Urban Fantasy: going intersectional. Группа авторов

Читать онлайн.
Название Urban Fantasy: going intersectional
Автор произведения Группа авторов
Жанр Ужасы и Мистика
Серия
Издательство Ужасы и Мистика
Год выпуска 0
isbn 9783947720644



Скачать книгу

die ihr miteinander teilt. Lasst uns Grenzen sprengen und das, was »mensch erzählen kann«, noch einmal ganz neu denken.

      Denn es ist an der Zeit, dass wir uns einschreiben in die deutsche Fantasyliteratur, die für unser Verständnis einer diversen Gesellschaft immer noch viel zu weiß ist, viel zu alt, viel zu heteronormativ und privilegiert.

      Gleichzeitig möchten wir nicht von Diskriminierungen betroffene Leser*innen einladen, sich für die Thematik der Intersektionalität zu sensibilisieren.

      Euch allen viel Spaß beim Lesen!

      Aşkın-Hayat Doğan & Patricia Eckermann Berlin und Köln im November 2020

      n

      Isabella von Neissenau

      Sie wünschen?«

      Für einen Augenblick überlegte Alena einfach weiterzulaufen, doch sie erinnerte sich an die Worte ihrer Schwester, dass sie als Frau höflich zu sein hatte. Mit gezwungenem Lächeln blieb sie stehen und musterte den schmächtigen Pförtner in seiner etwas zu großen Uniform. Tiefe Augenringe dominierten sein müdes, faltiges Gesicht und passten gut zum gelangweilten Ton seiner Stimme. »Sind Sie Frau Schäfer?«

      Alena ging ein paar Schritte auf seine Kabine zu, zog ihr kurzes Kleid gerade und überprüfte flüchtig ihr jugendliches Aussehen im Glas der Trennscheibe. »Ja, ich suche Dr. Hochwart.«

      Der Mann betrachtete sie skeptisch von oben bis unten und kontrollierte ihren Ausweis, bevor er widerwillig lächelnd den Gang hinunter deutete. »Einmal um die Ecke, dann die letzte Tür links.«

      Ein gehauchtes Dankeschön später ging Alena tiefer in das Gebäude des Berliner Kriminaltechnischen Instituts. Mit seinen blassgrünen Böden, weißen Wänden und automatischen Türen erinnerte es unweigerlich an ein Krankenhaus und auch die sterile, metallisch riechende Luft unterstrich dieses Bild. Die junge Frau passte hingegen mit ihrer dunklen Schminke, ihrem Kleid in warmen Rottönen und ihrer teuren Handtasche kaum in die kalten Räume, doch Alena genoss diesen Kontrast. Selbstbewusst schritt sie an den Angestellten des Instituts in ihren weißen Kitteln vorbei, bis sie das Büro von Dr. Hochwart erreichte. Durch ein offenstehendes Fenster war der kleine Raum unangenehm kalt, doch Alena kümmerte sich wenig darum und schlug demonstrativ ihre unbekleideten Beine übereinander, während sie vor dem Schreibtisch der fülligen Ärztin Platz nahm.

      »Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie auf das Hilfegesuchen der Polizei geantwortet und uns bei der Identifizierung des Opfers geholfen haben. Aber ich kann mir trotzdem beim besten Willen nicht erklären, wie der Staatsanwalt Ihrem Anliegen zustimmen konnte,« begann Dr. Hochwart und rückte dabei ihre modische Brille zurecht. »Haben Sie sich das wirklich gründlich überlegt?«

      »Ja«, entgegnete Alena knapp und beugte sich nachdrücklich nach vorne. »Ich will die Leiche meiner Schwester sehen!«

      Die Ärztin nickte nachdenklich, öffnete suchend zwei Schubladen und reichte ihr schließlich aus der dritten eine Aktenmappe mit einigen Fotografien. »Wie Ihnen glaube ich bereits erklärt wurde, hat der Täter ihre Schwester schrecklich verstümmelt. Ich will Sie nicht bevormunden, aber vielleicht ist es besser, wenn Sie ihre Schwester so in Erinnerung behalten, wie sie zu Lebzeiten war.«

      Alena schob die Mappe sofort zurück. »Ich bin nicht hier für Fotos«, zischte sie wütend, auch wenn ihre verstorbene Schwester diesen harschen Ton als unweiblich verurteilt hätte.

      Die Ärztin seufzte leise, während sie aufstand und resigniert zur Tür ging. »Bitte folgen Sie mir.«

      Wieder führte der Weg durch die sterilen Gänge des Kriminaltechnischen Instituts, doch dieses Mal ging es zum Fahrstuhl. Im zweiten Untergeschoss zog sich Dr. Hochwart dann Kittel, Haube, Mundschutz und Handschuhe über und Alena tat es ihr gleich. Immer wieder zupfte sie im Laufen an dem blassgrünen, unförmigen Outfit, das bis auf ihre roten Schuhe ihre figurbetonte Kleidung vollständig verbarg. Deren Absätze hallten dafür umso lauter durch die unterirdische Leichenhalle, bis Dr. Hochwart schließlich einen der Räume aufschloss und Alena hineinführte.

      Regale mit medizinischen Utensilien und unleserlich beschrifteten Schubladen pressten sich hier zwischen nicht weniger als fünf Waschbecken. Auf den Anrichten darüber lagerten grell-gelbe Schläuche und ganze Wannen mit Desinfektionsmittel. Doch Alena schenkte den Gerätschaften der Gerichtsmedizin kaum Beachtung. Ihr Blick haftete starr auf der humanoiden Form, die unter einer schwarzen Plane auf der mittleren von drei metallenen Liegen lag.

      Dr. Hochwart legte ihr beruhigend die Hand auf die Schulter. »Ich weiß nicht, warum Sie sich das antun, aber noch können Sie es sich anders überlegen.«

      Mit einem kleinen Ruck befreite sich Alena von der Hand der Ärztin und schüttelte nur wortlos den Kopf. Dr. Hochwart seufzte ein weiteres Mal und zog langsam die Plane bis zu den Schultern der Verstorbenen zurück.

      Das Gesicht von Prinzessin Iloris Torell, dem aufgehenden Stern, der Dritten ihres Namens und Generälin der geflügelten Ritter war entstellt. Ihre Ohren waren abgeschnitten, die Augen nur noch leere Höhlen und tiefe Schnitte zeichneten Runen in ihre Haut. Alena flüsterte eine Grußformel in der ältesten aller Sprachen, während ihr Blick ruhig über die einst vollkommenen Züge ihrer Schwester schweifte. Wer kann dir das angetan haben?, dachte sie und erinnerte sich, wie Iloris und sie sich einst Riesen und Trollen entgegenstellten und selbst in die Tiefen der jenseitigen Höllen vorgedrungen waren. Sind wir so schwach geworden?

      Während Alena noch in Erinnerungen versunken auf ihre Schwester starrte, machte sich Dr. Hochwart bereits daran, den Leichnam wieder zuzudecken. Alena sah das nur aus dem Augenwinkel und doch hielt sie blitzschnell die Hand der Ärztin fest.

      »Frau Schäfer, Sie haben Ihre Schwester jetzt gesehen und das muss reichen!«, rief Dr. Hochwart energisch und wollte noch etwas hinzufügen, doch als die Haut von Alena zu flimmern begann, hielt sie inne. Stumm und verwirrt starrte sie auf die junge Frau vor sich, während Alena sich auf die Ley-Linien, das immer schwächer werdende magische Skelett der Welt, konzentrierte. Unter der Erde fiel es ihr leichter sie zu spüren und doch waren sie fast gänzlich verschwunden. Nur wenige Funken vermochte sie zu sammeln und formte sie zu einer schimmernden Schlange, die ihre Fangzähne in der Ärztin versenkte und sie in einen traumlosen Schlaf versetzte. In ein paar Stunden würde sie erwachen und sich an nichts erinnern was seit Sonnenaufgang geschehen war. Alenas Arbeit konnte beginnen.

      Langsam enthüllte sie den geschundenen Leib ihrer Schwester und begann mit ihren Fingern über die blutigen Runen zu fahren, die am ganzen Körper in ihre Haut geschnitten waren. Alenas prüfender Blick suchte nach Kampfwunden von Waffe oder Zauber, doch sie entdeckte nichts außer schwarzen Äderchen an der Kehle ihrer Schwester. Wer immer der Täter war, hatte aber zumindest durch die abgeschnittenen Ohren und die ausgestochenen Augen sichergestellt, dass kein menschlicher Arzt ihre wahre Identität sofort bemerken würde. Oder aber der Täter hatte sie als Trophäen an sich genommen. Alenas Gedanken rasten um längst vergessene Schrecken, die gegen Iloris auf Rache sinnen könnten. Immer wieder schlug sie wütend mit der Faust auf die metallene Liege. Das Material bog sich unter ihrer Kraft und der Körper ihrer Schwester erzitterte.

      »Wer hat dir das angetan?«, brüllte Alena mit aller Kraft, doch die Lippen ihrer Schwester blieben versiegelt und hallten ungehört von den kalten Wänden wider. »Wer wagt es uns anzugreifen?«, wiederholte sie ihre Frage, doch erneut gab es keine Antwort. Wütend schnaubend blickte Alena sich um und versuchte wieder die Kraft der Ley-Linien zu nutzen, um den Schleier der Vergangenheit magisch zu durchdringen. Doch die Ley-Linien waren zu schwach und ihre Konzentration reichte nicht aus. Es war als wollte sie mit einem Netz Wasser schöpfen. Alles was sie erreichte war ein leichtes Flimmern der Luft und ein Vibrieren der Utensilien in den Schränken um sie herum.

      Der gescheiterte Versuch hatte mehr Kraft verbraucht als gewonnen und Alena spürte, wie der Glimmer, der ihr Aussehen formte, nachgab. Hektisch tastete sie über ihr Gesicht, suchte eine spiegelnde Oberfläche und untersuchte ihre Erscheinung. Höchstens einen Menschen würde ihr Glimmer noch täuschen können und die konnten ihr bei der Lösung des Rätsels nicht helfen. Trotzdem wollte sie nicht warten, bis