Das Gesundheitswesen im internationalen Vergleich. Martin Schölkopf

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Название Das Gesundheitswesen im internationalen Vergleich
Автор произведения Martin Schölkopf
Жанр Медицина
Серия
Издательство Медицина
Год выпуска 0
isbn 9783954665983



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Zuständige Behörde im Internet

      Ministry of Health: www.health.govt.nz

       Vertiefende Literatur

      Gauld, R. 2017: The New Zealand Health Care System, in: Mossialos, E. et al. (Eds.): International Profiles of Health Care Systems. Commonwealth Fund. Washington, 121–128.

       2.2.5 Kanada

       Grundstruktur

      Das föderal aufgebaute Kanada verfügt über einen der gesamten Bevölkerung zur Verfügung stehenden öffentlichen Gesundheitsdienst (Medicare), der lange Zeit auf der Ebene der mit den deutschen Bundesländern vergleichbaren Provinzen organisiert wurde. Die gesundheitspolitische Zuständigkeit der kanadischen Bundesregierung ist im Wesentlichen auf die Rahmengesetzgebung, die (Mit-)Finanzierung sowie die Verantwortung für die Gesundheitsversorgung bestimmter Personengruppen (Indianer, Inuit, Soldaten und Kriegsveteranen) beschränkt.

      Nach einem von 1989 bis 2005 dauernden Prozess der Dezentralisierung und Regionalisierung wird die Gesundheitsversorgung mittlerweile zum Teil durch regionale Gesundheitsbehörden sichergestellt, die allerdings nicht in allen Versorgungsbereichen über vollständige Autonomie verfügen. Bundesgesetze, insbesondere der sog. Canada Health Act aus dem Jahr 1984, stellen zudem sicher, dass bestimmte Rahmenbedingungen der Gesundheitsversorgung in allen Provinzen gleichermaßen gelten. So müssen die Provinzen alle gesetzlich vorgegebenen medizinischen Leistungen anbieten und diese auch der gesamten Bevölkerung ohne Zugangsbarrieren zur Verfügung stellen, wenn sie Gelder des Zentralstaats in Anspruch nehmen wollen. Rund zwei Drittel der Kanadier haben eine private Zusatzversicherung.

       Finanzierung

      Mit einem Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP in Höhe von 10,7 Prozent (2017) gehört Kanada weiterhin zur Spitzengruppe aller OECD-Länder (der OECD-Durchschnitt liegt bei 8,8 Prozent). Auch bei der Kennzahl „Gesundheitsausgaben pro Kopf“ zählt Kanada mit einem Wert von 4.812 US-Dollar (kaufkraftbereinigt) zu den Ländern, in denen überdurchschnittlich viel für Gesundheit ausgegeben wird. Betrachtet man die Jahre zwischen 2007 und 2017, so lag das durchschnittliche jährliche Wachstum der Gesundheitsausgaben pro Kopf bei – im internationalen Vergleich – eher moderaten 3,2 Prozent pro Jahr.

      69 Prozent der gesamten kanadischen Gesundheitsausgaben sind öffentlich finanziert, die privaten Finanzierungsanteile teilen sich nahezu gleichermaßen auf Quellen der privaten Krankenversicherung und der Privathaushalte auf (13 bzw. 15 Prozent; alle Zahlen für 2017).

      Der öffentliche Gesundheitsdienst wird zu 93 Prozent aus regional erhobenen Steuern finanziert. Bis 1976 beteiligte sich der Zentralstaat zur Hälfte an den Kosten der Gesundheitsversorgung der Provinzen. Im Jahr 1977 wurde die Finanzierungsbeteiligung des Zentralstaats dann auf an die Provinzen fließende Globalzuschüsse (block grants) umgestellt. Wirtschaftlich schwache Provinzen erhalten vom Zentralstaat zudem zweckgebundene Sonderzuweisungen. 2017 deckte der Zentralstaat auf diese Weise rund 24 Prozent der Gesundheitskosten der Regionen ab.

      Einige Provinzen verlangen von ihren Einwohnern zudem zusätzlich Beiträge in Form von Kopfpauschalen bzw. zweckgebundenen Steuern. Ferner zahlen die Arbeitgeber einen auf das Einkommen der Beschäftigten bezogenen proportionalen Gesundheitsbeitrag, der allerdings zwischen den Provinzen variiert (zwischen 1 und 4,5 Prozent).

       Leistungen

      Die Leistungen des regional organisierten Gesundheitsdienstes stehen prinzipiell der jeweiligen Wohnbevölkerung offen – allerdings sind Personen ohne Aufenthaltsgenehmigung nicht von allen Provinzen eingeschlossen.

      Die medizinische Versorgung wird nach dem Sachleistungsprinzip erbracht. Der Leistungsumfang von Medicare wird auf Ebene des Bundestaates einheitlich festgelegt und ist im Vergleich zur deutschen GKV weniger umfangreich: Zahnersatz und Prothesen bei Erwachsenen im Erwerbstätigenalter sind im Regelfall ausgeschlossen und müssen daher selbst bzw. über eine private Versicherung getragen werden. In der ambulanten und stationären Versorgung gibt es keine Selbstbeteiligung. Arzneimittel werden im Rahmen einer Krankenhausbehandlung zuzahlungsfrei abgegeben. Bei allen im Rahmen einer ambulanten Versorgung verordneten Medikamenten fallen hingegen Zuzahlungen an, deren Höhe zwischen den Provinzen variiert. Die meisten Kanadier, rund zwei Drittel der Bevölkerung, verfügen daher entweder über individuell oder von den Arbeitgebern finanzierte private Zusatzversicherungen für Arzneimittel und Zahnersatz oder müssen sich auf spezielle Programme der Provinzen stützen. Diese haben in den letzten Jahren sog. Pharmacare-Programme aufgelegt, die die Versorgung von Patienten mit niedrigem Einkommen sicherstellen oder hohe Arzneimittelkosten abdecken sollen. Auch hier sind allerdings i.d.R. geringe Zuzahlungen fällig.

      Krankengeld und Geldleistungen bei Mutterschaft werden in Kanada für abhängig Beschäftigte und selbstständige Fischer über die Arbeitslosenversicherung gewährt, die sich über proportionale Beiträge auf das Erwerbseinkommen finanziert. Nur in der Provinz Quebec gibt es ein separates Versicherungssystem, das beide Risiken absichert.

       Organisation der Versorgung

      Die regionalen Gesundheitsbehörden verantworten bzw. organisieren die Erbringung/Sicherstellung der kompletten Bandbreite an Gesundheitsdienstleistungen, die vom öffentlichen Gesundheitsdienst angeboten wird.

      Im ambulanten Bereich erfolgt die Gesundheitsversorgung Kanadas überwiegend durch in privater (Einzel-)Praxis tätige Ärzte und Zahnärzte, obwohl die Provinzen/Regionen in den letzten Jahren verstärkt Bemühungen unternehmen, die ärztliche Versorgung über Polikliniken oder Gemeinschaftspraxen zu organisieren. In der hausärztlichen Versorgung haben die Versicherten freie Arztwahl. In der Regel fungieren die Hausärzte als Gatekeeper; ein Facharzt kann daher nur nach hausärztlicher Überweisung konsultiert werden; es gibt aber auch die Möglichkeit zum freien Facharztzugang. Die Primärversorgung erfolgt häufig über multiprofessionell zusammengestellte Primärversorgungsteams. Dies gilt insbesondere für die Provinz Ontario. Dort gibt es seit 2005 „Family Health Teams“. Diese Teams bestehen – neben der Haus- bzw. Familienärzten – aus über zehn weiteren Professionen (z.B. Apotheker, Logopäden, Krankenpfleger, Physiotherapeuten, Psychologen, Sozialarbeiter etc.). Seit 2006 ist die Familienmedizin in Kanada eine anerkannte Facharztdisziplin.

      In der stationären Versorgung können Patienten frei zwischen den Krankenhäusern in ihrer Provinz wählen. Die Krankenhäuser befinden sich meist in öffentlicher Trägerschaft der auch für die Finanzierung zuständigen Provinzen, zum Teil aber auch in kommunaler, privater oder freigemeinnütziger Trägerschaft. Für die meisten Krankenhäuser gibt es ein Globalbudget, in einigen Provinzen ein Fallpauschalensystem. Im internationalen Vergleich fällt die in Kanada geringe Zahl an Krankenhausbetten auf: Während im Jahr 2017 im Durchschnitt aller OECD-Staaten auf 1.000 Einwohner 4,7 Krankenhausbetten kamen, waren es in Kanada nur 2,5. Die vergleichsweise geringe Bettendichte ist das Ergebnis eines bereits in den 70er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts begonnenen Prozesses von Krankenhausschließungen und -fusionen sowie eines sehr deutlichen Rückgangs der durchschnittlichen Aufenthaltsdauer in Krankenhäusern.

      Auch die Arztdichte ist in Kanada unterdurchschnittlich: Auf 1.000 Einwohner kamen im Jahr 2017 2,7 Ärzte – während der OECD-Durchschnitt 3,5 beträgt. Der Versorgungsgrad mit Pflegekräften hingegen liegt mit 10,0 Fachkräften pro 1.000 Einwohner über dem OECD-Durchschnitt.

       Zuständige Behörde im Internet

      Bundesministerium für Gesundheit („Health Canada“): www.hc-sc.gc.ca

       Vertiefende Literatur

      Allin, S./Rudoler, D. 2017: The Canadian Health Care System, in: Mossialos, E. et al. (Eds.): International Profiles of Health Care Systems. Commonwealth Fund. Washington,