Limoncellolügen. Gudrun Grägel

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Название Limoncellolügen
Автор произведения Gudrun Grägel
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783839267646



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      Dann wird’s gleich laut, denk ich und mir graust es vor den Gästen, die mit Sicherheit nicht fernzuhalten sind.

      »Adriano hat sie gebeten, ohne Sirene anzufahren.«

      »Gut mitgedacht, hoffentlich halten die sich auch dran«, unke ich skeptisch.

      Wir stürmen zum Pool, hinten im Garten. Von der Terrasse durch ein Rasenstück, Olivenbäume und eine Art Hecke aus Zitronenbäumchen abgeteilt. Gedämpfte Stimmen, kurze Blicke zu mir, aber im Grunde nimmt mich keiner richtig wahr. Vittorio und Francesca Rinaldi, Gretas Schwiegereltern, stehen mit verschränkten Armen hinter dem Grüppchen, das am Boden kniet. Gretas Mann Adriano, seine Schwester Mia und Niveo beugen sich über den Körper des jungen Mannes. Gestern Abend saß er noch auf der Terrasse. Ich hocke mich neben Adriano, schlucke, als ich in das blasse, leblose Gesicht schaue.

      »Buon giorno, Doro, kein schöner Anfang bei uns.«

      »Nee, echt nicht.« Ich leg kurz meine Hand auf seinen Arm und nicke Mia zu, dann wird mein Blick wieder magisch vom Gesicht des Toten angezogen.

      »Greta hat mich geholt«, sag ich leise, ohne meine Augen von der wächsernen Bleiche und den geschlossenen Lidern des jungen Mannes lösen zu können. Will damit sagen, dass ich nicht aus Sensationslust hier aufgetaucht bin.

      »Ja«, Adriano schielt zu seiner Frau, »Greta hat gemeint, du kennst dich mit so was aus.«

      Überrascht schau ich hoch.

      »Äh …?« Na toll! Mir fehlen die Worte. Nur weil ich letztes Jahr in diese merkwürdige Geschichte reingestolpert bin. Hätte ich ihr besser nicht erzählt.

      »Das Einzige, was ich weiß, ist, dass wir nicht zu viel hier rumtrampeln sollten. Vielleicht gibt’s Spuren.«

      »Was für Spuren sollen das sein?«, fragt Mia irritiert.

      »Keine Ahnung. Blut oder was weiß ich.«

      Alle schauen auf mich. Ich sag nichts mehr, checke die Leiche. Natürlich nur optisch. Sieht ziemlich lädiert aus.

      »Habt ihr getestet, ob er noch lebt?«, frag ich und bin schockiert bei dem Gedanken, dass wir hier blöd rumreden und der Mann vielleicht …

      »Ja, natürlich«, beruhigt mich Adriano. »Ich habe eine gute Erste-Hilfe-Ausbildung. Ist wichtig im Hotel. Ich habe versucht, ihn wiederzubeleben. Herzdruckmassage, beatmet … Aber es war zu spät. Die Augen … man hat gesehen, dass er tot ist. Ich habe sie geschlossen.«

      Er sagt das fast schuldbewusst. Ich drück kurz seine Hand, was soll ich auch sagen? Alles gut? Nix ist gut.

      »Und du hast ihn gefunden?«, wende ich mich an Niveo.

      Der nickt.

      »Und wo? Wie war das genau?«

      Niveo runzelt die Stirn. So, als würde mich das nichts angehen, entschließt sich aber doch zu einer Antwort.

      »Er trieb im Wasser, mit dem Gesicht nach unten. Ich hab ihn mit dem Blättersieb hergezogen und aus dem Wasser gehievt. War nicht leicht. Aber er war schon tot, ganz sicher.«

      »Du hast also nicht versucht, ihn wiederzubeleben?«

      Niveo läuft dunkelrot an. »Ich …«

      »Das ist kein Vorwurf«, schieb ich schnell nach. »Ich will nur wissen, was genau passiert ist.«

      Ich knie neben Adriano und versuche, mir ein Bild von dem Desaster zu machen. Ich mein, ein Toter im Pool, das ist schon eine Nummer.

      »Ich habe Adriano mit dem Handy gerufen. Da war kein Puls mehr, die Augen … da war nichts mehr.« Er schluckt.

      Extrem! Ist doch völlig normal, dass man fertig ist, wenn man nichts ahnend in aller Früh statt dem Poolreiniger eine Leiche im Schwimmbecken findet.

      »Okay, aber …«

      Der alte Rinaldi schiebt sich vor. »Basta, signorina!«, bellt er. »Was soll die Fragerei? Der Arzt kommt und die Polizei, die übernehmen das hier. Und Sie geht das nichts an!«

      Mann, was war das denn? Ich schau ihn entgeistert an. Kann ich doch nichts dafür, dass es hier einen Toten gibt!

      Greta baut sich vor ihrem Schwiegervater auf. Sie holt tief Luft und explodiert dann förmlich, auf jeden Fall wird sie ziemlich laut.

      »Wir müssen wissen, was passiert ist. Die Polizei wird sowieso nachforschen. Also warum soll Doro nichts fragen? Und außerdem hab ich auch eine Frage.« Jetzt nimmt sie Niveo ins Visier. »Du hast gestern Nachmittag mit diesem Mann gestritten. Um was ging es da?«

      »Wir haben nicht gestritten! Wir haben uns über den rücksichtslosen Autofahrer aufgeregt, der diesen Mann da«, Niveo zeigt auf den Toten, »von der Straße gedrängt hat. Hat ganz schön was abbekommen bei dem Sturz«, sagt Niveo und deutet auf die Schürfwunden am linken Arm und am linken Oberschenkel. Ich habe ihm abgeraten, Anzeige zu erstatten. Er hat keine Autonummer, und was soll das bringen?«

      Ach so, deshalb sieht der so lädiert aus, denk ich und seh das Bild vor mir jetzt mit anderen Augen.

      »Der Typ wollte heute …«

      »Der Typ heißt Julian Weigel, verdammt, er hat einen Namen!«, ruft Greta, und Hysterie schwingt in ihrer Stimme mit.

      »Genug jetzt! Haltet den Mund! Alle beide«, brüllt Gretas Schwiegervater.

      »Du«, er erdolcht Greta fast mit dem Zeigefinger, und seine Augen schießen böse Blitze, »du hast meinen Sohn geheiratet, du gehörst zur Familie, ob du oder wir das wollen oder nicht. Also halt den Mund. Wir alle leben vom Hotel und können keinen Ärger gebrauchen. Wir haben Gäste und die zahlen für erholsame Tage, verstanden?«

      Greta wird abwechselnd rot und blass und verstummt. Das war eine verbale Watschn in Reinform – die allerdings Gretas Hysterie im Keim erstickt. Ich steh auf und leg ihr solidarisch die Hand auf den Arm.

      Wir schweigen und warten. Aus der Ferne nähern sich Sirenen. Also doch. Wir tauschen einen resignierten Blick. Dann verstummt das Geheul und zwei Minuten später fährt ein Krankenwagen vors Hotel, gefolgt von den Carabinieri.

      »Sehr vernünftig, hätte ich eindeutig dagegen gewettet«, flüstere ich Greta ins Ohr.

      »Hier lebt jeder vom Tourismus«, sagt sie, als würde das alles erklären. Tut’s ja eigentlich auch, wie Rinaldi eben eindrucksvoll demonstriert hat.

      Die beiden Carabinieri lassen dem Arzt und den Sanitätern den Vortritt. Sie stellen sich zwei Meter abseits, unterhalten sich leise, zeigen hierhin und dorthin. Der Arzt steht auf und wendet sich an die Polizisten. Sie schauen zu dem Toten, reden. Einer der Beamten kommt zu uns rüber, spricht mit Gretas Schwiegereltern. Und mit Niveo. Der hat den Toten schließlich gefunden.

      Sie sprechen schnell, aber ich versteh das meiste. Jedenfalls erzählt Niveo von dem Unfall am Vortag, welcher die meisten der Schürfwunden am Körper erklärt.

      Der Carabiniere nickt. »Der Arzt stellt den Totenschein aus. Unfall. Vermutlich wollte der Mann ins Wasser springen, ist ausgerutscht und hat sich dabei den Kopf am Beckenrand gestoßen.« Er zeigt auf die Wunde am Hinterkopf des Toten.

      »Vielleicht wurde er bewusstlos und ist deshalb ertrunken.« Der Beamte zuckt mit den Schultern.

      »Trotzdem müssen wir die Unfallstelle untersuchen. Die Kollegen von der Spurensicherung werden gleich da sein.« Der Carabiniere schaut auf die Uhr.

      »Tut mir leid, ist ärgerlich für euch, aber wir beeilen uns. Wenn die Kollegen nichts Besonderes entdecken, kannst du deine Gäste nach dem Frühstück wieder an den Pool lassen«, sagt er zu Vittorio Rinaldi, Gretas Schwiegervater.

      »Danke, Mario.« Ein Handschlag unter Männern.

      Aha, man kennt sich.

      Mario Forti, seines Zeichens Capitano der Carabienieri, nickt den Sanitätern zu.

      Die holen die Trage, legen den Toten darauf,