Faszination Jesus. Roland Werner

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Название Faszination Jesus
Автор произведения Roland Werner
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783765574993



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      Jesus als Nur-Prophet

      Aber nicht nur im Koran findet sich dieses Jesusbild. Eine ganze Reihe von nachchristlichen Religionen hat versucht, Jesus in ihr System einzubauen. Und das ist so zu erklären: Diese in den letzten 2000 Jahren entstandenen Religionen können nicht an Jesus vorbei. Es geht nicht, ihn einfach zu ignorieren. So muss er irgendwie in die neue Religion aufgenommen werden. Und das geschieht meist, indem man ihn als einen der Propheten bezeichnet, die als Vorläufer des jeweiligen Religionsgründers gekommen sind. Jesus ist auf diese Weise unschädlich gemacht, denn man kann jederzeit sagen: Wir glauben auch an Jesus. Aber eben nur als Prophet. Als einer unter anderen. Als Vorläufer. Und so hat man ihn integriert, hält sich ihn aber gleichzeitig mit seinem Anspruch vom Hals.

      So attraktiv diese Lösung des Problems Jesus ist, so schwierig ist sie auch. Denn alles, was wir vom wirklichen Jesus wissen, deutet in eine andere Richtung. Er behauptete eben nicht, nur ein Prophet unter anderen zu sein, einer von denen, die halt sporadisch in der Weltgeschichte auftauchen. Die Vorstellung von Jesus als nur einem Propheten ist eine unwahrhaftige Kompromisslösung. Auf der einen Seite kann man Jesus nicht ignorieren. Auf der anderen Seite will man ihn aber auch nicht als die entscheidende Schlüsselfigur anerkennen. So macht man ihn zu einem Propheten unter anderen, zum letzten großen Vorläufer des jeweiligen Religionsstifters. Das große Problem dabei ist nur: Die Berichte der Evangelien lassen einen solchen Lösungsversuch nicht zu. Genauso wie der liberale Jesus oder der Geheimlehrer Jesus ist der Nur-Prophet Jesus eine Erfindung.

      WER WAR JESUS WIRKLICH?

      Diese Frage ist wichtig. Denn dass Jesus von Bedeutung ist, ist klar. Seine Faszination besteht noch heute wie damals, als er seine ersten Jünger zu sich rief. Er konnte Menschen so ansprechen, dass sie alles verließen und ihm nachfolgten. Doch es blieb nicht bei einer kurzfristigen Faszination, einer oberflächlichen Begeisterung. Seine Jünger wanderten mit ihm durch die Städte Palästinas, sie hörten ihn täglich bei seinen öffentlichen Ansprachen und in persönlichen Begegnungen. Sie sahen seine Wunder und Heilungen. Sie erlebten ihn im Alltag. Wenn jemand behaupten konnte, Jesus zu kennen, dann sie. Und dennoch waren auch sie immer wieder erstaunt über Jesus. Wer ist dieser Mann?, rätselten sie. Und spürten, wie sich in ihnen eine Antwort bildete.

      Von dieser anfänglichen und danach ständig wachsenden Faszination, die von Jesus ausging, berichten die Evangelien. Wer Jesus ist, das ist die geheime Frage im Hintergrund aller Erzählungen – und darauf mussten alle eine Antwort finden. Die Freunde von Jesus so wie seine Feinde. Die Juden und die Römer. Die Gebildeten und die einfachen Leute. Die Antworten waren verschieden. Der Gouverneur Pilatus ließ auf das Kreuz schreiben, als wen er Jesus verurteilen ließ: Jesus Nazarenus Rex Iudaeorum: Jesus der Nazarener, der König der Juden. War das seine eigene Meinung oder nur grausamer Spott, dass er Jesus als König der Juden bezeichnete? Die jüdischen Führer verurteilten ihn als Gotteslästerer. So unterschiedlich die Menschen, so unterschiedlich die Antwort. Doch die Frage lässt die Menschheit nicht los. Wir müssen eine Antwort darauf finden: Wer ist dieser Jesus?

      Wenn das stimmt, dann sprengt Jesus den Rahmen aller von Menschen gemachten Jesusbilder. Dann sind alle Kategorien zu klein. Dann ist er wirklich in kein Schema zu pressen, weil alle Schemata versagen. Und dann ist ganz deutlich: Es kommt wirklich auf Jesus an.

      Denn dann ist Jesus einzigartig.

      1Joh 12,21

      2Mt 26,13; vgl. Joh 12,1-8

      3 Mt 24,14

      4Er lebte in der 1. Hälfte des 6. Jahrhunderts in Rom und machte sich in vieler Hinsicht wissenschaftlich verdient. Unter anderem beschäftigte er sich mit chronologischen Fragen und rechnete den alten römischen sowie den damals üblichen christlichen Kalender, der bei der Verfolgung durch Diokletian ansetzte, auf den heute gebräuchlichen christlichen Kalender „von Christi Geburt an“ um. Auch dieser Kalender hat im Lauf der Zeit immer wieder Revisionen erfahren, wobei es vor allem um die Einführung von Schaltjahren und Ähnliches ging.

      5Vgl. Mt 2,16-23

      6Neben dem Neuen Testament erwähnt z. B. der jüdische Geschichtsschreiber Josephus Flavius sowohl Herodes den Großen als auch Jesus (siehe Kapitel 2 und Anhang).

      7Vgl. John Allegro: The Sacred Mushroom and the Cross. London 1973. Seine Behauptungen wurden von vielen Wissenschaftlern wiederholt widerlegt. In seinem mehr wissenschaftlichen Werk über die Funde in Qumran (Search in the Desert, London 1965) allerdings räumte Allegro ein, dass sie uns nichts über Jesus direkt sagen, sondern nur etwas über den historischen Hintergrund, also die Welt des Judentums um die Zeitenwende (so S. 173).

      8Hanna Wolff: Jesus, der Mann. Stuttgart 1975. Auch: Jesus als Psychotherapeut. Stuttgart 1978.

      9Franz Alt: Jesus – der erste neue Mann. München 1989.

      10Albert Schweitzer: Die Geschichte der Leben-Jesu-Forschung. 4. Auflage 1926.

      11Vgl. Anhang 3.

      12Ulrich Parzany: Jesus – der einzige Weg? Neukirchen-Vluyn 1991. S. 80ff.

      13Mt 16,13-17

      2. JESUS:

      BERICHTE UND GESCHICHTE