Название | Guy de Maupassant – Gesammelte Werke |
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Автор произведения | Guy de Maupassant |
Жанр | Языкознание |
Серия | Gesammelte Werke bei Null Papier |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783962817695 |
Aber mit einem Griff hatte Rose ihn an der Gurgel gepackt, warf ihn hintenüber, ehe er sich von seiner Bestürzung erholen konnte und würgte ihn, während sie über ihn gebeugt ihm ins Gesicht schrie:
»Ich bin schwanger, hörst Du? ich bin schwanger!«
Er holte stöhnend Atem und so blieben sie alle beide eine Zeit lang fast regungslos und stumm in dieser nächtlichen Stille, die nur durch das Schnauben eines Pferdes unterbrochen wurde, welches sich einen Strohhalm aufsuchte und denselben langsam zerkaute. Da Jacques einsah, dass sie die Stärkere war, so stammelte er endlich:
»Nun gut, da es so steht, muss ich Dich heiraten.«
Aber sie traute seinen Versprechungen nicht:
»Aber sofort!« sagte sie; »Du wirst das Aufgebot gleich verkündigen lassen.«
»Sofort!« antwortete er.
»Schwöre es beim ewigen Gott!«
Nach kurzem Zögern sagte er:
»Ich schwöre es beim ewigen Gott!«
Da ließ sie seine Kehle los und ging, ohne noch ein Wort zu sagen, hinaus.
Einige Tage verstrichen, ohne dass sie ihn sprechen konnte und die Stalltüre war seit jener Nacht jedes Mal sorgfältig verschlossen; aus Furcht vor einem Skandal wagte sie kein Geräusch zu machen.
Dann sah sie eines Morgens zur Frühsuppe einen anderen Knecht eintreten.
»Ist Jacques fort?« fragte sie.
»Allerdings; ich bin an seine Stelle gekommen.«
Sie begann so heftig zu zittern, dass sie den Wasserkessel nicht loshaken konnte; dann ging sie, als alles bei der Arbeit war, in ihre Kammer hinauf und weinte, das Gesicht in ihre Kissen vergrabend, damit sie niemand hörte. Im Laufe des Tages suchte sie sich zu erkundigen; aber sie hatte so das Bewusstsein ihres Unglücks, dass sie ein malitiöses Lächeln auf den Gesichtern aller Leute zu sehen glaubte, die sie fragte. Im Übrigen brachte sie nur in Erfahrung, dass er die Gegend für immer verlassen habe.
II.
Nun begann für sie ein Leben der fortgesetzten Qual. Sie arbeitete maschinenmässig, ohne sich etwas bei ihrer Arbeit zu denken. Die einzige Idee, die sie beständig beherrschte, war: »Wenn man es erfahren würde.«
Diese fortwährende Besorgnis machte sie so unfähig, ruhig nachzudenken, dass sie nicht einmal auf ein Mittel sann, um den Skandal zu vermeiden, den sie von Tag zu Tag unwiderruflich und sicher, wie den Tod, herankommen sah.
Jeden Tag, wenn die Andren noch schliefen, stand sie auf und suchte mit ängstlicher Beharrlichkeit den Umfang ihrer Taille in einem kleinen Glasscherben zu studieren, welcher ihr als Spiegel diente; immer fürchtend, dass es der heutige Tag sei, an dem man ihre Schande bemerken würde.
Und tagsüber unterbrach sie alle Augenblicke ihre Arbeit und schaute nach unten, ob ihre zunehmende Stärke nicht schon an der Lage der Schürze kenntlich würde.
Monate vergingen. Sie sprach fast nicht mehr, und wenn man sie nach etwas fragte, so begriff sie kaum, schreckte zusammen, riss die Augen auf und zitterte an den Händen, sodass ihr eines Tages der Herr sagte:
»Armes Mädchen! Wie einfältig bist Du doch seit einiger Zeit!«
In der Kirche verbarg sie sich hinter einem Pfeiler und wagte nicht mehr zur Beichte zu gehen, aus Furcht vor dem Pfarrer, dem sie die übermenschliche Gabe zutraute, im Herzen seiner Pfarrkinder lesen zu können.
Bei Tisch verging sie fast vor Angst, wenn ihre Gefährtinnen sie anschauten, und glaubte sich fortwährend von dem Kuhjungen entdeckt, einem vorlauten, listigen Burschen, dessen lauerndes Auge stets auf ihr ruhte.
Eines Morgens brachte ihr der Postbote einen Brief. Noch niemals hatte sie einen bekommen, und sie war so erschrocken, dass sie sich hinsetzen musste. War er vielleicht von ihm? Aber weil sie nicht lesen konnte, so hielt sie angstvoll zitternd das tintenbefleckte Papier in der Hand. Sie steckte es in die Tasche; da sie Niemandem ihr Geheimnis anzuvertrauen wagte, hielt sie öfters in der Arbeit inne, um längere Zeit diese gleichmässigen Linien zu betrachten, unter welchen sich ein amtlicher Stempel befand; sie hatte eine stille Hoffnung, dass es ihr plötzlich gelingen würde, den Sinn zu erraten. Endlich, da sie vor Unruhe und Ungeduld beinahe verging, suchte sie den Schulmeister auf und dieser las ihr, nachdem er ihr einen Stuhl angeboten hatte, Folgendes vor:
»Liebe Tochter!
Mit Gegenwärtigem wollte ich Dir mitteilen, dass es mir sehr schlecht geht. Unser Nachbar, Meister Dentu, hat es übernommen Dir zu schreiben, dass Du kommen möchtest, wenn Du kannst.
Für Deine treue Mutter
Caesar Dentu, Adjunkt.«
Schweigend ging sie von dannen; aber sobald sie allein war, brach sie am Rande des Weges zusammen, denn ihre Füsse wollten sie nicht mehr tragen. Dort blieb sie bis zum Einbruch der Nacht.
Beim Nachhausekommen klagte sie dem Herrn ihr Leid, und dieser erlaubte ihr, so lange als sie wollte zu verreisen, wenn eine Tagelöhnerin ihre Arbeit verrichten wolle; er versprach ihr auch, sie bei der Rückkehr wieder in Dienst zu nehmen.
Ihre Mutter war bereits bewusstlos und starb am Tage ihrer Ankunft; am nächsten Tage gebar Rose ein Kind von sieben Monaten. Es war ein abschreckendes kleines Wurm von schauderhafter Magerkeit, das fortwährend Schmerzen zu haben schien; so krampfhaft ballte es seine armen Händchen zusammen, die fleischlos wie Krabbenfüsse waren.
Es blieb indessen am Leben.
Sie erzählte, dass sie verheiratet sei, dass sie sich aber jetzt mit dem kleinen Wesen nicht belasten könne; und so ließ sie es bei Nachbarsleuten, die es gut zu pflegen versprachen.
Nach kurzer Zeit kehrte sie in ihren Dienst zurück. Aber nun erhob sich in ihrem so lange gequälten Herzen gleich der Morgenröte eine bis dahin ungeahnte Liebe für das zarte kleine Wesen, das sie da unten zurückgelassen hatte; und diese Liebe war selbst wieder eine Quelle neuer Leiden für sie, denn stündlich, ja fast in jeder Minute fühlte sie den herben Trennungsschmerz.
Was sie besonders quälte war ein geradezu wahnsinniges Verlangen, es zu umarmen, es an ihre Brust zu legen, die Wärme seines kleinen Körpers an sich selbst zu verspüren. Bei Nacht schlief