Название | Guy de Maupassant – Gesammelte Werke |
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Автор произведения | Guy de Maupassant |
Жанр | Языкознание |
Серия | Gesammelte Werke bei Null Papier |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783962817695 |
»Ich habe … ich habe nichts zu sagen,« stammelte sie, »… ich kann nichts tun … du … hast recht gehandelt … du … du hast gut gewählt … was du brauchst …«
Sie machte sich mit einer schnellen Bewegung nach rückwärts von ihm los und ging fort, ohne dass er noch versucht hätte, sie zurückzuhalten.
Als er allein war, stand er auf, betäubt, als hätte er einen Schlag auf den Kopf erhalten. Dann nahm er sich zusammen und murmelte:
»Na, so oder so, es ist erledigt … wenigstens ohne Szene. Das ist mir ganz recht.«
Und plötzlich fühlte er sich wie von einer schweren Last befreit; das neue Leben konnte beginnen. Auf einmal begann er mit der Faust gegen die Wand zu schlagen, mit heftigen Schlägen, berauscht von Kraft und Erfolg, als kämpfe er mit dem Schicksal.
Als Madame Forestier ihn fragte:
»Haben Sie Madame de Marelle benachrichtigt?« — antwortete er ruhig:
»Ja, gewiss.«
Sie beobachtete ihn mit ihrem klaren, klugen Blick und fragte:
»War sie sehr erregt darüber?«
»Aber nein, nicht die Spur; sie fand es im Gegenteil sehr gut.«
Die Kunde verbreitete sich rasch. Die einen waren erstaunt, die anderen behaupteten, sie hätten es vorausgesehen, andere lächelten und ließen durchblicken, es hätte sie keineswegs überrascht.
Der junge Mann zeichnete jetzt die Feuilletons mit D. de Cantel, die Lokalberichte mit Duroy und die politischen Artikel, die er von Zeit zu Zeit für das Blatt schrieb, mit du Roy. Er verbrachte den halben Tag bei seiner Verlobten, die ihn mit brüderlicher Vertrautheit behandelte, in die sich jedoch eine wirkliche, wenn auch zurückhaltende Vertraulichkeit mischte, eine Art Verlangen, das verborgen blieb, aus Furcht, für eine Schwäche gehalten zu werden.
Sie hatten beschlossen, dass die Hochzeit in aller Stille stattfinden sollte, nur in Gegenwart der Trauzeugen, und dass sie noch am selben Abend nach Rouen abreisen wollten. Am nächsten Tage wollten sie die alten Eltern des Journalisten besuchen und ein paar Tage bei ihnen bleiben.
Duroy versuchte, sie von diesem Vorhaben abzubringen, aber es gelang ihm nicht, und so fügte er sich schließlich.
Der 10. Mai war gekommen. Das junge Paar begab sich zum Standesamt, und da sie die kirchliche Trauung für überflüssig hielten und keinen Menschen eingeladen hatten, kehrten sie nach Hause zurück, um ihre Koffer zu schließen. Mit dem Zuge um sechs Uhr abends fuhren sie vom Bahnhof Saint-Lazare nach der Normandie.
Bis zu dem Augenblick, wo sie allein im Eisenbahnzuge waren, hatten sie keine zwanzig Worte miteinander gewechselt. Sobald sie merkten, dass der Zug sich in Bewegung setzte, sahen sie sich an und begannen zu lächeln, um eine gewisse Verlegenheit zu verbergen, von der sie nichts merken lassen wollten.
Der Zug fuhr langsam durch den langen Bahnhof von Batignolles, dann durcheilte er die hässliche, flache Strecke zwischen den Forts und der Seine.
Duroy und seine Frau sprachen zuweilen ein paar unnütze Worte und wandten sich dann wieder dem Fenster zu; als sie über die Brücke bei Asnières kamen, stimmte sie der Anblick des Flusses, der von Booten, Anglern und Ruderern wimmelte, heiter und fröhlich. Die kräftige Maisonne warf ihre schrägen Abendstrahlen auf die Boote und den ruhigen Fluss, der unter der Glut der sinkenden Sonne unbeweglich wie eine Glasfläche erschien. Eine Segeljacht mitten auf dem Wasserspiegel hatte ihre zwei großen, weißen Leinewanddreiecke ausgespannt, um auch den leisesten Windhauch aufzufangen, und glich so einem riesigen Vogel, der gerade im Begriff war, aufzuflattern.
»Ich schwärme für die Umgebung von Paris«, murmelte Duroy. »So herrlich geröstete Fische wie hier habe ich in meinem Leben nie gegessen.«
»Und das Bootfahren«, erwiderte sie. »Wie schön ist es, bei Sonnenuntergang über das Wasser zu gleiten.«
Dann schwiegen sie, als ob sie nicht gewagt hätten, noch mehr von ihrem vergangenen Leben auszuplaudern; sie blieben stumm und kosteten vielleicht schon die Poesie des Zurücksehnens.
Duroy saß seiner Frau gegenüber. Er ergriff ihre Hand und küsste sie langsam und bedächtig.
»Wenn wir zurück sind, wollen wir öfters bei Chatou essen.«
»Wir werden so viel zu tun haben,« meinte sie in einem Ton, als wollte sie sagen: »Man muss das Angenehme dem Nützlichen opfern.«
Er hielt noch immer ihre Hand und überlegte unruhig, auf welchem Wege er zu Zärtlichkeiten übergehen konnte. Vor der Unwissenheit eines jungen Mädchens wäre er dabei weniger in Verlegenheit gewesen, aber die raffinierte Erfahrung und der schnelle Verstand, den er bei Madeleine voraussetzte, machte seine Haltung schüchtern und unsicher. Er fürchtete, in ihren Augen linkisch und albern zu erscheinen, zu ängstlich oder zu brutal, zu langsam oder zu hastig vorzugehen. Er drückte leise ihre Hand, ohne dass sie den Druck erwiderte.
»Es kommt mir sehr komisch vor,« sagte er, »dass Sie meine Frau sind.«
»Warum?« fragte sie überrascht.
»Ich weiß nicht. Ich habe ein seltsames Gefühl; ich möchte Sie küssen und wundere mich, dass ich ein Recht dazu habe.«
Sie hielt ihm ruhig die Wange hin, und er küsste sie, wie er eine Schwester geküsst hätte.
Er führ fort:
»Das erste Mal, wo ich Sie sah, erinnern Sie sich, es war bei dem Diner, zu welchem mich Forestier eingeladen hatte, da dachte ich mir: ›Herrgott, wenn ich nur so eine Frau finden könnte!‹ Nun ist es geschehen, ich habe sie.«
»Es ist reizend«, murmelte sie und sah ihn dabei mit ihren stets lächelnden Augen an.
Er dachte: »Ich bin zu kalt. Ich bin blöd, ich muss energischer aufs Ziel gehen.« Und er fragte:
»Wie haben Sie Forestier eigentlich kennengelernt?«
Sie antwortete herausfordernd und boshaft:
»Reisen wir denn nach Rouen, um uns von ihm zu unterhalten?«
Er wurde rot.
»Ich bin zu dumm. Aber Sie machen mich verlegen und schüchtern.«
Sie war entzückt:
»Ich? Nicht möglich! Aber weshalb denn?«
Er setzte sich ganz dicht neben sie. Da rief sie:
»Ach, ein Hirsch!«
Der