Название | Guy de Maupassant – Gesammelte Werke |
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Автор произведения | Guy de Maupassant |
Жанр | Языкознание |
Серия | Gesammelte Werke bei Null Papier |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783962817695 |
Mechanisch schaute das junge Mädchen dem Treiben der Hühner zu, und als es dann die Augen aufschlug, war es wie geblendet von dem Anblick der blühenden Obstbäume, die wie beschneit aussahen.
Plötzlich machte ein junges Huhn in tollem Übermut einige Luftsprünge und rannte dann mehrmals an dem mit Bäumen bepflanzten Graben auf und ab; dann blieb es stehen, wandte den Kopf und schien sich sehr zu verwundern, dass es allein war.
Auch sie spürte Lust herumzulaufen, sich Bewegung zu machen und dabei hätte sie sich gleichzeitig doch ebensogern niedergelegt, hätte die Glieder gestreckt und sich in der lauen Luft ausgeruht. Noch unentschlossen ging sie einige Schritte und machte, von einem tierischen Behaglichkeitsgefühl beseelt, die Augen zu; dann begab sie sich langsam in den Hühnerstall, um nach Eiern zu suchen. Sie brachte deren dreissig heim und ordnete sie im Schranke; doch der Küchengeruch wurde ihr aufs Neue lästig und sie ging abermals hinaus, um sich etwas ins Gras zu setzen.
Das Gehöft, von Bäumen umschattet, schien im Schlafe zu liegen. Das hohe Gras, aus dem der gelbe Löwenzahn wie kleine Flämmchen hervorstach, trug ein sattes Grün, das neue Grün des Frühlings. Rings um den Fuss der Apfelbäume bildete deren Schatten einen dunklen Kreis, und die Strohdächer der Häuser, aus deren Gipfel die schwertartigen Blätter der Iris hervorragten, dampften etwas, als ob die Feuchtigkeit der Scheunen und Ställe durch das Stroh entwiche.
Die Magd kam zu dem Wagenschuppen, wo man die Karren und sonstiges Ackergerät aufbewahrte. Dort befand sich an der Biegung des Grabens eine große Grube, in welcher zahllose Veilchen ihren zarten Duft verbreiteten, und über deren Rand hinweg man auf das Feld sehen konnte. Es war eine große Fläche, auf der das Getreide heranwuchs; dazwischen standen einzelne Baumgruppen. Hin und wieder bemerkte man in der Ferne arbeitende Menschen, die sich wie Puppen ausnahmen, Schimmel so groß wie ein Spielzeug, die ein Kinderkärrchen zogen und von einem Manne geführt würden, der nicht höher schien, wie ein Finger.
Sie holte aus der Scheune ein Strohbündel und warf es in die Grube, um sich darauf zu setzen; aber es passte ihr so noch nicht und sie löste das Strohband, breitete das Bündel aus und legte sich, die Hände unter den Kopf und die Füsse langgestreckt, auf den Rücken.
Ganz langsam schloss sie die Augen in süsser Behaglichkeit halb entschlummernd. Sie wäre beinahe ganz eingeschlafen, hätte sie nicht plötzlich auf ihrer Brust zwei Hände gespürt, infolge dessen sie mit einem Satz in die Höhe sprang. Es war Jacques, der Knecht, ein großer, wohlgewachsener Picarde, der ihr seit einiger Zeit schon nachging. Er arbeitete gerade in der Schäferei, und da er gesehen hatte, dass sie ihr schattiges Plätzchen aufsuchte, war er ganz leise, mit verhaltenem Atem und lüsternen Augen, die Haare noch voll Stroh, herbeigeschlichen.
Er versuchte sie zu küssen; aber sie stiess ihn, ebenso stark wie er, mit Leichtigkeit von sich; und er bat sie heuchlerisch um Verzeihung. Dann setzten sie sich beide hin und plauderten freundschaftlich. Sie sprachen vom Wetter, das so günstig für die Ernte wäre, von der schönen Jahreszeit, von ihrem Herrn, wie gut er sei, dann von den Nachbarn, vom ganzen Lande, von ihnen selbst, von ihrem Dorfe, ihrer Jugend, ihren Erinnerungen, ihren Eltern, die sie auf so lange Zeit, vielleicht für immer hätten verlassen müssen. Ihr wurde weich zu Mute, als sie an alles dieses dachte, und er, mit seinem unbezähmbaren Verlangen, rückte wieder näher zu ihr hin, sodass ihre Schultern sich berührten und er vor Begehrlichkeit erschauerte.
»Ich habe meine Mutter lange nicht gesehen«, sagte sie; »es ist hart, wenn man immer so getrennt ist.« Und ihr Auge schweifte sinnend in die Ferne, über den ganzen Horizont, weit nach Norden, tief da unten, wo ihr Heimatsdörfchen lag.
Plötzlich nahm er die Gelegenheit wahr, umarmte sie und wollte sie von Neuem küssen; aber sie schlug ihm mit der geschlossenen Faust so kräftig ins Gesicht, dass seine Nase zu bluten anfing. Er sprang auf und stützte sich an einen Baumstumpf. Da wurde sie doch mitleidig, und auf ihn zugehend fragte sie:
»Hat es Dir sehr wehe getan?«
Er fing an zu lachen. Nein, es wäre nichts gewesen; sie hätte nur gerade die falsche Stelle getroffen. »Verfluchte Hexe!« sagte er leise für sich und sah sie voll Bewunderung an; ein gewisser Respekt, eine Zuneigung ganz anderer Art, der Anfang einer wirklichen Liebe zu diesem kecken Mädchen hatte ihn ergriffen.
Als das Blut zu tropfen aufgehört hatte, schlug er ihr vor, einen kleinen Gang zu machen, denn er fürchtete die starke Hand seiner Nachbarin, wenn sie so nahe beisammen geblieben wären. Aber sie nahm von selbst seinen Arm, wie es die Verlobten bei ihren abendlichen Spaziergängen machen und sagte:
»Das ist nicht brav von Dir, Jacques, dass Du so wenig Achtung vor mir hast.«
Er widersprach. Nein, an Achtung fehle es ihm nicht; aber er sei eben furchtbar verliebt.
»Du willst mich also wirklich heiraten?« fragte sie ihn.
Er zögerte anfangs, dann sah er sie von der Seite an, während ihre Augen wieder traumverloren in die Ferne schweiften. Sie hatte rote volle Wangen, ihr kattunenes Leibchen umschloss eine volle, üppige Brust, ihre Lippen waren frisch und an ihrem halboffenen Halse glänzten kleine Schweißperlchen. Er fühlte sich von neuer Leidenschaft bewältigt, und indem er seinen Mund ihrem Ohre näherte, flüsterte er:
»Ja, ich werde Dich heiraten.«
Da umschlang sie seinen Hals mit beiden Armen und küsste ihn so lange, bis sie beide fast den Atem verloren.
Von dieser Zeit an begann für sie die alte und doch ewig neue Liebesgeschichte. Sie hockten in allen Winkeln zusammen, sie trafen sich beim Mondenschein im Schutze eines Heuschobers und traten sich beim Essen mit ihren schweren beschlagenen Schuhen unter dem Tische fast die Knie blau.
Dann schien Jacques allmählich die Geschichte langweilig zu finden; er ging Rose aus dem Wege, sprach nicht mehr mit ihr und vermied es, allein mit ihr zusammen zu sein. In ihr stiegen langsam Zweifel an seiner Treue auf und es bemächtigte sich ihrer eine tiefe Traurigkeit. Nach einiger Zeit fühlte sie, dass ihr Umgang mit Jacques nicht ohne Folgen geblieben war.
Anfangs wusste sie in ihrer Bestürzung keinen Rat, dann aber geriet sie in heftigen Zorn, der sich von Tag zu Tag steigerte, weil er sorgfältig jedes Zusammentreffen mit ihr vermied.
Schliesslich eines Nachts, als alles im Hofe schlief, schlüpfte sie leise nur im Rock aus ihrer Kammer, huschte