Ethik. Baruch de Spinoza

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Название Ethik
Автор произведения Baruch de Spinoza
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783849636500



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dasselbe weder sein noch begriffen werden kann, und folglich (nach Anmerkung zu Lehrsatz 29) zur gewordenen Natur, nicht aber zur wirkenden gerechnet werden muß, wie auch die übrigen Modi des Denkens. W. z. b. w.

      Anmerkung. Der Grund, warum ich hier vom wirklichen Verstande spreche, ist nicht, weil ich zugebe, es gäbe einen Verstand der Möglichkeit nach, sondern, weil ich alle Verwirrung zu vermeiden trachte, wollte ich nur von einem von uns ganz deutlich aufgefaßten Dinge sprechen, nämlich vom Verstehen selbst; denn deutlicher als dies können wir nichts auffassen; können wir doch nichts verstehen, was nicht zur vollkommeneren Erkenntnis des Verstehens führte.

      Lehrsatz 32. Der Wille kann nicht freie Ursache, sondern nur notwendige heißen.

      Beweis. Der Wille ist nur ein gewisser Modus des Denkens, wie der Verstand, folglich kann (nach Lehrsatz 28) jedes Wollen nur da sein und zum Wirken bestimmt werden, wenn es von einer anderen Ursache bestimmt wird, und diese wieder von einer anderen und so fort ins Unendliche. Wenn der Wille als unendlich angenommen würde, müßte er auch zum Dasein und Wirken von Gott bestimmt werden, nicht insofern dieser die absolut unendliche Substanz ist, sondern insofern er ein Attribut hat, welches das unendliche und ewige Wesen des Denkens ausdrückt (nach Lehrsatz 23). Auf welche Weise also er begriffen werden mag, sei es als endlich oder unendlich, so erheischt er eine Ursache, durch welche er zum Dasein und Wirken bestimmt wird, und folglich (nach Def. 7) kann er nicht freie Ursache, sondern nur notwendige oder gezwungene genannt werden. W. z. b. w.

      Folgesatz 1. Hieraus folgt erstens, daß Gott nicht aus Freiheit des Willens wirkt.

      Folgesatz 2. Es folgt zweitens, daß Wille und Verstand sich so zu Gottes Natur verhalten, wie Bewegung und Ruhe, und überhaupt wie alle Naturdinge, welche (nach Lehrsatz 29), um da zu sein und zu wirken, von Gott auf eine gewisse Weise bestimmt werden müssen. Denn der Wille bedarf, wie alles übrige, einer Ursache, durch welche er, um da zu sein und zu wirken, auf eine gewisse Weise bestimmt wird. Und obgleich aus einem gegebenen Willen oder Verstand Unendliches folgt, kann deshalb dennoch von Gott ebensowenig gesagt werden, daß er aus Freiheit des Willens handle, als wegen dessen, was aus Bewegung und Ruhe folgt (denn auch aus diesen erfolgt Unendliches), gesagt werden kann, daß er aus Freiheit der Bewegung und Ruhe handle; darum gehört der Wille ebensowenig zur Natur Gottes, als die übrigen Naturdinge, sondern er verhält sich auf dieselbe Weise zu ihr, wie Bewegung und Ruhe und alles übrige, was, wie ich gezeigt habe, aus der Notwendigkeit der göttlichen Natur folgt und auf gewisse Weise da zu sein und zu wirken von ihr bestimmt wird.

      Lehrsatz 33. Die Dinge konnten auf keine andere Weise und in keiner andern Ordnung von Gott hervorgebracht werden, als sie hervorgebracht worden sind.

      Beweis. Denn alle Dinge sind aus der gegebenen Natur Gottes notwendig erfolgt (nach Lehrsatz 16) und aus der Notwendigkeit der göttlichen Natur bestimmt, auf gewisse Weise da zu sein und zu wirken (nach Lehrsatz 29). Wenn also die Dinge von anderer Natur sein, oder auf andere Weise zum Wirken hätten bestimmt werden können, so daß die Ordnung der Natur eine andere wäre, so hätte demnach auch die Natur Gottes eine andere sein können, als sie jetzt ist, und folglich (nach Lehrsatz 11) müßte jene andere auch da sein, und sonach könnte es zwei oder mehrere Götter geben, was (nach Folgesatz 1 zu Lehrsatz 14) widersinnig ist. Deshalb konnten die Dinge auf keine andere Weise und in keiner anderen Ordnung usw. W. z. b. w.

      1. Anmerkung. Da ich hierdurch sonnenklar gezeigt habe, daß es durchaus nichts in den Dingen gibt, weshalb sie zufällig genannt werden könnten, will ich kurz erläutern, was nach meiner Auffassung unter zufällig zu verstehen ist, jedoch vorher, was unter notwendig und unmöglich. Ein Ding heißt notwendig entweder in Beziehung auf sein Wesen, ober in Beziehung auf die Ursache. Denn das Dasein eines Dinges erfolgt notwendig entweder aus seinem Wesen und seiner Definition, oder aus einer gegebenen wirkenden Ursache. Sodann wird auch aus eben diesen Gründen ein Ding unmöglich genannt, weil nämlich entweder sein Wesen oder seine Definition einen Widerspruch enthält, oder weil es keine äußere Ursache gibt, welche ein solches Ding hervorzubringen bestimmt wäre. Zufällig aber wird ein Ding nur mit Rücksicht auf einen Mangel unserer Erkenntnis genannt. Denn ein Ding, von dem wir nicht wissen, ob sein Wesen einen Widerspruch enthält, oder von dem wir sehr gut wissen, daß es keinen Widerspruch enthält, aber dennoch von seinem Dasein nichts mit Bestimmtheit behaupten können, weil uns nämlich die Ordnung der Ursachen unbekannt ist, dies kann uns niemals weder als notwendig noch als unmöglich scheinen, und darum nennen wir es entweder zufällig oder möglich.

      2. Anmerkung. Aus dem Vorhergehenden folgt deutlich, daß die Dinge in der höchsten Vollkommenheit von Gott hervorgebracht worden sind, da sie ja aus der vorhandenen vollkommensten Natur mit Notwendigkeit erfolgt sind. Und dies zeiht Gott keiner Unvollkommenheit, denn seine Vollkommenheit zwingt uns zu dieser Behauptung. Ja, aus dem Gegenteile würde klar folgen, (wie wir soeben gezeigt), daß Gott nicht höchst vollkommen ist, weil man nämlich, wenn die Dinge auf eine andere Weise hervorgebracht wären, Gott eine andere Natur zuschreiben müßte, verschieden von der, welche wir aus der Betrachtung des vollkommensten Seienden ihm zuzuschreiben gezwungen sind. Ich zweifle aber nicht, daß viele diese Meinung als widersinnig verspotten und sich nicht bemühen werden, sie zu überlegen, und zwar aus keinem anderen Grunde, als weil sie gewohnt sind, Gott eine andere Freiheit zuzuschreiben, welche von der, welche wir (Def. 7) angenommen haben, nämlich einem absoluten Willen, weit entfernt ist. Ich zweifle aber auch nicht, daß, wenn sie die Sache überlegen und die Reihenfolge unserer Beweise gehörig bei sich überdenken wollen, sie endlich eine solche Freiheit, wie sie jetzt Gott zuschreiben, nicht bloß als töricht, sondern auch als ein großes Hindernis des Wissens gänzlich verwerfen werden. Es ist unnötig, hier das zu wiederholen, was in der Anmerkung zu Lehrsatz 17 gesagt wurde; um ihretwillen will ich aber noch zeigen, daß, wenn man auch einräumt, daß der Wille zum Wesen Gottes gehört, aus seiner Vollkommenheit dennoch folgt, daß die Dinge auf keine andere Weise und in keiner anderen Ordnung von Gott erschaffen werden konnten. Dies wird leicht zu zeigen sein, wenn wir zuvörderst das betrachten, was sie selbst zugeben, daß es nämlich von dem Beschlusse und dem Willen Gottes allein abhänge, daß jedes Ding das ist, was es ist. Denn sonst wäre Gott nicht Ursache aller Dinge. Ferner, daß alle Beschlüsse Gottes von Ewigkeit her von Gott selbst gefaßt waren, denn sonst würde er der Unvollkommenheit und Unbeständigkeit geziehen. Da es aber im Ewigen kein Wann, kein Vorher und kein Nachher gibt, so folgt daher aus der bloßen Vollkommenheit Gottes, daß Gott nie etwas anderes beschließen kann, noch je gekonnt hat, oder daß Gott vor seinen Beschlüssen weder gewesen ist, noch ohne sie sein kann. Aber, sagen sie, nähme man auch an, daß Gott eine andere Natur der Dinge gemacht hätte, oder daß er von Ewigkeit etwas anderes über die Natur und ihre Ordnung beschlossen hätte, so würde hieraus doch keine Unvollkommenheit in Gott folgen. Wenn sie dies aber sagen, so räumen sie zugleich ein, daß Gott seine Beschlüsse ändern könne. Denn hätte Gott über die Natur und ihre Ordnung etwas anderes beschlossen, als er beschlossen hat, d. h. hätte er etwas anderes über die Natur gewollt und sich vorgenommen, so hätte er notwendig einen anderen Verstand gehabt, als er jetzt hat, und einen anderen Willen, als er jetzt hat. Und wenn man Gott einen anderen Verstand und einen anderen Willen, ohne eine Veränderung seines Wesens und seiner Vollkommenheit, zuschreiben darf, wo ist ein Grund, warum er nicht jetzt seine Beschlüsse über die geschaffenen Dinge ändern, und dennoch gleich vollkommen bleiben könnte? Denn es ist ja einerlei in Rücksicht seines Wesens und seiner Vollkommenheit, wie man seinen Verstand und Willen, in bezug auf die geschaffenen Dinge und ihre Ordnung, begreift. Ferner geben alle Philosophen, die ich kenne, zu, daß es in Gott keinen bloß potentiellen Verstand gibt, sondern bloß einen aktuellen. Da aber sein Verstand und Wille sich nicht von seinem Wesen unterscheiden, wie auch alle zugeben, so folgt hieraus auch, daß, wenn Gott einen anderen wirklichen Verstand und Willen gehabt hätte, auch sein Wesen notwendig ein anderes wäre, und ferner (wie ich anfangs geschlossen habe), wenn die Dinge anders, als sie jetzt sind, von Gott hervorgebracht worden wären, so müßte Gottes Verstand und sein Wille, d. h. (wie zugegeben wird), sein Wesen, ein anderes sein, was widersinnig ist. Da also die Dinge auf keine andere Weise und in keiner anderen Ordnung von Gott hervorgebracht werden konnten und die Wahrheit dieses Satzes aus der höchsten Vollkommenheit