Damaris (Band 2): Der Ring des Fürsten. C. M. Spoerri

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Название Damaris (Band 2): Der Ring des Fürsten
Автор произведения C. M. Spoerri
Жанр Языкознание
Серия Damaris
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783038961628



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sich diese Gedanken anhören. Aber eine andere Wahl bleibt mir nicht.

      »Das wollte ich nicht«, murmle ich. »Das musst du mir glauben.«

      Dann wende ich mich um und verlasse schnellen Schrittes das Zimmer, während mein Herz um die Liebe weint, die ich gerade verloren habe.

      Aber ich werde Damaris mit allem, was ich habe, beschützen, das schwöre ich, während ich die Treppen hinuntereile.

      Ich spüre, wie jeder Schritt, den ich mich von ihr entferne, das zarte Band, das wir in den vergangenen Monaten zwischen uns geknüpft hatten, zerreißen lässt.

      Noch lange stehe ich da und starre zur Tür, durch die Cilian fluchtartig verschwunden ist. Mein Inneres ist taub. Da ist keine Wut mehr. Keine Trauer. Nur noch Fassungslosigkeit.

      War das derselbe Mann, in den ich glaubte, mich verliebt zu haben? War das derselbe Mann, der mir vor wenigen Stunden noch auf den Klippen gezeigt hat, wie ekstatisch sich Liebe anfühlen kann? War das überhaupt Liebe?

      Mein Kopf schwirrt, während mein Herz versucht, die vielen Teile, in die es zerrissen wurde, zusammenzukratzen, um weiterzuschlagen. Wie konnte ich mich nur so in Cilian täuschen? Wieso habe ich mich von seiner strahlenden, attraktiven Fassade so blenden lassen?

      Adrién hatte die ganze Zeit recht: Cilian ist ein Magier und folgt nur seinen eigenen Interessen. Er geht über Leichen. Im wahrsten Sinn des Wortes.

      Ich komme mir vor wie ein dummes kleines Mädchen, das ich wahrscheinlich auch bin. Ich habe geglaubt, dass Cilian mir den Himmel auf Erden zu Füßen legt, dabei hat er die ganze Zeit nur nach seinen eigenen Interessen gehandelt.

      Ja, ich weiß, dass das Bestehen des Greifenordens an meine Teilnahme bei den Wettkämpfen geknüpft ist. Auralie hat es mir erzählt, da sie das von einer anderen Dienerin aufgeschnappt hat. Wenn ich nicht teilnehme, wird der Greifenorden so oder so geschlossen. Doch das ändert nichts an der Tatsache, dass ich gehofft hatte, Cilian würde sich, ohne mit der Wimper zu zucken, für mich – für uns – entscheiden.

      Es ist nur ein verdammter Orden. Ich glaubte, das, was wir beide hatten, wäre viel mächtiger gewesen. Viel bedeutender.

      War das naiv? Egoistisch? Überheblich? Verblendet?

      Wahrscheinlich alles miteinander. Aber die Vorstellung, dass ich in die Wüste gehe und irgendwelche Aufgaben erledige, die meinen Tod bedeuten könnten, da ich noch zu wenig Erfahrung habe, ist ebenso absurd.

      Cilian entschied sich für den Greifenorden und gegen mich. Ich konnte es in seinen Augen sehen. Den Kampf, den er in seinem Inneren für die Dauer eines Wimpernschlags ausfocht. Und aus dem ich als Verliererin hervorging.

      Ein leises Gurren hinter mir lässt mich zusammenzucken, und das Bild eines Edelweiß – Schneeflockes Lieblingsblume – erscheint in meinem Geist.

      Ich atme tief ein und aus. Was jetzt noch zählt, ist Schneeflocke. Denn seine Liebe ist bedingungslos und die werde ich niemals verlieren.

      »Dann ist es entschieden«, murmle ich und wende mich meinem Greif zu, der mich mit seinen roten Adleraugen mustert. »Wir verlassen diesen verdammten Ort. Dieses Mal wirklich.«

      So rasch ich kann, suche ich meine Siebensachen zusammen, ziehe die Reisekleidung an, die ich in einer Truhe verstaut hatte, und trete auf den Balkon. Mir ist es gleichgültig, wenn mich alle davonfliegen sehen. Wie wollen sie mich daran hindern, den Zirkel zu verlassen? Mit Feuerbällen auf mich schießen?

      Ich lächle grimmig. Das sollen sie mal ruhig probieren, Schneeflocke wird jedem von ihnen ausweichen.

      Mein Greif wartet, bis ich auf seinen Rücken aufgestiegen bin, dann erhebt er sich in die Lüfte. Als seine Pfoten vom Balkon abstoßen, wird der Druck in meinem Herzen geringer.

      In einigen Wochen werde ich zurück in den Talmeren sein und das alles, was ich hier erlebt habe, wird sich wie ein böser Traum anfühlen. Ein böser Traum mit bittersüßen Erinnerungen, aber ich werde wieder in meinem alten Leben sein. Ohne Magier und Ordensleiter, die mich für irgendwelche Intrigen einspannen wollen.

      Ein befreites Lachen entweicht meiner Kehle, als wir die Zirkelmauern überfliegen und Schneeflocke sich den Spaß erlaubt, seinen Darm direkt über dem Eingang zu entleeren.

      »Wir scheißen auf euch! Ihr könnt uns alle mal!«, rufe ich nach unten, auch wenn ich ziemlich sicher bin, dass mich niemand hören kann, denn dafür sind wir bereits zu weit entfernt.

      Schneeflocke beschreibt eine Kurve in Richtung Süden, um an der Küste entlangzufliegen, und ich lege den Kopf in den Nacken, schließe die Augen und atme tief durch.

      Ja, so fühlt sich Freiheit an – und diesen Zirkel hinter mir zu lassen, ist die beste Entscheidung meines Lebens.

      Ich habe genug gelernt, um niemanden mehr in Gefahr zu bringen.

      Jetzt bin ich dran. Mein Leben.

      Und das werde ich definitiv ohne irgendeinen Cilian führen, der mich bei der erstbesten Gelegenheit an den Galgen liefert und unsere Liebe verrät.

      Wir fliegen zwei Stunden, ehe wir an einem Fluss an der Küste landen. Das Gewässer schlängelt sich zwischen einer kargen Steppenlandschaft in Richtung Meer, das zu unserer Rechten liegt. Ein paar Bäume sowie höhere Sträucher befinden sich in der Nähe, und der Strand mit hellem Sand lädt zum Verweilen ein. Es ist alles so friedlich und ruhig, dass ich kaum glauben kann, erst gerade noch im magischen Zirkel von Chakas gewesen zu sein.

      Ich lösche meinen Durst am Fluss. Zwar könnte ich auch mit meiner Magie Wasser aus dem Boden holen, aber das ist zeitaufwendig und anstrengend. Und ich werde meine Kräfte noch für den Rest der Reise benötigen. Unser Weg wird nach Süden bis zu den ersten Ausläufern der Talmeren führen und danach in Richtung Osten über das Gebirge zurück nach Oshema. Zurück nach Hause.

      Nachdem ich fertig getrunken habe, gibt mein Magen ein leises Knurren von sich und erinnert mich daran, dass ich mich in den vergangenen Monaten viel zu sehr an regelmäßige Mahlzeiten gewöhnt habe. Es ist zwar erst eine Nacht her, seit ich etwas aß, doch der Hunger nagt an mir.

      Ich habe keinen Proviant mitgenommen – dafür war meine Abreise zu überstürzt –, doch sowohl Schneeflocke als auch ich mussten noch nie Hunger leiden, weil wir uns nicht zu helfen wussten.

      Auch wenn ich kein Blut oder frische Wunden sehen kann, so hatte ich glücklicherweise bei erlegtem Wild bisher keine Probleme. Das scheint eine Art Schutzmechanismus von mir zu sein, dass ich Tiere, die ich zum Verzehr gejagt habe, ausnehmen kann, ohne dass mir schwarz vor Augen wird oder ich mich übergeben muss. Vielleicht hängt es auch damit zusammen, dass ich von klein auf gelernt habe, zu jagen und damit Essen auf den Tisch zu bringen. Essen darf bluten. Wieso auch immer mein Gehirn das begriffen hat – ich bin froh darüber, dass es Ausnahmen machen kann. Sonst würde ich wohl auch einmal im Monat für mehrere Tage dauerohnmächtig werden, wenn ich meine Menstruation habe. Und dass das sinnbefreit ist, hat sogar mein kaputter Kopf begriffen.

      Nun schicke ich Schneeflocke in Gedanken ein Bild von einem Hasen und er versteht, fliegt mit einem Laut los, der an das Bellen eines Hundes erinnert, um nach einer Mahlzeit für uns zu suchen.

      Da es hier unten am Meer viel heißer als oben in der Luft ist, ziehe ich die Weste aus, die mir den Wind auf dem Greifenrücken vom Leib hält, sodass ich nun nur noch meine lederne Hose sowie mein geschnürtes Hemd trage, welches aus dichtem Stoff besteht.

      Dann beginne ich, ein paar Beeren zu sammeln, die an struppigen Sträuchern in Küstennähe wachsen und die ich mit Magie trocknen werde, damit wir sie für später mitnehmen können. Ich lege sie fein säuberlich auf ein Tuch, das ich auf den Steppengräsern neben dem Fluss ausbreite, greife nach meiner Zauberkraft und ziehe vorsichtig das Wasser aus den kleinen Früchten.

      Etwas, das mir nun, da ich meine Kräfte besser beherrsche, problemlos gelingt. Früher habe ich oft zu viel Magie gewirkt, sodass die Früchte ungenießbar wurden,