Ethik. Baruch de Spinoza

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Название Ethik
Автор произведения Baruch de Spinoza
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783849636500



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eben in dem von seiner Ursache, was es von der Ursache hat. Z. B. der Mensch ist die Ursache des Daseins, nicht aber des Wesens eines andern Menschen, denn dieses ist eine ewige Wahrheit, und deshalb können sie dem Wesen nach einander ganz gleich sein; im Dasein aber müssen sie sich unterscheiden, und deshalb, wenn das Dasein des einen aufhört, wird darum nicht das des andern aufhören; wenn aber das Wesen des einen zerstört und verfälscht werden könnte, würde auch das Wesen des anderen zerstört. Deshalb muß das Ding, welches die Ursache des Wesens und Daseins einer Wirkung ist, von dieser Wirkung, sowohl in Rücksicht des Wesens, als in Rücksicht des Daseins, verschieden sein. Nun ist Gottes Verstand die Ursache des Wesens wie des Daseins unseres Verstandes, also unterscheidet sich Gottes Verstand, insofern er als das göttliche Wesen ausmachend erkannt wird, von unserem Verstande, sowohl in Rücksicht des Wesens als in Rücksicht des Daseins, und kann in nichts, als dem Namen nach, ihm gleich sein, wie ich zeigen wollte. Hinsichtlich des Willens wird der Beweis ebenso geführt, wie jeder leicht einsehen kann.

      Lehrsatz 18. Gott ist die innewohnende immanente, nicht aber die vorübergehende Ursache aller Dinge.

      Beweis. Alles, was ist, ist in Gott und muß aus Gott begriffen werden (nach Lehrsatz 15), und darum ist Gott (nach Folgesatz 1 zu Lehrsatz 16) die Ursache der Dinge, welche in ihm sind. Dies ist das erste. Sodann kann es außer Gott keine Substanz geben (nach Lehrsatz 14), das heißt (nach Def. 3), ein Ding, das außerhalb Gottes in sich ist. Dies war das zweite. Gott ist also aller Dinge innewohnende, nicht aber vorübergehende Ursache. W. z. b. w.

      Lehrsatz 19. Gott oder alle Attribute Gottes sind ewig.

      Beweis. Denn Gott ist (nach Def. 6) die Substanz, welche (nach Lehrsatz 11) notwendig da ist, d. h. (nach Lehrsatz 7), zu deren Natur das Dasein gehört, oder (was dasselbe ist) aus deren Definition folgt, daß sie da sei, und deshalb ist er (nach Def. 8) ewig. Ferner ist unter Gottes Attributen das zu verstehen, was (nach Def. 4) das Wesen der göttlichen Substanz ausdrückt, d. h. das, was zur Substanz gehört; eben dies, sage ich, müssen die Attribute selbst enthalten. Nun gehört zur Natur der Substanz (wie ich schon aus Lehrsatz 7 bewiesen habe) die Ewigkeit, folglich muß jedes Attribut die Ewigkeit enthalten, und folglich sind sie alle ewig. W. z. b. w.

      Anmerkung. Dieser Lehrsatz erhellt auch ganz deutlich aus der Art, wie ich (Lehrsatz 11) das Dasein Gottes bewiesen habe. Aus diesem Beweise, sage ich, ist klar, daß Gottes Dasein wie sein Wesen eine ewige Wahrheit ist. Sodann habe ich (Lehrsatz 19, Teil 1 der Prinzipien Descartes') noch auf eine andere Art die Ewigkeit Gottes bewiesen und brauche dies hier nicht zu wiederholen.

      Lehrsatz 20. Gottes Dasein und Gottes Wesen ist ein und dasselbe.

      Beweis. Gott und alle seine Attribute sind (nach dem vor. Lehrsatze),ewig, d. h. (nach Def. 8) jedes einzelne seiner Attribute drückt das Dasein aus. Dieselben Attribute Gottes also, welche (nach Def. 4) Gottes ewiges Wesen ausdrücken, drücken zugleich sein ewiges Dasein aus, d. h. eben das, was das Wesen Gottes ausmacht, macht auch zugleich sein Dasein aus, und also ist dies und sein Wesen ein und dasselbe. W. z. b. w.

      Folgesatz 1. Hieraus folgt erstens, daß das Dasein Gottes, wie sein Wesen, eine ewige Wahrheit ist.

      Folgesatz 2. Es folgt zweitens, daß Gott oder alle Attribute Gottes unveränderlich sind; denn, wenn sie in Rücksicht des Daseins verändert würden, müßten sie auch (nach dem vorigen Lehrsatz) in Rücksicht des Wesens verändert werden, d. h. (wie an sich klar), aus wahren zu falschen werden, was widersinnig ist.

      Lehrsatz 21. Alles, was aus der absoluten Natur eines göttlichen Attributs folgt, mußte immer und unendlich da sein, oder ist vermöge dieses Attributes ewig und unendlich.

      Beweis. Man nehme (wenn man es leugnen will), möglicherweise an, daß aus der absoluten Natur eines göttlichen Attributs etwas erfolge, was endlich ist und ein begrenztes Dasein oder Dauer hat, z. B. die Idee Gottes im Denken. Nun ist aber das Denken, da es als Attribut Gottes angenommen wird, notwendig (nach Lehrsatz 11) seiner Natur nach unendlich; insofern es aber die Idee Gottes hat, wird es als endlich angenommen. Aber (nach Def. 2) kann es als endlich nur begriffen werden, wenn es durch das Denken selbst begrenzt wird; jedoch nicht durch das Denken selbst, insofern es die Idee Gottes ausmacht; denn insofern wird es eben als endlich angenommen; also durch das Denken, insofern es die Idee Gottes nicht ausmacht, welches dennoch (nach Lehrsatz 11) notwendig da sein muß. Es gibt also ein Denken, welches nicht die Idee Gottes ausmacht, und darum folgt nicht aus seiner Natur, insofern es absolutes Denken ist, notwendig die Idee Gottes. (Denn es wird ein die Idee Gottes ausmachendes und ein sie nicht ausmachendes angenommen.) Dies ist gegen die Voraussetzung. Wenn also die Idee Gottes im Denken, oder sonst etwas (es ist gleich, was man annimmt, denn der Beweis ist allgemein) in einem Attribute Gottes aus der Notwendigkeit der absoluten Natur des Attributs selbst folgt, so muß es notwendig unendlich sein. Dies war das erste. Ferner kann das, was aus der Notwendigkeit der Natur eines Attributes auf diese Weise erfolgt, keine begrenzte Dauer haben. Denn, leugnet man dies, so nehme man an, es wäre ein Ding, welches aus der Notwendigkeit der Natur eines Attributes folgt, in einem Attribute Gottes vorhanden, z. B. die Idee Gottes im Denken und von dieser nehme man an, sie sei einmal nicht dagewesen, oder werde einmal nicht da sein. Da nun aber das Denken als ein Attribut Gottes angenommen wird, muß es auch notwendig und unveränderlich da sein (nach Lehrsatz 11 und Folgesatz 2 zu Lehrsatz 20). Sonach müßte das Denken ohne die Idee Gottes über die Grenzen der Dauer der Idee Gottes hinaus da sein; denn es wird angenommen, sie sei einmal nicht da gewesen oder werde nicht da sein. Dies ist aber gegen die Voraussetzung, denn es wird angenommen, daß aus dem gegebenen Denken die Idee Gottes notwendig erfolge. Also kann die Idee Gottes im Denken, oder sonst etwas, was notwendig aus der absoluten Natur eines göttlichen Attributes folgt, keine begrenzte Dauer haben, sondern ist durch eben dieses Attribut ewig. Dies war das zweite. Zu bemerken ist, daß eben dies auch von jeder anderen Sache behauptet werden muß, die in einem Attribute Gottes aus der absoluten Natur Gottes notwendig erfolgt.

      Lehrsatz 22. Alles, was aus einem anderen Attribute Gottes folgt, insofern es durch eine solche Modifikation modifiziert wird, die eben dadurch sowohl notwendig als unendlich da ist, muß ebenfalls sowohl notwendig wie unendlich da sein.

      Beweis. Der Beweis dieses Lehrsatzes wird auf dieselbe Art, wie der Beweis des vorigen geführt.

      Lehrsatz 23. Jeder Modus, welcher notwendig und unendlich da ist, mußte notwendig folgen, entweder aus der absoluten Natur eines göttlichen Attributes, oder aus einem Attribute, das durch eine notwendig und unendlich daseiende Modifikation modifiziert ist.

      Beweis. Denn der Modus ist in einem anderen, durch welches er begriffen werden muß (nach Def. 5), d. h. (nach Lehrsatz 15), er ist in Gott allein und kann aus Gott allein begriffen werden. Wenn also der Modus als notwendig daseiend und unendlich seiend begriffen wird, so muß dies beides notwendig aus einem Attribute Gottes geschlossen oder wahrgenommen werden, insofern dies als Unendlichkeit und Notwendigkeit des Daseins, oder (was nach Def. 8 dasselbe ist) Ewigkeit ausdrückend begriffen wird, d. h. (nach Def. 6 und Lehrsatz 19) sofern es absolut betrachtet wird. Der Modus also, welcher notwendig und unendlich da ist, mußte aus der absoluten Natur eines göttlichen Attributes folgen; und dies entweder unmittelbar (worüber Lehrsatz 21), oder durch Vermittlung einer Modifikation, welche aus der absoluten Natur des Attributes erfolgt, d. h. (nach dem vorigen Lehrsätze), welche notwendig und unendlich da ist. W. z. b. w.

      Lehrsatz 24. Das Wesen der von Gott hervorgebrachten Dinge schließt nicht ihr Dasein in sich.

      Beweis. Dieser erhellt aus Def. 1; denn dasjenige, dessen Natur (nämlich an sich betrachtet) das Dasein in sich schließt, ist Ursache seiner selbst und existiert gemäß der bloßen Notwendigkeit seiner Natur.

      Folgesatz. Hieraus folgt, daß Gott nicht bloß die Ursache ist, daß die Dinge anfangen, da zu sein, sondern auch, daß sie im Dasein beharren, oder (um einen scholastischen Ausdruck zu gebrauchen): Gott ist die »Seinsursache« der Dinge. Denn,