Festbierleichen. Uwe Ittensohn

Читать онлайн.
Название Festbierleichen
Автор произведения Uwe Ittensohn
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783839267400



Скачать книгу

blickte ihm kopfschüttelnd hinterher und warf die ramponierten Schuhe in die Mülltonne.

      »Aber in ein anständiges Restaurant«, murmelte er in ihre Richtung.

      »Aber selbstverständlich, der Herr. Seit du bei McDonald’s nach dem Ober gerufen hast, bin ich vorsichtig geworden. Schließlich hab ich einen Ruf zu verlieren. Wäre der Kardinal für einen Agenten Ihrer Majestät angemessen?«

      *

      »Du willst heute wohl gar nicht nach Hause, alter Freund. Und das, obwohl Sonntag ist. Hast du etwa Streit mit deiner Karin?«, sagte die Stimme am anderen Ende der Leitung mit gespielter Fürsorglichkeit.

      Wie gebannt starrte Berger aufs Display des Festnetzapparates. »Anonymer Anrufer«, stand dort zu lesen. »Aber woher wissen Sie, dass ich noch arbeite«, stammelte er und spürte, wie es ihn trotz der warmen Temperaturen kalt überlief.

      »Ich sehe alles, was du treibst, mein Freund. Und dass dein Auto das letzte auf dem Hof ist, sehe ich auch. Beeil dich, deine Karin wartet schon.«

      Berger schluckte trocken. Der Gedanke, dass ihm dieser Russe so nahe war, ließ ihn erneut erschaudern. Ängstlich blickte er aus dem Fenster. Wo, um alles in der Welt, saß dieser Typ, dass er ihn so gut beobachten konnte? Er musste morgen unbedingt die Jalousien geschlossen halten, durchzuckte es ihn.

      »Was wollen Sie von mir?«, stieß er mit zittriger Stimme hervor.

      »Ich will wissen, ob du dich an unsere kleine Abmachung hältst. Oder ob du lieber morgen die Reste deiner Tochter im Wald verscharren willst, wie du es mit diesem Kater getan hast. Er war übrigens sehr weinerlich, als ich ihm die Beinchen abgeschnitten habe. Fast so wie du bei deinem Finger. Ich bin gespannt, wie es bei deinem Töchterchen sein wird. Man sagt, Frauen seien nicht so wehleidig.« Der Anrufer lachte schmutzig.

      Berger schluckte. Nur mit Mühe konnte er den Brechreiz, der sich in ihm breitmachte, unterdrücken.

      »Ich… ich werde es machen«, stammelte er.

      »Gut so, mein Freund. Ich mag Leute, die zu ihren Zusagen stehen.«

      Berger nickte, als säße ihm der Russe gegenüber und könnte es sehen.

      »Dann wie vereinbart am 9. Juli um 2.00 Uhr. Das Tor muss offen sein, wenn wir kommen. Und du bist alleine. Hast du verstanden! Alleine! Und wenn ich die Bullen auch nur vermute, besuch ich dich zu Hause. Und niemand wird dir helfen können. Selbst wenn du dir irgendwie Polizeischutz erbetteln solltest, wird er irgendwann enden. Und dann werde ich oder ein Kollege da sein. Versprochen.«

      In Bergers Speiseröhre stieg Magensäure auf, die sich ätzend Richtung Kehle schob. Er war sich sicher, dass der Russe ernst machen würde, zu deutlich waren die Zeichen, um an dessen Brutalität zu zweifeln.

      »Aber der Nachtwächter …«, presste er mit dem Mut der Verzweiflung heraus.

      Der Anrufer lachte. »Hast du etwa Angst vor diesem Frührentner, der sich nachts in eurem Pförtnerhäuschen zu Tode langweilt und die halbe Zeit schläft, wenn er nicht gerade seine Runden laufen muss?«

      Wieder wurde Berger bewusst, wie gut der Fremde die Abläufe in der Brauerei kannte. Er musste das Werksgelände gründlich beobachtet haben.

      »Ja, also nicht direkt, aber er könnte dazwischenfunken«, bemühte sich Berger, wenigstens einigermaßen so zu wirken, als sei er Herr der Lage.

      Wieder lachte der Russe.

      »Dann musst du ihn eben ins Reich der Träume schicken. Oder soll ich ihn für dich umlegen?«

      »Nein, ich kümmere mich um ihn«, beeilte sich Berger zu sagen. Er hatte sich bereits den Dienstplan organisiert und war sich sicher, dass es der von dem Anrufer erwähnte Mann war, der in der Nacht vom 8. auf den 9. Juli Dienst schob. Er kannte ihn schon jahrelang. Auf keinen Fall wollte er riskieren, dass er bei dieser Sache zu Tode kam.

      »Ich werde ihn mit K.O.-Tropfen …«, begann Berger.

      Der Russe lachte. »Was für ein todsicherer Plan«, kommentierte er hämisch. »Weißt du auch, wo du sie herkriegst?«

      »Ja, also eher nein.«

      »Was für ein Schwachkopf du doch bist, Berger. Geh in der Neckarstadt in die Grosny-Bar und frag nach Dimitri, der wird dir was geben. Aber sei brav, Dimitri ist nicht so gutmütig wie ich.«

      »Danke«, sagte Berger naiv und bereute es sogleich.

      »Gern geschehen, mein Freund«, antwortete der Russe.

      Mahlzeit

      Montag, 8. Juli 2019, 11.55 Uhr

      »Mahlzeit!«, dröhnte Hubert Bollinger, Chef eines kleinen Bauunternehmens aus Frankenthal, als er die Baustelle im Mannheimer Jungbusch verließ, um sich drei Fleischkäsebrötchen von der Tankstelle zu besorgen.

      Der massige Harald Ochsner, aufgrund seiner Körperfülle nur »de Ochs« genannt, ließ sich wie ein Sack Kartoffeln auf einen umgedrehten Mörtelkübel fallen. Dabei fixierten seine glänzenden Schweinsäuglein gierig den dicken in Butterbrotpapier eingewickelten Batzen. Wie jeden Tag enthielt er drei doppelte Frühstücksbrote, die üblicherweise mit Leber- und Griebenwurst belegt waren.

      Seine Kollegen Deniz Yildiz und Zoltan Sovič, den alle wegen seines fliehenden Kinns nur »die Ratte« nannten, beobachteten ihn feixend.

      Ochsner befeuchtete mit der Zunge seinen dreckstarrenden Daumen, um die dünnen Enden des Papiers besser fassen zu können. Seine Frau, eine tüchtige Pfälzer Hausfrau, legte großen Wert darauf, die Brote gleich in mehrere Lagen Pergamentpapier einzuschlagen, schließlich sollte ihr Harald die Pfälzer Hausmacherwurst frei von Baustaub und Zement genießen können. Mit verzücktem Lächeln wickelte er das Papier auseinander. Dabei leckte er sich mehrfach voller Vorfreude die Lippen. Er merkte nicht, wie Sovič seinem Kollegen Yildiz verschwörerisch den Ellbogen in die Rippen rammte.

      Ochsner war bei der letzten Lage Papier angekommen. Er hob das Papierende an und starrte stumm und mit offenem Mund auf die nun vor ihm liegenden doppelten Brote.

      Yildiz und Sovič, die jede seiner Bewegungen beobachtet hatten, grinsten wölfisch.

      Ochsner reagierte wie in Zeitlupe. Zuerst schienen sich seine Schweinsäuglein ein paar Millimeter aus den Augenhöhlen zu schrauben. Seinem Gesicht entwich jegliche Farbe, als würde sie durch den kurzen Hals in den massigen Körper ablaufen. Dann schloss sich seine riesige Pranke, die annähernd die Ausmaße einer Bratpfanne hatte, um die Frühstücksbrote und drückte alles, Brot, Blut- und Leberwurst, zu einem zähen Klumpen zusammen.

      »Ihr dreggisches Lumbekoores, ihr Saubeitel. Wo hännen ihr dän g’funne?«, tobte er und schleuderte den dicken Klumpen mitten in Sovičs Visage. Trotz der groben Attacke grölte Sovič vor Lachen. Yildiz stieß ihm in die Seite und wieherte, als müsse er demnächst ersticken.

      Das verklumpte Etwas, das einmal Ochsners Mittagessen hätte werden sollen, zerfiel in zahllose undefinierbare Brot- und Wurstfetzen. Nur ein Fragment hatte seine Form erhalten und fiel in Sovičs Schoß. Ein blau angelaufener, wächsern wirkender menschlicher Finger.

      *

      »In de nächstn Dog soi a große Lieferung Bierdos’n füa Russland naus, woast du wos dafo?«, fragte Quirin und biss genussvoll in sein Brötchen.

      »Hab davon gehört. Der Typ aus der Buchhaltung hat das wohl gemanagt, hat mir eine vom Vertrieb erzählt. War wohl angefressen, weil ausgerechnet der Buchhalter einen Neukunden aufgerissen hat«, erwiderte Irina und starrte auf das Brötchen in ihrer Hand.

      »Und?«, brummte Quirin.

      »Und? Und? Das ist eine gewaltige Kalorienbombe. So wie das aussieht, hat allein dafür ein komplettes Schwein sein Leben lassen müssen. Wie kann man so was essen?«

      »Is a a Rind drin. Muasst hoid dei Mei weit gnua aufmach’n.«

      »Wegen des Rinds?«

      »Na,