Название | HEIßE NÄCHTE IN UNTERFILZBACH |
---|---|
Автор произведения | Eva Adam |
Жанр | Языкознание |
Серия | Unterfilzbach |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783958354852 |
Hansi Scharnagl, angestellt im kommunalen Bauhof, wurde am 31. Oktober von seinem Chef Wiggerl zu einer sofortigen Notfallaktion abkommandiert. Er sollte am Friedhof die Wege ein wenig mit Kies auffüllen. Ein paar Damen, die gerade dabei waren, ihre zu pflegenden Gräber im Endspurt aufzumotzen, hatten sich nämlich beschwert. Der neurotische Bauhofkapo Ludwig Hackl, genannt Wiggerl, war leider nicht mit einem besonders starken Nervenkostüm ausgerüstet und geriet bei Beschwerden schon mal leicht an die Grenzen der Belastbarkeit.
»Hansiii! Was machst du grad? Egal, was du tust, hör sofort auf damit!«, schallte es aufgeregt aus dem Bauhoffunk.
»Ähm, Hundetoiletten leeren. Das hast du mir ja heut Morgen angeschafft, oder nicht?«, sagte Hansi, verwundert darüber, wie vergesslich sein Chef schon wieder war.
»Lass sofort alles stehen und liegen, wir haben einen Notfall.«
Auch Hansi neigte ab und zu ein wenig zur Hysterie und hatte sofort die schrecklichsten Bilder im Kopf. Ein Terroranschlag auf das Rathaus? Explosion in der örtlichen Biogasanlage? Geiselnahme im Bauhof?
»Die Hinkhoferin hat mich gerade angerufen. Am Friedhof sind die Wege wohl unbegehbar und das wäre absolut lebensgefährlich, hat sie gesagt. Du musst da sofort hin und Kies auffüllen. Was sagen denn da d´Leut? Morgen ist schließlich das ganze Dorf am Friedhof und dann schimpfen sie wieder alle über den Bauhof, wenn wir nichts unternehmen.«
Ein Lächeln huschte über Hansis Gesicht. Das ließ er sich nicht zweimal sagen, denn Hundetoiletten zu leeren, war nicht unbedingt eine direkte Herausforderung und ekelhaft noch dazu.
Leider war rund um den Friedhof kein einziger freier Parkplatz zu bekommen; sie standen einfach ü-ber-all … egal, ob Halteverbot oder Feuerwehranfahrt.
Man könnt´ ja meinen, es geht hier um Leben und Tod, dabei sind wir eh schon am Friedhof, dachte Hansi leicht genervt wegen dieser Panik.
Mangels Alternativen musste Hansi dann halt kurz entschlossen mit seinem kommunalorangenen Unimog direkt in den Friedhof hineinfahren. Gut, dass der kleine Unimog wunderbar durch das Eingangstor passte, und zwar millimetergenau. Nur das Eisentor litt an den Scharnieren ein wenig, aber dann musste halt der Wiggerl wieder einmal einen Arbeitsauftrag für einen Neuanstrich erteilen. Alles war besser als Hundetoiletten – oder HT, wie es der Bauhofkapo immer auf den Einsatzplan schrieb. Wer HT-Dienst hatte, war an diesem Tag eher der Depp vom Dienst.
Im Inneren des Friedhofs war das Durchkommen aber genauso schwierig, es wimmelte nur so von gestressten Grabgärtnern und -gärtnerinnen.
Ja, was wäre denn da der Münchner Stachus, ging es Hansi durch den Kopf. Überall wurde geschrubbt, gepflanzt, gegossen oder gezupft. Alle Grabpfleger hatten allerdings eher ein heimliches Auge auf die Konkurrenzgräber anstatt auf Hansi in seinem Unimog, der sich etwas genervt seinen Weg zu bahnen versuchte. Nicht, dass man vielleicht einen Modetrend in Sachen Grabdesign verpasste. Das war offenbar ein wichtigeres Thema, als eventuell von einem Unimog überrollt zu werden. Hansi erinnerte sich noch allzu gut daran, wie seine liebe Ehefrau Bettina vor ein paar Jahren furchtbar verzweifelt war, weil sie den »Moostrend« nicht mitbekommen hatte. Damals hatte die Hinkhoferin sie an ihrem Arbeitsplatz, der Supermarktkasse, so saudumm angeredet.
»Mei Bettina, hast aber dein Grab wieder langweilig hergerichtet heuer, hab ich so gehört. Hast du denn nicht gesehen, dass man jetzt Moos im Muster auslegt? Da muss man schon ein wenig im Trend bleiben. Ist ja nur gut gemeint, Bettinalein. Nur ein kleiner Tipp von mir. Mir wär’s ja wurscht, aber was sagen denn da die Leut´?«
Die ganze Kundenschlange hinter Berta hatte Bettina daraufhin so komisch vorwurfsvoll angesehen, und die Supermarkt-Kassiererin war sogar noch heute ein bisschen traumatisiert.
Seitdem war auch Frau Scharnagl jedes Jahr ein wenig gestresst, wenn sich das Allerheiligen-Tamtam wieder näherte. Mit Argusaugen beobachtete sie, wie auf den anderen Grabstellen dekoriert wurde, und trieb sich stundenlang im Floristik-Fachgeschäft herum. Hansi verdrehte innerlich die Augen, als er beim Anblick des aufgeregten Treibens hier am Unterfilzbacher Friedhof an seine Frau und ihre Allerheiligen-Panik erinnert wurde.
Doch nun musste er den mit weißem Kies beladenen Unimog irgendwo abstellen. Direkt vor dem Leichenhaus war dann Gott sei Dank ein kleines Fleckchen frei. Das war ganz praktisch, denn von dort aus konnte er dann zentral den Kies mit dem Schubkarren ausfahren.
Die Hinkhofer Berta erwartete ihn bereits, um ihm die gefährlichsten Stellen auf den Wegen zu zeigen. Mit verschränkten Armen und klopfendem Vorderfuß stand sie da und zeterte sofort drauflos, als er den Motor abstellte.
»Na endlich! Das ist ja wieder einmal typisch Bauhof, für jeden Schmarrn habt ihr Zeit und euer Wiggerl sieht alles immer als Gefahr. Aber hier, wo man sich alle Haxen brechen könnte, da überlasst ihr uns arme Bürger unserem Schicksal. Direkte Löcher sind in den Kieswegen, da habt ihr schon ewig nix mehr gemacht, das sieht man gleich, direkt verwahrlost sind die Wege hier. Nicht zu verantworten ist das, das sag ich dir, Scharnagl.«
Berta Hinkhofer und Hansi Scharnagl waren nicht unbedingt die besten Freunde. Immer wieder waren sie in der letzten Zeit aneinandergeraten. Dementsprechend angespannt war die Stimmung zwischen den beiden.
»Berta! Jetzt schrei mich nicht so an, ich hab ja erst einmal den Kies auf den Unimog raufschaufeln müssen. Herrschaftszeiten! Aber davon hast du ja keine Ahnung. So wirklich hast du ja noch nie was gearbeitet in deinem Leben«, verteidigte sich der Bauhof-Angestellte.
Vielleicht hätte er besser gar nichts gesagt, denn die Berta tat sich mit Kritik an ihrer eigenen Person etwas schwer. Sie war pensionierte Bürgermeister-Sekretärin und daher mit einem ziemlich soliden Selbstbewusstsein ausgerüstet.
»Ja, genau, aber ihr vom Bauhof, ihr seid ja die Allerfleißigsten … ach, rutsch mir doch den Buckel runter, Scharnagl. Nimm deinen Schubkarren und geh weiter jetzt.«
Schon stapfte sie voraus und blieb nur ab und zu an einer ihrer Meinung nach, lebensgefährlichen Stelle, stehen. Hansi teilte diese Auffassung von »Gefahr« in diesem Falle nicht, aber in Gottes Namen, dann verteilte er halt zwei Schaufeln Kies auf die Gefahrenstelle – damit Ruhe war. Außerdem wollte er nicht so schnell wieder zurück zu den Hundetoiletten. Langsam fand er es außerdem doch recht amüsant, das Treiben zu beobachten. Man konnte hier und da einen kleinen Ratsch halten und so verging die Zeit bis zum Feierabend recht zügig.
Neben den zahlreichen aufgeregten Hausfrauen, die die möglichst tiefschwarze Erde auf ihren Gräbern sogar teilweise mit der Wasserwaage glätteten, waren auch ein paar alleinstehende Herren zugange, die sich allerdings ein wenig unbeholfen anstellten. Sie hatten nun mal keine Dame an der Hand, die sich um die Grabpflege kümmerte, und der ortsansässige Gärtner hätte garantiert einen saftigen Allerheiligen-Zuschlag auf die Rechnung gesetzt, also mussten sie wohl oder übel selbst ran.
Hansis bester Freund Sepp war so ein Fall. Er war ein ganz besonderer Mensch und außerdem Hansis Lieblingskollege. Sepp Müller war äußerst intelligent und handwerklich ein Genie. Er hatte sogar ein paar Semester Chemie und Maschinenbau studiert, bis er wohl ein wenig aus der Bahn geworfen wurde. Natürlich war eine Frau daran schuld gewesen. Die heutige Metzgereibesitzerin Maria Aschenbrenner hatte ihm damals das Herz gebrochen. Weiber halt!
Der Sepp kam irgendwann vor ein paar Jahren nach längerer Abwesenheit wieder zurück nach Unterfilzbach und arbeitete seitdem Seite an Seite mit Hansi am Bauhof. Er war schon ein armer Kerl, der Sepp, fand der Scharnagl. Seine Eltern waren schon lange verstorben und eine Frau hatte er seit der Sache mit Maria nicht mehr angeschaut. Geschwister