werner hinter Elena auftauchte.
»Herr Doktor!«, rief sie.
Diesmal blieb Volker stehen und drehte sich um.
»Was ist denn noch?«
»Elias hat doch mehr Angst vor dem Eingriff, als ich dachte. Aber er hat versprochen, jetzt brav zu sein. Ich weiß, dass Sie der beste Kinderchirurg weit und breit sind. Bitte untersuchen Sie ihn.«
Diese Worte waren Wasser auf Volkers Mühlen. Er kostete diesen Augenblick weidlich aus. Endlich gab er sich einen Ruck.
»Sie haben Glück, dass ich heute meinen großzügigen Tag habe.« Wie ein König schritt er auf Annabelle zu. Ein paar Meter vor ihr machte er Halt und blickte von oben auf sie herab. »Ohne Untersuchung keine Operation. Wir verstehen uns?«
»Natürlich«, versicherte Annabelle und eilte voraus in Richtung Elias’ Zimmer.
Schwester Elena wollte ihr folgen, doch Lammers hielt sie mit einer entschiedenen Handbewegung davon ab.
»Das schaffe ich auch ohne Kindergärtnerin«, erklärte er und ging davon, ohne sich noch einmal nach ihr umzudrehen.
*
»Ich kann es kaum glauben, dass du wirklich an unsere Verabredung heute Abend gedacht hast.« Ein Glas Wein in der Hand stand Felicitas Norden in der Küche und musterte ihren Mann, der mit düsterer Miene am Tresen saß.
»Wenn ich gewusst hätte, dass ich zum Küchendienst eingeteilt werde, hätte ich es mir anders überlegt.« Tränen rannen ihm übers Gesicht. »Müssen die Zwiebelscheiben wirklich so dünn sein?«
»Sonst schmeckt das Gratin nicht.« Fee stellte den Wein weg und schwenkte eine Schale geschälter Kartoffeln durch die Luft. »Janni. Dési. Ihr werdet sehnsüchtig erwartet.«
Seit drei der fünf Kinder ausgezogen waren, hatte sich die Haushälterin Lenni einen anderen Wirkungskreis im Klinik-Kiosk ›Allerlei‹ gesucht. Fee begrüßte diese Entscheidung. Im Gegensatz zu ihrer Familie liebte sie die seltenen gemeinsamen Kochabende. Sie beschloss, die mürrische Miene ihres Mannes zu ignorieren und das Positive hervorzuheben.
»Ich finde es jedenfalls toll, dass wir alle zusammen Zeit haben.«
»Es geschehen noch Zeichen und Wunder«, unkte Janni, jüngster Sohn der Familie Norden, und rückte seine schwarzumrandete Brille zurecht. Er stand an der Arbeitsplatte und ließ seine Familie wieder einmal an seinem fundierten Wissen teilhaben.
»Sag das nicht zu laut!«, warnte seine Zwillingsschwester Dési. Sie saß neben ihrem Vater. »Sonst wird Mum oder Dad noch zu einem Notfall gerufen.«
Jan nahm sich Brettchen und Messer und begann akribisch, Kartoffelscheiben in hauchdünne Scheiben.
»Die Neigung, bedeutungsvolle Zusammenhänge in Ereignisse hineinzuinterpretieren, ist eine grundlegende biologische Eigenschaft des Menschen.« Wieder einmal machte er seinem Spitznamen alle Ehre. »Diese Eigenschaft lässt sich schon im Tierreich finden.«
»Interessant!« Nur mit Mühe gelang es Fee, ernst zu bleiben. »Können Sie uns das bitte genauer erklären, Herr Professor Norden.«
Großmütig überging Janni den spöttischen Unterton und konzentrierte sich wieder auf seine Arbeit. Er schob die Kartoffelscheiben auf den Teller, den seine Mutter ihm hinhielt, und griff nach der nächsten Knolle.
»Burrhus Skinner, ein amerikanischer Psychologe, gab hungrigen Tauben in unregelmäßigen Abständen Futter. Daraufhin suchten die Tiere instinktiv nach einem Grund für die überraschende Futtergabe und entwickelten abergläubische Verhaltensweisen«, erklärte er beiläufig.
Inzwischen war auch Daniel aufmerksam geworden.
»Die sich wie äußerten?«, hakte er interessiert nach und wischte sich mit dem Geschirrtuch die Tränen ab.
»Manche Tiere hatten zufällig immer dann auf einem Bein gestanden, wenn der Futtersegen hernieder regnete. Daraufhin begannen sie, vermehrt auf einem Bein zu stehen.«
»Das ist wirklich interessant«, erwiderte Fee. Sie hatte den ersten Teil der Kartoffeln abwechselnd mit den Zwiebeln in eine Form geschichtet. Während sie auf Nachschub wartete, hob sie ihr Glas an die Lippen.
Daniel hingegen musterte seinen Sohn mit gerunzelter Stirn.