Sophienlust Staffel 14 – Familienroman. Elisabeth Swoboda

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Название Sophienlust Staffel 14 – Familienroman
Автор произведения Elisabeth Swoboda
Жанр Языкознание
Серия Sophienlust Staffel
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783740971625



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musste Norbert Hellbach festschnallen, um zu vermeiden, dass er sich immer wieder hochstemmte.

      »Halten Sie doch bitte den Arm ruhig, sonst rutscht die Nadel wieder heraus. Wollen Sie denn Ihrem Kind nicht helfen? Wollen Sie denn, dass es stirbt?« Die Stimme des Mediziners klang vorwurfsvoll. Er erlebte in seinem Beruf oft die sonderbarsten Dinge. Doch dass ein Vater sich weigerte, seinem schwerverletzten Sohn zu helfen, das war neu.

      »Wenn es mein Sohn wäre!«, rief Norbert Hellbach aufgebracht. »Aber er trägt doch nur meinen Namen. Sie dürfen sich davon nicht täuschen lassen, Herr Doktor.«

      »Da Sie dieselbe seltene Blutgruppe besitzen wie der kleine Uwe, gibt es aus medizinischer Sicht an Ihrer Vaterschaft keinen Zweifel«, antwortete der Mann im weißen Kittel ruhig. Er beugte sich über das Kind auf der Trage neben dem Dirigenten und überprüfte den Sitz der Schläuche.

      Norbert Hellbach verdrehte die Augen. Dann sagte er so langsam und deutlich, als spreche er zu einem Irren: »Meine Frau hat dieses Kind durch eine künstliche Befruchtung empfangen, weil ich selbst nicht in der Lage bin … Ich hatte als junger Mensch einen schweren Unfall. Die Ärzte sagten mir damals, dass ich nie Vater werden kann.«

      Der Mann, der jetzt aufmerksam die Blutübertragung kontrollierte, lächelte mild. »Auch Ärzte irren sich manchmal.«

      »Sie glauben … Sie meinen …« Norbert Hellbach kämpfte mit den Gurten, die seinen Oberkörper auf der Liege festhielten. Zu gern hätte er sich aufgerichtet. Doch es ging nicht. »Das ist doch nicht möglich!« Er begriff die ganze Welt nicht mehr. Er, der im Beruf so glänzende Erfolge hatte, war längst überzeugt gewesen, privat ein Versager zu sein. Dass es nun doch anders sein sollte, konnte er nicht glauben.

      »Und weshalb nicht? Sie sind doch gesund, führen eine glückliche Ehe.« Der Mann im weißen Kittel schüttelte leicht den Kopf. Wie konnte man sich nur so stur stellen?

      Langsam begriff der Dirigent, dass der Arzt die Wahrheit sagte.

      Uwe war tatsächlich sein Sohn, sein eigen Fleisch und Blut. Und er hatte dieses hilflose Geschöpf so hässlich behandelt. Tief beschämt sah er hinüber. Still und friedlich lag der kleine Junge da. Ein dünner Plastikschlauch verband ihn selbst mit ihm. Ein Plastikschlauch, durch den unaufhörlich Blut floss. Sein Blut für das Kind. Kaum merklich röteten sich bereits die bleichen Lippen.

      Ganz plötzlich erfasste Norbert Hellbach eine tiefe Zuneigung zu dem kleinen Wesen, das er noch vor Tagen so schroff abgelehnt hatte. Jetzt, da er wusste, dass Uwe sein Kind war, schämte er sich seines Verhaltens. Er schloss die Augen.

      *

      »Jetzt wird alles gut«, flüsterte wenig später eine Stimme neben ihm. Eine Stimme, die sanft und zärtlich klang wie das Rauschen des Sommerwindes. Eine Stimme, die er sofort erkannte.

      Norbert riss die Augen auf. Wieder hinderten ihn die Gurte daran, emporzuschnellen. »Inge, kannst du mir verzeihen?«, stöhnte er. »Kannst du vergessen, was für böse Dinge ich gesagt habe, wie herzlos ich gegen dich war? Es tut mir so leid. Wie sehr, das kann ich gar nicht ausdrücken.« Er tastete mit der freien Hand nach Inges Fingern, berührte sie sanft und schüchtern.

      »Ich konnte dich immer sehr gut verstehen«, antwortete die hübsche blonde Frau leise. »Ich weiß, welche Belastung es für dich war, dass ein anderer Uwes Vater sein sollte. Warum haben wir nie daran gedacht, dass es auch anders sein könnte? Ich bin so froh, dass nun der Beweis erbracht ist. Es gibt keinen Zweifel mehr daran, dass Uwe unser Kind ist. Du ahnst nicht, wie glücklich mich das macht. Jetzt beginnt unser gemeinsames Leben erst richtig. Jetzt werden wir endlich eine glückliche Familie sein.«

      »Du willst bei mir bleiben? Nach allem, was ich dir angetan habe?«

      »Du hast es nur aus Liebe zu mir getan. Weil du eifersüchtig warst und gekränkt. Unzufrieden mit dir selbst. Wir wollen nicht mehr darüber sprechen. Es ist alles vorbei.«

      Norbert Hellbach holte tief Luft. »Inge, du bist eine wundervolle Frau. Eine Frau, die ich nicht verdient habe. Niemals hätte ich gedacht, dass ein Mensch so großzügig sein kann.«

      »Er kann es nur, wenn er einen Menschen so sehr liebt wie ich dich.« In Inges ausdrucksvollen braunen Augen spiegelte sich unendliche Zärtlichkeit. Sie beugte sich hinab, küsste Norbert innig auf den Mund.

      »Ich würde dich so gern in die Arme nehmen«, stöhnte er. »Doch leider kann ich mich kaum rühren. Wir müssen es auf später verschieben.« Tränen brannten in Norberts Augen. Tränen der Freude.

      »Wir werden viel Zeit haben, Norbert. Und wir werden noch viel glücklicher sein als je zuvor.« Behutsam strichen Inges zarte Finger über das Gesicht ihres Mannes. »Es hat nie einen anderen für mich gegeben. Und das wird auch so bleiben«, raunte sie liebevoll.

      »Du weißt nicht, was du mir damit schenkst, Inge. Neues Leben, neuen Mut, neue Kraft. Ich werde wieder arbeiten, werde nie mehr trinken. Ich schwöre dir, das ist endgültig vorbei. Ich will Uwe ein guter Vater sein, will ihm alles geben, was er sich wünscht.« Es war Norbert Hellbach ernst mit dieser Aussage. Sehr ernst.

      »Ich habe immer gewusst, dass ich einen guten Mann habe. Den besten, den ich mir wünschen kann.« Erneut küsste Inge die sehnsüchtig geöffneten Lippen ihres Mannes. Die Schwester, die noch im Raum war, sah diskret zur Seite.

      *

      Christian Gentsch stand noch immer am Fenster des Warteraums, als Inge eintrat. Nervös fuhr er herum, starrte sie ungläubig an. Dann ging er ihr mit ausgebreiteten Armen entgegen, wollte sie stürmisch hineinschließen.

      Doch die zierliche junge Frau wich geschickt aus. »Ich habe Ihnen zu danken«, sagte sie und streckte Christian die Hand hin. Ihre Stimme klang so glücklich, dass der junge Mann aufhorchte.

      »Uwe wird wieder gesund? Hat man die Blutkonserven bekommen?«

      »Man hat seinen Vater gefunden«, antwortete Inge bewegt.

      »Seinen Vater? Ach so …« Traurig senkte Christian den Kopf. »Er ist der Mann, den Sie heiraten werden, nicht wahr?« Es war Christian klar, dass er verzichten musste. All die schönen Zukunftsträume zerrannen wie Eis in der Julisonne.

      »Nein.« Inge lächelte verträumt. »Wir sind längst verheiratet.«

      »Hellbach?« Christians schmales Gesicht war ein einziges Fragezeichen. »Jetzt verstehe ich gar nichts mehr.«

      »Die Blutuntersuchung hat ergeben, dass Norbert der Vater des kleinen Uwe ist. Jeder Zweifel daran ist ausgeschlossen. Die Ärzte, die Norbert damals jene unheilvolle Nachricht übermittelten, haben sich getäuscht.«

      »Dann bin ich überflüssig hier.« Christians Kopf sank immer weiter herab.

      »Ihnen haben wir es zu verdanken, dass Uwe sofort in ärztliche Behandlung kam, dass er gerettet werden konnte. Eine Viertelstunde später wäre jede Hilfe zu spät gekommen.« Inge griff nach Christians Händen, drückte sie herzlich. »Bleiben Sie unser Freund, Christian. Uwe hat Sie gern. Besuchen Sie ihn manchmal.«

      »Ich weiß nicht … Vielleicht muss erst einige Zeit vergehen, ehe ich wieder zu mir selbst finde.«

      »Sie sind noch so jung, Christian. Eines Tages werden Sie Ihrer großen Liebe begegnen, und dann werden Sie froh und glücklich darüber sein, dass Sie noch frei sind.«

      Traurig schüttelte der junge Mann in den zerrissenen Jeans den Kopf. »Das wird lange dauern. Ich werde in den nächsten Jahren sehr viel arbeiten, werde meine ganze Kraft für mein Studium brauchen.«

      »Es ist gut, dass Sie es zu Ende führen können. Wenn Sie es mir zuliebe abgebrochen hätten, wären Sie früher oder später unzufrieden gewesen. Es hätte unsere Gemeinschaft stark belastet.«

      »Sie sind eine sehr schöne, kluge Frau, Inge. Ich gönne Ihnen Ihr Glück von ganzem Herzen. Und auch Norbert. Er ist ein wertvoller Mensch, wie man ihn nur sehr selten findet, ein begnadeter Künstler. Wenn ich es mir erlauben kann, werde ich ab und zu seine Konzerte besuchen.«

      »Sie