Название | Guy de Maupassant – Gesammelte Werke |
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Автор произведения | Guy de Maupassant |
Жанр | Языкознание |
Серия | Gesammelte Werke bei Null Papier |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783962817695 |
Plötzlich kam diese wandelnde Masse auf uns zu und ich erkannte jetzt, dass es ein Dutzend versprengte Ulanen waren, die in flottem Trabe, in der Kolonne zu einem, die Strasse zu gewinnen suchten.
Sie waren bald so nahe, dass ich deutlich das Schnauben der Pferde, das Rasseln der Säbel und sogar das Knarren der Sättel unterscheiden konnte.
›Feuer!‹ rief ich.
Fünfzig Schüsse knallten durch die stille Nacht, denen noch weitere vier oder fünf und dann schliesslich noch ein einzelner Schuss folgte. Als der Pulverdampf sich verzogen hatte, sah man, dass die zwölf Ulanen und neun ihrer Pferde gefallen waren. Drei Tiere rannten in voller Karrière davon, und das eine von ihnen schleppte den Leichnam seines Reiters im Steigbügel hinter sich her.
Ein Soldat hinter mir stiess ein hässliches Gelächter aus, während ein anderer sagte: ›Da gibt es Witwen‹. Er mochte wohl selbst verheiratet sein. Ein Dritter rief; ›Das ging schnell‹.
Sie hob den Kopf aus den schützenden Mänteln ›Was gibt’s‹ fragte sie, ›ein Gefecht?‹
›Es ist nichts, mein Fräulein!‹ antwortete ich, ›wir haben ein Dutzend Preussen weggeblasen‹.
›Die armen Leute‹ murmelte sie und schlüpfte fröstelnd wieder unter ihre warme Umhüllung.
Wir marschierten langsam und vorsichtig weiter. Endlich graute der Tag; der Schnee wurde heller, er fing an zu glitzern und zu leuchten. Im Westen zeigte sich ein rosiger Schimmer.
Qui vive?‹ rief eine Stimme von Weitem. Das ganze Detachement machte Halt und ich ging vor, um uns zu erkennen zu geben.
Wir hatten die französische Postenkette erreicht. Als meine Leute vor dem Posten vorbeikamen, fragte mich ein höherer Offizier zu Pferde, dem ich meine Meldung machte, mit einer Handbewegung auf die Bahre deutend:
›Was haben Sie denn da?‹
Sofort kam aus den Mänteln ein rosiger Blondkopf hervor und antwortete lachend:
›Meine Wenigkeit, mein Herr!‹
Unter den Mannschaften erhob sich ein allgemeines Gelächter und man sah ihren Gesichtern die freudige Stimmung an, die sie beherrschte.
Pfiffikus, der neben der Bahre ging, lüftete sein Käppi und rief: ›Vive la France!‹
Ich für meine Person war, ich weiß nicht recht warum, ganz gerührt; so hübsch und galant fand ich dies. Es kam mir vor, als hätten wir das Vaterland gerettet, als hätten wir irgend eine Tat vollbracht, die anderen nicht beschieden war, irgend eine einfache und dabei doch wahrhaft patriotische Tat.
Ich werde dieses niedliche Gesicht in meinem Leben nicht wieder vergessen; und wenn ich meine Ansicht über die Abschaffung der Tambours und Spielleute äussern sollte, ich würde vorschlagen, sie in jedem Regiment durch ein hübsches Mädchen zu ersetzen. Das würde noch besser wirken, als der Klang der Marseillaise. Teufel auch! wie das die Mannschaften beleben würde, wenn sie neben dem Oberst eine Madonna wie diese, eine wirkliche lebende Madonna sehen würden.«
Er schwieg einige Minuten, dann sagte er, noch einmal mit einer Miene der vollsten Überzeugung den Kopf erhebend:
»Es bleibt dabei, wir lieben die Frauen: Unser zweites Frankreich.«
*
Bertha
Schon oft hatte mein alter Freund (man hat zuweilen Freunde, die viel älter sind wie wir) der Doktor Bonnet, mich eingeladen, einige Zeit bei ihm in Riom zuzubringen. Da ich die Auvergne noch nicht kannte, so entschloss ich mich endlich, im Sommer 1876 zu ihm zu gehen.
Als ich eines Morgens mit dem Frühzuge dort eintraf, war die erste Gestalt, welche ich auf dem Perron bemerkte, die des Doktors. Er trug einen grauen Anzug und einen runden schwarzen Hut aus weichem Filz mit breitem Rande, dessen hoher Boden sich nach oben zu wie ein Ofenrohr verengte; ein echter Auvergnaten-Hut, der für einen Köhler gemacht schien. So bekleidet ließ der Doktor mit seinem schmächtigen Körper unter der hellen Gewandung, auf dem sein dicker Blondkopf thronte, auf den ersten Blick den alten Junggesellen erkennen.
Er umarmte mich mit jener auffallenden ungestümen Freude, mit welcher die Provinzler die Ankunft langersehnter Freunde zu begrüssen pflegen und rief voll Stolz, indem er mit weitausgestreckter Hand ringsum deutete: »Schau, das ist die Auvergne.« Ich sah weiter nichts Besonderes, als eine Reihe von Bergen vor mir, deren abgestumpfte Kegel auf ehemalige Vulkane schliessen liessen.
Dann wies er mit dem Finger auf den Namen der Station, der am Bahnhofe angebracht war, und sagte feierlich:
»Riom, die Heimat der Beamten, der Stolz des Beamtentums, welches in kürzester Zeit mehr noch die Heimat der Ärzte sein dürfte.«
»Wieso?« fragte ich.
»Wieso?« antwortete er lachend. »Drehen Sie den Namen um, dann haben Sie mori, morituri … Sehen Sie, lieber Freund, weshalb ich mich hier niedergelassen habe.«
Und sich entzückt über diesen Scherz die Hände reibend, zog er mich mit sich fort.
Sobald ich eine Tasse heissen Kaffee getrunken hatte, ging es an die Besichtigung der alten Stadt. Ich bewunderte das Haus des Arztes und die übrigen sehenswerten Häuser; sie waren alle schwarz, sahen aber im Übrigen mit ihren Façaden aus gehauenem Stein ganz hübsch aus, wie kleine Nippessachen. Ich bewunderte weiter die Statue der heil. Jungfrau, der Schutzpatronin der Fleischer, und erfuhr hierbei die Geschichte eines niedlichen Abenteuers, welche ich vielleicht später ’mal erzählen werde. Dann sagte mir Doktor Bonnet:
»Jetzt bitte ich mich für fünf Minuten zu einem Krankenbesuche zu entschuldigen; dann werde ich Sie auf den Hügel Chatel-Guyon führen und Ihnen noch vor dem Frühstück den Gesamt-Anblick der Stadt und der ganzen Puy-de-Dome-Kette zeigen. Sie können mich auf dem Trottoir erwarten, ich gehe nur herauf und herunter.«
Er verliess mich, als wir uns einem jener alten, finsteren, stummen und traurigen Häuser gegenüber befanden, wie man sie noch öfters in den kleinen Provinzstädten findet. Dieses hier schien mir übrigens