Limoncellolügen. Gudrun Grägel

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Название Limoncellolügen
Автор произведения Gudrun Grägel
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783839267646



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      »Hmm.«

      »Könnten wir auch verschieben«, schlag ich vor.

      »Könnten wir.«

      Ich schau Vinc in die Augen. Wie meint er das jetzt? Ernst? Oder ist er beleidigt? Sauer?

      Er blinzelt ein paarmal. »Ich fänd’s gar nicht so schlecht«, sagt er dann. »Der Umzug war sauteuer, die Miete und so … Eigentlich passt Italien und Kohle verdienen besser als Australien und tauchen am Great Barrier Reef. Zum Glück haben wir noch keine Flugtickets.«

      Wie bitte? »Du wolltest doch auch …?«, frag ich leicht verunsichert.

      Hab ich ihn überrollt mit meiner Begeisterung? Quatsch! Vinc sagt schon, was er will. Er ist halt meistens ein bisschen vernünftiger als ich. Und es stimmt ja. Ebbe in unserer Kasse.

      »Und, kommst du mit? Ich mein, nach Italien.«

      »Was hast du denn gedacht? Du machst Urlaub am Gardasee und ich hüte die Wohnung und nuckel an den Weinflaschen vom letzten Jahr?« Vinc schlingt die Arme um mich, sein Kuss schmeckt nach Wein und Oliven. »Allerdings kann ich erst in zwei Tagen. Fahr du mit dem Auto voraus, ich komm mit Fredis Motorrad nach.«

      »Hast du dich mit Greta abgesprochen?«

      »Mit Greta? Was meinst du?«

      »Tja, so schnell, wie du alles regelst …« Ich zieh die Augenbrauen hoch.

      »Glaubst du, nur du kannst spontan sein?«, fragt Vinc herausfordernd. »Aber im Ernst. Fredi hat ne Knieoperation hinter sich, Fußballunfall, und hat mich letzte Woche gefragt, ob ich seine Suzuki ausleihen will. Ab Montag kann ich sie haben, und ich hab mich eh schon gefragt, wann wir damit losziehen. Ich würde sagen, das ist die Gelegenheit. Also nimm deine Motorradklamotten mit.«

      »Perfetto«, übe ich mich schon mal im Italienischen und wähle Paps’ Handynummer.

      Vinc verzieht sich in die Küche. »Trinkst du noch ein Glas?«, ruft er von dort.

      »Rat mal«, ruf ich zurück.

      »Danke, das war mein Ohr«, beschwert sich Paps am anderen Ende der Leitung.

      »Tschuldigung, war nicht für dich bestimmt«, sag ich zu ihm.

      »Hast du was vergessen oder suchst du Rambo?«

      »Weder noch. Ich kann eine Weile nicht bei dir kochen …«, komm ich ohne Umschweife zum Punkt.

      »Was ist es diesmal?«, fragt Paps spöttisch.

      Er ist nicht sauer. Anscheinend tut ihm Lollo wirklich gut.

      »Witzig find ich das eigentlich nicht«, schiebt er trocken hinterher.

      »Hallo? Kannst du meine Mimik hören?«

      »Nicht nötig. Ich kenn dich seit 26 Jahren.«

      »Dein Punkt«, geb ich mich geschlagen und erklär ihm die Lage.

      »Ja, dann rette das Hotel deiner Freundin oder ihr Leben oder was auch immer … Aber du weißt ja: Rezepte, Gewürze, Ideen.«

      »Ich weiß. Und ein paar Fläschchen Vino. Beste Qualität. Ich schau mich um. Und danke, Paps.« Ich schick einen dicken Schmatzer durch den Äther.

      »Danke, das war wieder mein Ohr. Und … ich dich auch«, lacht Paps.

      Eine verfrühte Sternschnuppe zieht ihre Bahn und verglüht am milchigen Nachthimmel.

      »Hast du gesehen?«

      Vinc tippt gerade an seinem Handy rum. »Was?«, fragt er, ohne hochzuschauen.

      »Die Sternschnuppe. Ich darf mir was wünschen.«

      »Also, ich wünsch mir, dass du jetzt endlich herkommst und Ruhe gibst«, brummt Vinc und legt sein Handy zur Seite. »Außerdem ist es viel zu früh für ne Sternschnuppe, war vermutlich nur ein Flugzeug.«

      »Bist ja nur neidisch. Tja, blöd, dass du die Sternschnuppe nicht gesehen hast, gell. Aber manche Wünsche gehen trotzdem in Erfüllung«, tröste ich ihn und kuschel mich zu ihm auf die Hollywoodschaukel.

      Kapitel 2

      Lago di Garda – Wo Benacus und Phillis sich treffen

      Domenica (Sonntag) – 26. August

      Nachts, 22 Uhr

      Nicht viel los auf der Autobahn. Langsam werd ich echt müde. Na immerhin, Bozen liegt schon hinter mir. Im Radio dudelt ein italienischer Sender, auf dem Beifahrersitz kein Vinc, nur Jacke, Handtasche und eine halb leere Wasserflasche. Ich gähne hinaus in die Dunkelheit. Eindeutig, die Tage werden kürzer. Noch ne knappe Stunde. Mann, ich krieg bald ne Kiefersperre vor lauter Gähnerei. Vielleicht mach ich doch ne kurze Pause. Vor Rovereto gibt’s eine Raststätte … Toilette und Espresso … hört sich gut an, beschließe ich und gähne weiter. Ohne schlechtes Gewissen, denn zum Glück kann sich die Jacke nicht beschweren, von wegen Gähnen ist ansteckend … So wie Vinc das macht, wenn er fährt und ich auf dem Beifahrersitz diverse Geräusche von mir gebe.

      Nach zehn Minuten im gemächlichen 120-km/h-Schleichgang – für meinen Rennschlitten fast maximale Obergrenze – seh ich das Hinweisschild. Ich setze den Blinker, eine Menge LKWs, wenig PKWs. Direkt vor dem Eingang der Raststätte gibt’s genügend freie Parkplätze. Drinnen ist es ruhig. Ich gönn mir einen Coffee to go, also richtigen Kaffee, keinen Espresso, was hier üblicherweise unter Caffè läuft, und trolle mich mit dem Pappbecher nach draußen. Hab die Wahl zwischen Tankstelle und LKW-Stellplatz. Echt ne öde Angelegenheit, nachts alleine hier, mit nem Kaffee im Pappbecher … Hätt doch nur einen schnellen Espresso nehmen sollen. Egal. Der restliche Kaffee landet samt Becher im Mülleimer, ich setz mich ins Auto und aktiviere das Navi. Neu. Haben wir uns gegönnt, nachdem das alte jedes Mal gestreikt hat, wenn wir es gebraucht hätten. Eigentlich unnötig für die Strecke, gleich nach Riva schalt ich’s wieder aus.

      Die Illusion, Kaffee weckt die Lebensgeister, widerlege ich mit Gähnerei Teil zwei. Egal. Bin ohnehin gleich da. Kurze WhatsApp an Greta, sie stellt schon mal die Weingläser bereit, schreibt sie … links von mir glitzert der Benaco, die Lichter des gegenüberliegenden Ufers funkeln um die Wette. Ich liebe das. Urlaubsgefühle trotz Arbeitseinsatz. Seitlich strahlen Scheinwerfer eine Art Hängebrücke an. Ist mir noch nie aufgefallen. Neu? Muss ich mir bei Gelegenheit mal genauer anschauen. Die letzten Tunnel vor Limone. Limone, der Sage nach Sohn von Gott Benacus und der Nymphe Phillis, wurde nach einem tödlichen Jagdunfall vom göttlichen Papa wiederbelebt und lebte von da ab … ja, eben am westlichen Ufer des Lacus Benacus, wie der alte Lateiner sagt. Vater und Sohn gaben See und Ort seine Namen und Stoff für eine schöne Legende – und Stoff für eine lateinische Übersetzung dieser Sage. Ich muss grinsen, wenn ich daran denke, wie der Wiesmüller – Lateinlehrer und armer Tropf, den das Los der 10c getroffen hatte – die Legende von Benacus übersetzt hat. Extra für uns, einem Haufen hoffnungsloser Lateinfälle, weil er dachte, uns damit zu begeistern. Haha. Ich glaub, so ne Geschichte hätt’s nicht gegeben …

      Damals war Greta in meiner Klasse … Greta, Miriam, Anna, Lisi, Felli und ich. Mädelsclique, Greta und ich vielleicht einen Tick enger, aber beide nicht der »Bestefreundinnentyp«. Nach dem Abi haben wir uns aus den Augen verloren. Greta. Hat mich letztes Jahr eingeladen, ins Hotel Magdalena, und mir stolz ihre Familie präsentiert. Haben alte Zeiten bequatscht. Das kommt davon. Jetzt soll ich die Küche übernehmen. Vorübergehend. Okay, kein Problem. Die haben, glaub ich, 20 Doppelzimmer und zwei Familienzimmer, das pack ich locker. Mit dem Hilfskoch, wenn der nicht querarbeitet … Ah, da geht’s hoch zum Hotel. Vorsichtig umfahre ich einige Nachteulen, manche sichtlich weinschwer. War ich gerade noch müde? Voll fit, würd ich sagen! Ich freu mich. Auf Greta, auf die Arbeit, auf Italien. Motorradtouren mit Vinc.

      Die schmale Straße zum Hotel gabelt sich, wird enger, Via E. de Nicola, das ist es. Rechts Silhouetten von Olivenbäumen in der spärlichen Straßenbeleuchtung, die laue Luft durchs offene Autofenster, vorne links das Hotel. Ich stelle Vinc’ mintmetallicfarbenen Luxusschlitten, seines Zeichens Opel Corsa B, Baujahr