Название | Nur wenn ich lebe |
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Автор произведения | Terri Blackstock |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783765575235 |
Spät in der Nacht döse ich immer wieder ein und schwebe zwischen Wachzustand und Schlaf – an dem Ort, wo verdrängte Erinnerungen liegen und nur darauf warten, wie unkontrollierbare Sprengsätze in die Luft zu fliegen. Hier erinnert mein Gehirn mich daran, wieso ich immer wieder versagen werde.
Irgendwo an einem anderen Ort klingelt ein Telefon … Es ist das Zuhause meiner Kindheit, das wie ein Schlachtfeld aussieht. Was hat meine Mutter nun schon wieder getan?
Ich nehme ab und höre ihr zu. Dann werfe ich mir meine Klamotten über und eile aus dem Haus. Immerhin hat sie von einem Notfall gesprochen. Ich wünschte, ich hätte mir wenigstens einen Thermosbecher mit heißem Kaffee mitgenommen. Doch der Weg zu der genannten Stelle ist nicht weit.
Immer handelt es sich um einen Notfall. Ich habe zwei Explosionen überlebt, während meine Kameraden in Leichensäcken nach Hause gebracht wurden. Dennoch sind es die Dramen meiner Mutter, die mich in diesen Tagen auf Trab halten.
Ich biege um eine Ecke und sehe sie. Offensichtlich hat sie ihr Auto in den Graben gefahren und stiefelt vor ihrem Wagen auf der Straße auf und ab, während sie wild auf ihr Telefon einredet. Auf der anderen Seite des Grabens befindet sich ein Parkplatz. Ich bremse ab, bis ich den Eingang entdecke, und biege ab. Meinen Wagen stelle ich direkt hinter ihrem verunglückten Auto ab. Auch als ich aussteige, brüllt sie ohne Unterlass in ihr Handy.
„Mum!“, sage ich, doch sie hört mich nicht. „Mum!“, rufe ich jetzt. Sie wirbelt herum und lässt ihr Telefon fallen. Fluchend bückt sie sich danach und tritt dabei in den Matsch. „Warum hast du so lange gebraucht?“, fragt sie mich.
„Bist du verletzt?“, frage ich zurück.
„Sehe ich aus, als wäre ich verletzt? Hilf mir einfach mit meinem Wagen, damit ich so schnell es geht nach Hause fahren kann.“
Hilflos starre ich von der anderen Seite des Grabens auf ihren Wagen. Die Vorderseite ist zertrümmert, die Motorhaube sieht aus, als hätte jemand sie zur Hälfte gefaltet. „Er wird nicht mehr fahren. Wir müssen einen Abschleppwagen kommen lassen.“ Ich sehe mich um. „Hast du die Polizei verständigt? War ein anderes Auto in den Unfall verwickelt?“
„Keine Ahnung“, erwidert sie, ungenau wie immer. „Ich setze mich hinein und du schiebst von hinten, während ich Gas gebe.“
Ich mache mich auf den Weg zu der Parkplatzeinfahrt und überquere den Graben, um auf ihre Seite zu gelangen. Meine Mutter steht mitten auf der Straße. Autofahrer müssen auf die Gegenfahrbahn ausweichen.
„Mum, komm auf das Gras. Komm schon“, sage ich.
Sie wischt nur den Schlamm von dem Handy an ihrer viel zu großen Jeans ab und versucht, einen weiteren Anruf zu tätigen.
„Wen rufst du an?“, will ich wissen.
„Deinen Vater!“, brüllt sie, als wäre ich das einzige Problem weit und breit. „Aber wahrscheinlich ist er immer noch nicht bei Bewusstsein und wird nicht einmal abnehmen. Dabei würde er mich mit Sicherheit herausbekommen.“
„Mum, niemand kann deinen Wagen hier herausziehen, am allerwenigsten Dad. Ich rufe dir einen Abschleppwagen.“
Ich rieche ihren stinkenden Atem, als sie sich zu mir beugt und mich anschreit: „Ich brauche dieses verdammte Auto, Dylan! Hol es sofort aus dem Graben heraus! Ich habe kein Geld für einen Abschleppwagen!“
„Mum, sprich leiser!“
„Wenn du einfach ab und zu aus deinem Bett kommen und dir einen anständigen Beruf suchen würdest, dann hätte ich vielleicht genug Geld für einen Abschleppwagen. Aber nein, du hast ja PTBS und kannst nichts tun und ich muss das ausbaden! Kein Wunder, dass sie dich aus der Armee geschmissen haben.“
Mein Kiefer verhärtet sich und ich merke, wie ich mich versteife. Weißglühender Zorn überkommt mich. „Ich wurde nicht rausgeschmissen, sondern ehrenvoll entlassen“, korrigiere ich.
„Weil du ein psychisches Wrack bist!“
„Wer, bitte schön, hat denn gerade seinen Wagen in den Graben gefahren?“, presse ich hervor. „Mum, setz dich einfach in meinen Wagen und warte dort. Ich werde mich darum kümmern.“
„Wehe, du rufst die Polizei an“, sagt sie. „Ich warne dich, tu es ja nicht!“
Es ist nicht nötig, die Polizei zu informieren. Immerhin scheint kein weiteres Auto in den Unfall verwickelt zu sein. Ich sehe meiner Mutter hinterher, die sich schwankend auf meinen Wagen zubewegt und schließlich auf der Fahrerseite einsteigt … als würde ich jemals auch nur in Betracht ziehen, sie nach diesem Vorfall fahren zu lassen.
Auf meinem Smartphone suche ich bei Google nach einer Abschleppfirma und rufe an. Sie sind auf dem Weg, sagen sie mir.
Meine Mutter ist eingeschlafen. Ihr Kopf lehnt an der Kopfstütze und ihr Mund steht weit offen. Bedauerlicherweise werde ich sie aufwecken müssen, damit sie sich auf den Beifahrersitz begeben kann. Den ganzen Weg über wird sie mich dafür anschreien.
Ich lehne am Kotflügel meines Autos und warte auf den Abschleppwagen, während ihre Stimme in meinem Kopf immer wiederholt: Psychisches Wrack … dass sie dich rausgeschmissen haben …
Die Schwere in meiner Brust lässt mich aus dem Schlaf hochfahren. Ich japse nach Luft. Alles an mir klebt vor Schweiß. Trotzdem überkommt mich Erleichterung, als ich merke, wo ich mich befinde und dass die Worte meiner betrunkenen Mutter mich hier nicht erreichen können.
Ich bin kein psychisches Wrack.
Ich werde nicht versagen.
Und außerdem bin ich nicht allein. Gott ist dabei und er wird mit mir diesen Kampf ausfechten. Während ich mich an dem Bild seines Schwertes festhalte, das alles Böse um mich herum aus dem Weg räumt – und um Casey –, schlafe ich wieder ein. Diesmal träume ich vom Sieg.
5
Dylan
Mein anderes Wegwerfhandy klingelt, während ich auf die Wand mit dem Beweismaterial starre. Ich hebe ab: „Hey, Mann.“
„Alter“, sagt Dex. „Gerade habe ich die Online-Zeitung gelesen. Weißt du eigentlich, wie oft sie die Seite updaten, wenn sie eine neue Story haben?“
„Ich kann es mir vorstellen“, sage ich, obwohl ich so gut wie nie Online-Zeitungen lese. Ich bin eher ein Papiermensch.
„Also, sie haben gerade die Nachricht über einen Mann veröffentlicht, den man heute Morgen tot in der Stadt gefunden hat. Ein Deutscher, Besitzer einer Reinigung. Wie sich herausgestellt hat, ist er einer der Geschäftsleute, mit denen Keegan sich unterhielt, als ich ihm gefolgt bin.“
Für einen Moment bleibe ich ruhig und versuche zu verstehen, was Dex soeben gesagt hat. „Du meinst, es handelt sich um einen der Männer, die du für Erpressungsopfer gehalten hast?“, hake ich nach.
„Genau. Also ich konnte nicht hören, worüber die beiden sich unterhielten. Aber ich habe ganz deutlich gesehen, wie Keegan in den Laden ging und mit dem Besitzer gesprochen hat. Durch das Fenster habe ich sie beobachtet. Der Reinigungsbesitzer gab Keegan einen Umschlag und darin befand sich Geld. Das weiß ich, weil ich Keegan beobachtet habe, als er es nachzählte. Er war zwar nur einer von vielen, aber dennoch erinnere ich mich an das Gesicht dieses Deutschen. Und nun ist er tot.“
Ich verlasse meinen Posten auf der Armlehne des Sofas. „Okay, guter Fang“, sage ich. „Das könnte tatsächlich etwas sein.“
„Sie haben geschrieben, dass man ihn vor etwa drei Stunden gefunden hat.“
„Der Körper könnte sich noch immer am Tatort befinden. Mal sehen, ob ich ihn noch erwischen kann.“
„Was ist, wenn das dynamische Duo auf den Fall angesetzt wurde?“
„Das sehen wir dann.“
„Willst