MIT ZÄHNEN UND KLAUEN. Craig DiLouie

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Название MIT ZÄHNEN UND KLAUEN
Автор произведения Craig DiLouie
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783943408645



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Als er sich zur Seite dreht, bemerkt er, dass Private First Class Wyatt ihn ansieht, denn dessen Augen schimmern im Dunkeln. Er nimmt seine Kopfhörer ab und fragt: »Bist du noch wach, Mooney?«

       »Kann nicht pennen, und du?«

       »Bin am Chillen, Kumpel.«

       »Alles klar. Dann gute Nacht, Joel.«

       »Nacht.«

       Mooney schließt die Augen, verdrängt die Schießerei und versucht stattdessen, sich zu vergegenwärtigen, wie Laura aussieht. Eigentlich sind die beiden kein Paar mehr, aber auch das blendet er aus. Bevor er in den Irak ging, sagte er ihr, es sei vernünftig, Schluss zu machen. Vom damaligen Standpunkt aus betrachtet steht er auch heute noch zu dieser Entscheidung, zumal er sich seinerzeit bereits länger damit grämte, dass er bisweilen an ihrer Schönheit zweifelte und erwog, etwas Besseres verdient zu haben. Leider sah er dabei nicht kommen, wie hart es in Übersee zugehen und wie einsam er sich fühlen sollte. Jetzt beharrt er darauf, sie immer noch zu lieben – sein Rettungsanker in dieser turbulenten Welt. Im Übrigen sprang sie etwas zu eifrig auf seinen Vorschlag an, neue Bekanntschaften zu schließen, und dies lässt ihm schon seit seiner Entsendung keine Ruhe.

       »Hey, Mooney.«

       »Was ist, Joel?«

       »Ich hab Bock auf Glotze. Oben in den Krankenzimmern stehen Fernseher, richtig? Bist du dabei?«

       Ein Gefühl gleich elektrischen Stroms, der seinen Kreislauf anregt, lässt Mooney mit einem Satz von der Pritsche aufspringen. Binnen weniger Sekunden haben die beiden T-Shirts und Hosen angezogen und trippeln barfuß auf Zehenspitzen in den Flur. Sie bemühen sich, nicht zu lachen, als sie am Büro des Gebäudetechnikers vorbeihuschen, in dem der Lieutenant, der Platoon Sergeant sowie die Gruppenführer angespannt die Köpfe zusammenstecken, um sich zu beratschlagen.

       Die beiden verharren und lauschen.

       »Meine Frau ist allein dort draußen mit meinem Sohn, und ich werde sie beschützen«, hören sie jemanden sagen.

       Lewis?, fragt Mooney lautlos.

       Wyatt zuckt mit den Achseln.

       »Richtig«, erwidert eine zweite Stimme. »Sie ist allein dort draußen. Was, wenn sie eine von denen wird? Wollen Sie, dass wir auch sie erschießen?«

       »Ich sage Ihnen eines«, hebt Lewis an. »Falls ich mich in so etwas verwandle, möchte ich, dass Sie mir einen Kopfschuss verpassen.«

       »Was zum Henker, over?«, flüstert Mooney.

       »Was zum Henker, Ende«, antwortet Wyatt, wiederum achselzuckend.

       So reizend Bespitzeln auch sein mag, überwiegt nun doch die Verlockung geistloser Unterhaltung und ruft ihnen ihren ursprünglichen Vorsatz ins Gedächtnis zurück. Auf dem Flur ist es dunkel, also bemerkt niemand ihre Bewegungen, während die surrenden Maschinen im Keller des Krankenhauses ihre Schritte unhörbar machen. Überall im Untergeschoss stinkt es nach Ammoniak und Desinfektionsmitteln.

       Wir sind Ninja, denkt Mooney, völlig im Verborgenen. Er lächelt über diese Vorstellung.

       »Was steht so spät noch auf dem Programm«, will Wyatt wissen, als sie das Treppenhaus erreichen und die ersten Stufen nehmen.

       »Ist doch egal. Ich will einfach nur abschalten und 'ne Stunde lang vergessen, wer ich bin.«

       »Besser als Pennen!«

       »Wer kann jetzt schon ein Auge zumachen?«, fragt Mooney.

       »Wohin gehen wir überhaupt?«

       »Lass uns vom fünften Stock aus abwärts eine Etage nach der anderen abklappern, bis wir ein Zimmer mit Flimmerkiste finden, die funktioniert. Geritzt?«

       »In den Finger«, bestätigt Wyatt.

       Als sie im fünften Stock ankommen, keuchen die Jungs und legen eine Pause ein, um Luft zu schnappen. Nicht, dass ihre Form zu wünschen übrig ließe, doch nach Monaten harter Arbeit bei wenig Schlaf und unzureichender Kalorienzufuhr sind sie erschöpft. Sie lassen sich auf dem obersten Treppenabsatz nieder und rauchen gemeinsam eine Zigarette. Mooney wird allmählich warm mit dem hochgeschossenen, dürren Wyatt, der als Ersatz aus Michigan kam. Bei Unterhaltungen scheint der Rotschopf stets über die Schulter seines Gegenübers zu schauen. Die meisten anderen finden ihn ein bisschen schräg.

       »Bereit für ein paar Dauerwerbesendungen, Kollege?«, fragt Wyatt. »Wie wäre es mit Girls Gone Wild?«

      Mooney schnippt die Zigarette die Treppe hinunter, wo sie beim Auftreffen Funken sprüht, und schiebt seinen Mundschutz wieder hoch. »Okay, weiter.«

       Wyatt reicht ihm ein paar Latexhandschuhe, die Mooney gleich anzieht.

       »Denk daran: Falls uns eine Krankenschwester oder sonst jemand entdeckt, sagen wir einfach, man schickt uns, um diesen Bullen Winslow zu finden. Das ist unser Vorwand.«

       Kaum, dass sie die Etagentür öffnen, müssen sie würgen, da es erbärmlich stinkt. Der widerlich saure Körperschweiß der Lyssa-Opfer verbirgt sich unter einer Übelkeit erregenden süßlichen Mischung aus Lufterfrischern und einem Parfüm, das der Stab des Trinity offensichtlich überall versprüht hat.

       Mooney hört Menschen stöhnen und erkennt fahrbare Krankenliegen an den Wänden des Korridors, alle mit Lyssa-Patienten belegt, die am Tropf hängen, damit sie nicht austrocknen. Einige knurren und sträuben sich gegen die Gurtbänder, mit denen sie fixiert wurden, doch die meisten liegen einfach nur da und stöhnen mit rasselndem Atem.

       Außer ihnen ist keine Menschenseele in Sicht.

       Wyatt pfeift leise angesichts dieser Kulisse. »Schaurig.«

       Mooney nickt.

       »Im Ernst«, fährt Wyatt fort, »wäre es nicht cool, wenn die alle aufspringen und uns angreifen würden?«

       Sie biegen um eine Ecke. In diesem Bereich sind keine Patienten untergebracht, doch für die Nacht hat man die Beleuchtung eingeschaltet. Die beiden Soldaten blinzeln gegen das Neonlicht.

       »Wir wären besser nicht hier«, sagt Mooney. »An diesem Ort wimmelt es vor Viren.«

       »Alter, was hältst du von diesem Mief? Jedes Mal, wenn ich glaube, ich hätte mich daran gewöhnt, krieg ich den Kotzreiz. Dabei steckt sogar eine dieser Werbeduftproben zum Reiben in meiner Maske, die ich aus einer Zeitschrift gerissen habe.«

       »Mission abbrechen?«

       »Scheiße, nein! Immerhin liegen hier oben Patienten auf den Zimmern, also muss auch irgendwo eine Mattscheibe stehen. Wäre doch hammermäßig, wenn sie auch eine PlayStation hätten.«

       »Würde gern Guitar Hero zocken«, gesteht Mooney.

       Während sie sich die Nasen zuhalten, schleichen sie zu einer weiteren Tür. Im dunklen Raum dahinter liegen Lyssa-Opfer in ihren eigenen Körperausdünstungen und stinken vor sich hin. Mooney kann ihren unregelmäßigen Atem hören. Unter ihnen befindet sich eine junge Frau auf einem Klappbett am Boden, die abwechselnd weint und sich im Fieberwahn bei jemandem namens Ron entschuldigt.

       »Bingo«, sagt Wyatt. »Da hat aber wer auf stumm geschaltet. Wir müssen also die Fernbedienung finden, es sei denn, du stehst auf den Ticker. Ich für meinen Teil kann gar nicht so schnell lesen.«

       »Welcher Sender ist es?«

       »CNN, glaube ich. Irgendwelche Ausschreitungen in Chicago. Nein warte; jetzt geht es um Atlanta.«

       »Hallo?« Die kratzige Stimme jagt ihnen einen Schrecken ein, sodass sie zusammenzucken.

       »Ihretwegen, wer auch immer Sie sind, habe ich mir fast in die Hosen geschissen«, wispert Wyatt und lacht los.

       »Ging mir genauso«, sagt die Stimme. »Sind Sie von der Polizei?«

       »Nein, Sir«, antwortete Mooney. Da sich seine Augen langsam an die Dunkelheit gewöhnen, macht er die Umrisse eines Mannes aus, der sich im Bett aufgerichtet hat. »Wir gehören zur US-Army.«

       »Etwas früher heute Abend gab es Geschrei weiter unten auf dem Flur. War wohl nur jemand, den das Fieber in den Wahnsinn getrieben hat, was? Es klang