Kurfürstenklinik Paket 1 – Arztroman. Nina Kayser-Darius

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Название Kurfürstenklinik Paket 1 – Arztroman
Автор произведения Nina Kayser-Darius
Жанр Языкознание
Серия Kurfürstenklinik Paket
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783740970673



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bei Esther Berger jemals in seinem Leben angemessen bedanken sollte für das, was sie getan hatte.

      *

      »Herr Winter!« sagte Stefanie Wagner erstaunt, als Adrian nach kurzem Anklopfen ihr Büro betrat. Sie versuchte, ihre Nervosität über sein so plötzliches Auftauchen zu verbergen, und faltete vorsichtshalber ihre Hände, damit sie nicht hektisch auf die Schreibtischplatte trommelten.

      »Gehen Sie mit mir essen?« fragte er vergnügt. »Jetzt, wo ich Ihren Freund Tim Brown mit seiner Angebeteten zusammengeführt habe, habe ich mir ein Abendessen in Ihrer Gesellschaft verdient, finde ich.«

      »Was haben Sie gemacht?« fragte sie. Sie verstand kein Wort. Was war denn nun mit der Schwester, die angeblich in Dr. Winters Armen gelegen hatte? Das war doch Tims ›Angebetete‹ – oder etwa nicht?

      »Ich erzähle es Ihnen beim Essen«, versprach Adrian. »Oder haben Sie schon eine Verabredung?«

      Sie schüttelte den Kopf, und er war erleichtert. Er wußte ja, daß sie diesen Freund hatte, auch wenn sie ihn nie erwähnte. Aber zumindest hatte sie keinen neuen Freund, wie er befürchtet hatte, als er sie neulich in trautem Zusammensein mit Tim Brown gesehen hatte.

      Er mußte sich einfach irgendwann einmal trauen, sie nach jenem Mann zu fragen, der sie einmal in seinem Beisein zärtlich ›Schatz‹ genannt und sie auf die Wange geküßt hatte… Aber nicht heute. Er hatte schon zu viele klärende Gespräche hinter sich an diesem Tag.

      »Und wo ist Tim?« fragte Stefanie, die noch immer nicht wußte, was sie von alledem halten sollte.

      »In der Klinik bei seiner Caroline. Ich habe sie heute vormittag operiert«, erklärte er, als sei damit alles Wichtige gesagt. »Wie sieht’s aus: Können wir nicht sofort gehen? Ich habe einen Bärenhunger.«

      Allmählich begann sie zu begreifen, daß Dr. Winter und diese Caroline offenbar doch kein Paar waren, wie Tim noch vor kurzem steif und fest behauptet hatte, und auf einmal erschien

      ihr die Welt paradiesisch schön. Hatte sie heute wirklich soviel Streß und Ärger gehabt, daß sie wieder einmal überlegt hatte, ob sie nicht kündigen sollte?

      Sie konnte sich nicht mehr daran erinnern. Sie strahlte den so überaus attraktiven Mann, der vor ihrem Schreibtisch stand, an und sagte: »Ich auch, Herr Winter. Gehen wir!«

      *

      Das erste Menü, das Frau Senftleben nach ihrer Krankheit kochte, bestand aus Pilzsuppe, Kaninchenragout und Zitronensoufflé. Sie kochte es eine Woche später für Esther und ihren Bruder – zum Dank für alles, was sie für sie getan hatten.

      »Es ist ein Wunder, Frau Senftleben«, stellte Adrian fest, nachdem er auch den letzten Rest des Desserts säuberlich aus dem Schälchen gekratzt hatte, »daß Sie Esthers und meine Kochkünste überlebt haben.«

      Frau Senftleben schwankte sichtlich zwischen dem Wunsch, höflich zu sein, und ihrem angebotenen Drang zur Ehrlichkeit. Letzterer trug schließlich den Sieg davon. »Ja«, seufzte sie, »eigentlich finde ich das auch, Adrian. Haben Sie mir nicht am ersten Tag sogar eine Tütensuppe vorgesetzt? Oder war das ein Alptraum, den mir das hohe Fieber beschert hat?«

      Adrian senkte beschämt den Kopf, und Esther fing schallend an zu lachen.

      »Es stimmt also«, stellte Frau Senftleben fest, und nun funkelten ihre Augen vergnügt. »Mal sehen, ob ich mich bei Gelegenheit revanchieren kann.«

      »Bitte nicht, Frau Senftleben. Es kommt bestimmt nie wieder vor, ich verspreche es Ihnen.«

      »Das will ich auch hoffen! Und nun erzählen Sie mir bitte, was es Neues gibt.«

      Während Esther erzählte, wie sie Tim Brown dazu gebracht hatte, seinen Urlaub abzubrechen und zurück nach Berlin zu fahren, verlor sich Adrian in Gedanken an Stefanie Wagners strahlendes Lächeln, mit dem sie ihm beim Essen gegenübersaß.

      Ja, er mußte sie bald nach ihrem Freund fragen, das stand fest. Denn irgendwann würde er es einfach nicht mehr aushalten, ihr gegenüber höfliche Zurückhaltung zu wahren. Irgendwann würde er sie einfach küssen…

Cover Die Nacht, in der Bettina kam

      »Jetzt fahr doch nicht so schnell, Jens!« sagte Bettina Wördemann ängstlich.

      Ihr Freund Jens Banter lachte nur. »Warum nicht? Es macht mir Spaß, und die Straße ist völlig frei, das siehst du doch. Niemand ist unterwegs außer uns.«

      Jens Banter war ein großer, gutaussehender Mann mit ziemlich langen braunen Locken und einem klassischen Profil. Aber hinter seinem männlichen Äußeren verbarg sich ein Junge, der es nicht schaffte, erwachsen zu werden. Vielleicht wollte er das auch gar nicht. Das hatte Bettina leider erst im Laufe der letzten Zeit begriffen. Seine Leidenschaft für schnelles Fahren kannte sie, und sie hatte nichts dagegen, wenn er auf einer freien Autobahn so fuhr, aber doch nicht in einer Nacht wie dieser!

      »Das mag sein, aber es ist dunkel, es regnet in Strömen, es ist sehr windig, die Sicht ist nicht besonders gut, und…«

      Er unterbrach sie ungeduldig. »Die Sicht ist gut genug. Was ist denn bloß los mit dir? Du bist doch sonst nicht so ängstlich.«

      »Das hat mit ängstlich sein überhaupt nichts zu tun, und das weißt du auch. Ich hasse sinnlose Raserei, die außerdem noch gefährlich ist. Bei diesem Wetter fährt jeder vernünftige Mensch langsamer.«

      Er nahm den Fuß ein wenig vom Gas. »Besser so?« fragte er.

      »Besser, aber nicht gut. Kannst du nicht noch ein bißchen runtergehen mit der Geschwindigkeit? Mir zuliebe?«

      Er schien zu überlegen. Dann fing er an zu lachen. Es war kein angenehmes Lachen, und unwillkürlich zog sie die Schultern hoch, als fröstelte sie.

      »Ihr Frauen seid doch alle gleich«, sagte er, während er das Gaspedal erneut ganz durchdrückte, so daß der Wagen wie eine Rakete nach vorn schoß. »Immer Druck machen, erpressen, nörgeln. Ich kann dir gar nicht sagen, wie ich das hasse. Und damit du es weißt: Nur dir zuliebe fahre ich überhaupt mit zu deiner langweiligen Freundin mit ihrem noch langweiligeren Bruder. Nur dir zuliebe! Hast du das verstanden, Bettina?«

      Seine Stimme war immer lauter geworden, und sie ahnte, daß er doch etwas getrunken hatte, obwohl er auf ihre Frage hin behauptet hatte, keinen Tropfen angerührt zu haben. Aber das stimmte ganz sicher nicht. Es kam gelegentlich vor, daß Jens zuviel trank – zum Glück nicht allzu häufig.

      Sie überlegte, was sie tun sollte. Aber sie brauchte gar nicht zu sagen, daß sie selbst fahren wollte. Es würde ihn nur noch mehr aufregen, und er würde noch unvernünftiger fahren als jetzt schon, falls das überhaupt möglich war.

      »Schon gut«, sagte sie. »Es ist lieb von dir, daß du mitgefahren bist. Und du wirst sehen, es wird ein schönes Wochenende. Mona freut sich sehr, daß wir kommen, jetzt, wo Wolf auch gerade da ist.«

      Wieder ließ er dieses unangenehme Lachen hören, aber er verringerte zumindest die Geschwindigkeit ein wenig. Sie atmete auf. Von jetzt an würde sie nichts mehr sagen, was ihn aufregen konnte. Es war ja auch nicht mehr weit. Sie würden den kleinen Ort etwas außerhalb von Berlin, in dem ihre Freundin wohnte, bald erreicht haben.

      Sie lehnte sich zurück und sah auf die regennasse Straße. Schreckliches Wetter war das. Wenn sie nicht schon lange für dieses Wochenende mit Mona verabredet gewesen wäre, hätte sie vielleicht abgesagt. Aber Wolf war gerade bei Mona angekommen. Monas Bruder Wolf, der lange im Ausland gearbeitet hatte. Und er wollte Bettina unbedingt sofort wiedersehen und sie ihn auch – immerhin waren sie zusammen aufgewachsen.

      »Du mußt unbedingt kommen, Tina!« hatte Mona gesagt – und nach einer Weile halb schuldbewußt, halb lachend hinzugefügt: »Zur Not bringst du Jens eben mit.«

      Bettina seufzte. Mona und Jens mochten einander nicht besonders, obwohl sie ihr zuliebe zumindest höflich miteinander