Festbierleichen. Uwe Ittensohn

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Название Festbierleichen
Автор произведения Uwe Ittensohn
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783839267400



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Dabei dehnte sie das Wort »das« und zeigte wieder ihre weißen Zähne.

      »Wir werden hier alles umgestalten, damit jeder sieht, für was wir stehen.« Dabei klickte sie, und es erschien eine animierte Außenansicht der Brauerei, die den Anstrich des Gebäudes in ein leuchtendes Pink übergehen ließ.

      »Wir brauchen Visibility!«, sagte sie, als würde sie einen Schlachtruf ausstoßen. »Influencer, die uns mit den richtigen Social Clips viral gehen lassen. Wir leben in einer disruptiven Welt, in der wir nur durch Real-Time-Marketing unsere User auf eine herausragende Customer Journey mitnehmen. Wir müssen dabei agil und customer centered vorgehen. Wir verkaufen unser Produkt nicht mehr über die Theke, sondern für unser Female Fun gilt: mobile first und Convenience first. Das erste Bier, das man customized direkt übers Netz bezieht.«

      Jonny Braunleitner war der Erste, der nach Vermeulens Vortrag zu klatschen begann. »Bravo, das ist es«, rief er verzückt lächelnd.

      Sassari folgte dem Beispiel seines Chefs. »Das wird unseren Profit in ungeahnte Höhen schießen lassen«, sagte er dauernickend. Dabei gab er dem Klang des Wortes »Profit« eine amerikanische Note.

      Hildegard, die mit einem Gesichtsausdruck, als würde man ihr gerade ohne Narkose ein Bein amputieren, dem Vortrag Vermeulens gefolgt war, schob ihre Papiere zusammen, stand auf und verließ wortlos den Raum.

      Die Gesichtsfarbe des Braumeisters war mittlerweile in ein ungesundes Violettrot übergegangen. »Ihr kennt’s eich an andern Deppen suachn. I mach den Scheiß nimma lenga mit«, brummte er, stand auf und verließ ebenfalls benommen schwankend den Raum.

      Der alte Braunleitner vergrub stumm das Gesicht in den faltigen Händen. Quirin wurde von Mitleid für seinen Großvater übermannt.

      Showtime

      Samstag, 8. Juni 2019, 10.55 Uhr

      Und wieder hallte das Klatschen der rund 100 Handpaare von den kahlen Wänden des Foyers der Postgalerie, einer Einkaufspassage im Herzen von Speyer. Hier fand offiziell die vom Verkehrsverein und vom Dirndl- und Lederhosenkomitee organisierte Vorauswahl unter den fünf Bewerberinnen für das Amt der Brezelkönigin statt. Das Quintett war eingeladen, damit die Jury und die Speyerer prüfen konnten, ob sie auch wirklich die Voraussetzungen erfüllten. Jeder wusste, dass es eine reine Promotion-Veranstaltung war, die Interesse wecken sollte, am 13. Juli im Bierzelt auf dem Brezelfest bei der Endauswahl dabei zu sein.

      Die bedirndelten jungen Frauen, die nebeneinander auf der Bühne standen, lächelten artig. Nur in Irinas Gesicht erstarb das Lächeln allzu schnell. Sie fühlte sich unwohl. Unsicher zupfte sie am Ausschnitt ihres Dirndls. Ihr Blick suchte Johanna, die sie begleitete. Warum nur hatte sie sich von ihr breitschlagen lassen, bei diesem Wettbewerb mitzumachen – sie, die Russin und damit eine völlige Außenseiterin.

      Johanna schmunzelte und bedeutete Irina, mit an die Mundwinkel gelegten Zeigefingern, zu lächeln. In Irina keimte Zorn auf. Johanna war ein Profi. Vor einem Jahr war sie Karnevalsprinzessin gewesen und hatte Irina nach ein paar Aperol Sprizz überredet, sich für das hier zu bewerben.

      Die hat gut reden, dachte Irina. Sie ist hübsch, hat eine gute Figur, und das Lächeln ist ihr geradezu ins Gesicht gewachsen. Dazu hat sie Charme.

      Sie selbst hingegen war alles andere als ein Showgirl, sie war dünn, zierlich, ernst und eher zurückhaltend. Am liebsten würde sie von der Bühne schleichen und einfach abhauen.

      Sie warf Johanna einen leidenden Blick zu. Die rollte mit den Augen. Sie konnte das Zaudern ihrer Freundin ganz und gar nicht nachvollziehen.

      In diesem Augenblick löste sich eine kleine Gruppe um Johanna aus dem Publikum. Offensichtlich wollten sie ihre Einkäufe fortsetzen und nicht weiter zuschauen. An ihre Stelle schoben sich zwei bekannte Gestalten – André Sartorius und Frank Achill.

      Irina erlebte ein Wechselbad der Gefühle. Einerseits freute sie sich über den unerwarteten Beistand, hatte sie doch bewusst ihre Teilnahme vor den beiden verheimlicht. Andererseits war nun jede Flucht ausgeschlossen. Sie war viel zu stolz, um ihnen gegenüber ihre Schwäche einzugestehen. Sie hatte sich diese Suppe selbst eingebrockt und würde sie nun auch auslöffeln. Und das, obwohl sie sich sicher war, auf dem letzten Platz zu landen.

      Der Moderator kündigte unter dem Beifall des Publikums an, dass die Kandidatinnen nun ihr Geschick im Brezelteigschlingen unter Beweis zu stellen hatten. Irina stöhnte innerlich auf.

      *

      »Immerhin warst du die Schnellste beim Teigschlingen«, sagte André und klopfte Irina anerkennend auf die Schulter.

      »Wir Russen sind eben das Arbeiten noch gewohnt.« Sie lächelte befreit, man konnte ihr ansehen, wie erleichtert sie war, weitab vom Trubel der Postgalerie nun hier mit André und Frank im gemütlichen Berzelhof-Café zu sitzen. André hatte wie immer einen guten gastronomischen Riecher bewiesen, als er sie in diesen von historischen warmroten Sandsteinmauern umgebenen Innenhof geschleppt hatte. Jetzt, im Frühsommer, wo die Bienen ihre Saugrüssel in die engen Lippenblüten der Lavendelrispen zwängten oder sich auf den fast handtellergroßen roten Blüten des türkischen Mohns tummelten, gab es keinen romantischeren Ort in der Altstadt.

      »Und wie ging die Sache mit dem Finger weiter?«, wechselte Irina das Thema und sah erwartungsvoll zu Frank.

      Der räusperte sich. Er tat sich schwer, mit Dritten über laufende Ermittlungen zu sprechen.

      »Na ja«, begann er stockend, »der Finger wurde, wie vermutet, ans Ufer getrieben. Die Kollegen der Rechtsmedizin haben herausgefunden, dass er wohl schon etwa 20 Stunden im Rhein gelegen haben muss, ehe ihn Johannas Hund dem Jungen vor die Füße gelegt hat.«

      André rieb sich das Kinn. »Bei einer Fließgeschwindigkeit von sechs Kilometern pro Stunde, die der Rhein in unserem Flussabschnitt hat, könnte das bedeuten, dass er rund 120 Kilometer rheinaufwärts in den Fluss geworfen wurde. Also so etwa bei Straßburg.«

      Achill stieß Luft durch die Lippen. »Du kannst es aber auch nicht lassen, dir unseren Kopf zu zerbrechen. Als du letztes Jahr meintest, dich in die Polizeiarbeit einmischen zu müssen, hätte dich das beinahe das Leben gekostet.«

      »Einmischen?«, hob André an, verstummte aber sofort wieder. Er wusste, wie es seinen Freund noch immer wurmte, dass es André gewesen war, der überhaupt erst auf die Mordserie aufmerksam geworden war. Achill hatte damals seiner Theorie zu spät Glauben geschenkt und dabei das Leben eines Opfers aufs Spiel gesetzt.

      »Könnte es nicht sein, dass der Finger schon in oder kurz vor Ludwigshafen in den Rhein gefallen ist, am Ufer hängen blieb und erst durch ein vorbeifahrendes Schiff losgerissen wurde? Also auf die gleiche Weise, wie er an der Parkinsel angeschwemmt wurde?«, führte Irina Andrés Gedanken fort.

      »Jetzt fängst du auch noch an zu spekulieren. Seid ihr beide denn noch zu retten?«, brummte Achill resigniert.

      »20 Stunden? Das heißt, der Finger wurde am Donnerstag so gegen 23.00 Uhr in den Rhein geworfen. Es war also dunkel, eine passende Zeit, um Leichenteile zu entsorgen«, machte André weiter.

      »Es handelt sich dabei nicht um ein Leichenteil, deshalb werde ich möglicherweise diesen Fall auch wieder los«, sagte Achill hart, als wolle er damit die Diskussion beenden.

      »Wie, was? Wieso kein Leichenteil?«, fragte Irina unbeirrt weiter.

      »Weil der Finger nicht post mortem abgetrennt wurde. Der Eigentümer hat noch gelebt, als er ihn verlor. Es kann also auch ein harmloser Unfall gewesen sein. Und ihr habt euch umsonst den Kopf zerbrochen.«

      »Verlor?«, flötete Irina lachend. »Das hört sich irgendwie harmlos an. Der Eigentümer wird ja wohl kaum im Fundbüro anfragen.«

      »Nein, wird er nicht, der Finger wurde wohl mit einer Zange oder schweren Schere abgeschnitten, und er gehörte zur rechten Hand eines Asiaten, hat die Rechtsmedizin herausgefunden. So, jetzt wisst ihr alles und könnt mich endlich in Ruhe lassen. Die Kollegen sind gerade dabei, sämtliche Krankenhäuser und Chirurgen zwischen Straßburg und Ludwigshafen abzutelefonieren. Sie werden bestimmt