Belgische Finsternis. Stephan Haas

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Название Belgische Finsternis
Автор произведения Stephan Haas
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783960416487



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wurde mein Gesicht seltsam kalt. Ich wollte mich auf die Bettkante setzen, doch bevor ich Platz nahm, hörte ich plötzlich eine männliche Stimme. Sie kam von unten.

      Ist er das? Elises Neuer?

      Nein, das würde sie nicht tun, nicht, wenn ich zu Besuch war.

      Wahrscheinlich weiß er gar nicht, dass du hier bist. Ja, sicher weiß er nicht mal, dass es dich überhaupt gibt.

      Jetzt verstand ich auch, warum ich mich anmelden sollte, bevor ich Liv besuchen kam.

      Unversehens hörte ich den Fremden meinen Namen sagen.

      »Herr Donker?«

      Ich dachte zunächst, ich hätte mich verhört. Doch dann rief der Kerl noch einmal.

      »Herr Piet Donker, hallo?«

      Der Idiot weiß, wie du heißt.

      Ich schlich mich vom Schlafzimmer ins Treppenhaus, taumelte leicht. Vorsichtig schaute ich hinunter. Ein junger Mann, fast noch ein Junge, blickte mir schüchtern entgegen.

      »Guten Morgen«, sagte er leise.

      Die Blässe in seinem Gesicht stellte einen starken Kontrast zu den nach hinten gegelten schwarzen Haaren dar.

      »Sind Sie Piet Donker?«, fragte der Schlaks mit nach vorne gebeugtem Kopf und leicht zusammengepressten Lippen.

      »Ja, wer will das wissen?«, entgegnete ich angriffslustig.

      Ich hatte bereits einen Schritt auf die Treppe gesetzt und die Fäuste geballt.

      »Théo Bender. Ich bin Ihr neuer Kollege. Sind Sie bereit?«

      3

      Elises Zorn über meinen unangemeldeten Besuch spiegelte sich nach wie vor in ihrem Gesicht. Ich glaubte zu sehen, dass ihre Mundwinkel zuckten, aber sicher war ich mir nicht. Ich versuchte, sie nicht direkt anzuschauen. Sie hatte mir geschworen, dass es keinen anderen gab, und ich hatte ihr vertraut. Wenn sie es mir gestanden hätte, wäre der Schmerz der gleiche geblieben – aber ich hätte es akzeptiert. Weil sie ehrlich zu mir gewesen wäre.

      Stattdessen hatte sie mich angelogen – und damit aufs Neue betrogen.

      Sie kann dir gestohlen bleiben!

      Liv winkte mir nach, als ich mich in den kleinen Polizeiwagen drückte. Doch als ich saß und wieder zu ihr blickte, rollte sie ihre kleinen Fäuste in die tränenden Augen. Als hätte ich gerade verkündet, dass ich mit dem Raumschiff zum Mond fliegen würde. Hinzu kam, dass der dreitürige Renault Clio, Baujahr 2001, nicht für meine Körpergröße geeignet war. Erst recht nicht die Rückbank.

      Ich kam mir vor wie ein Sträfling.

      Nach einigen Kilometern hatte ich mich an den Zigarettenmief im Inneren gewöhnt. Der Junge, der mich abgeholt hatte, fuhr. Karls hatte ihn losgeschickt, ohne meine Zusage abzuwarten. Da ich den Kommissar wegen der isländischen Vulkanwolke nicht mehr auf dem Handy hatte erreichen können, hatte er meine Zustimmung einfach vorausgesetzt. Mir war es recht. Nach dem Schock in Elises Schlafzimmer war Ablenkung die beste Medizin.

      Die Hände des Jungen klebten am Lenkrad, sein Blick richtete sich fest auf die Straße. Die Nackenhaare waren nass.

      »Wie wäre es, wenn wir die Klimaanlage einschalten?«, fragte ich.

      »Geht nicht«, brummte der Beifahrer, der sich mir nicht vorgestellt hatte, als er vorhin aufgestanden war, um mich in den Wagen einsteigen zu lassen. Ich sah von hinten nur seine krausen roten Haare.

      »Warum nicht?«, fragte ich.

      »Ist kaputt«, seufzte der Rotschopf, während er Bender auf den Oberschenkel drückte. »Junge, das Gaspedal ist rechts«, sagte er und schaute dabei hinaus auf die vertrockneten Gemüsefelder.

      Was für ein reizender Kerl.

      Bender schluckte. Er schwitzte ziemlich. Sein Gesicht war frisch rasiert, die Wangen brannten allein beim Hinsehen.

      Ich beugte mich nach vorne. »Was ist mit dem Schiebedach?«

      Es herrschten gefühlte vierzig Grad in dem Auto. Die trockene Zigarettenluft ließ mich husten.

      »Was soll damit sein?«, fragte der Beifahrer, der mein Husten ignorierte und sich mit dem Zigarettenanzünder einen weiteren Glimmstängel aktivierte.

      Bender blinzelte kurz hinüber zu seinem Nachbarn. Dieser streckte ruhig seine flache Hand aus, als wollte er sagen: Alles bleibt, wie es ist. Erst jetzt sah ich die großen rotbraunen Muttermale auf seinem Arm.

      »Schauen Sie mal hinter meinen Sitz. Dort müsste noch eine Flasche Wasser liegen«, sagte Bender in Richtung Windschutzscheibe, weiter beide Hände fest am Steuer.

      Ich nahm zwei Schlucke von dem lauwarmen Wasser und bedankte mich bei dem Jungen. Die Sonne schien mir direkt in die Augen, und eine Rauchwolke hüllte mein Gesicht ein. Meine Lider klebten und kratzten wie kleine Klingen an meinen Augen.

      »Was wissen Sie über den Fall?«, fragte ich.

      »Ich darf nichts sagen. Anweisung von oben«, murrte der Rothaarige. Er kippte einen Zentimeter Asche in den überquellenden Aschenbecher. »Ich weiß nur, dass vier Mann für diesen Fall zu viele sind.«

      »Wir sind zu viert?«, fragte ich mit derart hoher Stimme, dass ich mich vor mir selbst erschreckte.

      »Ja, sagte ich doch gerade. Lechat, Bender, Sie und ich«, blaffte er und schielte dabei durch die Mitte zu mir nach hinten. Jetzt kannte ich den Namen des Vierten, aber seinen eigenen verschwieg der angenehme Zeitgenosse weiterhin.

      »Und der Junge, der vermisst wird –«, begann ich meinen Satz, bevor ich unterbrochen wurde.

      »Der Junge, der vermisst wird, ist längst über alle Berge. Er macht sich irgendwo in Afrika ein schönes Leben und hält uns alle zum Narren. Aber meine Meinung will ja keiner hören«, schnappte der Rotschopf. Dabei gestikulierte er so stark, dass sein Sitz wackelte.

      »Warum Afrika?«

      »Hören Sie, Herr Professor, alles Weitere erzählt Ihnen der Chefermittler Monsieur Lechat vor Ort. Ich darf nichts sagen. Anweisung von oben.«

      Du wiederholst dich, Pumuckl.

      Er drückte seine Zigarette aus und zog dann Schleim durch seinen Hals nach oben.

      Ich blieb ruhig und lehnte mich wieder nach hinten, soweit das möglich war in dieser Konservenbüchse von einem Auto.

      Man hörte ja hier und da, dass die Menschen vom Land aus einem besonders liebenswürdigen Holz geschnitzt seien. Ich befürchtete, es mit einem Ausnahmeexemplar zu tun zu haben. Ich blieb also stumm sitzen.

      Die Ruhe gab mir Zeit zum Nachdenken. Ich begann mich zu fragen, was ich in diesem Wagen, der mich mitten in die Provinz beförderte, zu suchen hatte.

      Du könntest jetzt bei Liv sein.

      Ich grübelte, wie ich es anstellen sollte, mehr Zeit mit meiner Tochter zu verbringen. Ohne dass ich mich dabei selbst aufgab.

      Zwischendurch flackerten immer wieder Bilder von Elise und einem Mann auf, dessen Gesicht sich jedes Mal änderte. Er zog sie aus …

      Hör auf damit!

      Ich zwang mich, nicht mehr daran zu denken, und hielt Ausschau nach einer Ablenkung.

      »Wir sind gleich da«, murmelte der blasse Schlaks.

      Ein Glück.

      Mein Blick wanderte nach draußen, wo unzählige Kühe, umzäunt von blühenden Hecken, auf den grünen Wiesen grasten. Insgeheim freute ich mich auf die Ruhe auf dem Land. Mit den schmalen Gehwegen und dem romantischen Kirchturm wirkte das Städtchen beinahe wie ein Kurort. Dieses Gefühl strahlten auch die zahlreichen Fahrradgruppen aus, die den Bachläufen entlang durch die malerisch schönen Täler rollten und sich schließlich auf den Bänken im Grünen eine Pause gönnten. Sie genossen den Moment, und ich freute mich