Das Gesundheitswesen im internationalen Vergleich. Martin Schölkopf

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Название Das Gesundheitswesen im internationalen Vergleich
Автор произведения Martin Schölkopf
Жанр Медицина
Серия
Издательство Медицина
Год выпуска 0
isbn 9783954665983



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Personals deutlich gekürzt und in den Krankenhäusern ein auf Fallpauschalen basierendes Vergütungssystem etabliert.

      Der Anteil öffentlicher Gesundheitsausgaben an den Gesamtaufwendungen für Gesundheit betrug in Griechenland 2017 rund 60 Prozent. Im Umkehrschluss wurden nahezu 40 Prozent der Gesundheitsausgaben aus privaten Quellen finanziert (36 Prozent durch die privaten Haushalte und 4 Prozent durch die private Krankenversicherung). In Europa gibt es mit Lettland nur noch ein Land, das einen höheren Anteil an privater Finanzierung der Gesamtausgaben aufweist. Private Mittel werden von den Griechen vor allem für die (Zuzahlungen zur) Arzneimittelversorgung sowie für Gesundheitsdienstleistungen ausgegeben, die nicht im gesetzlichen Leistungspaket des nationalen Gesundheitsdienstes enthalten sind. Darüber hinaus spiegelt der hohe Anteil privater Aufwendungen auch die Tradition von informellen Zahlungen im griechischen Gesundheitssystem wider: Diese ist Experten zufolge üblich und auf die Unterfinanzierung des öffentlichen Systems, aber auch auf fehlende Kontrollmechanismen zurückzuführen.

      Der nationale Gesundheitsdienst Griechenlands finanziert sich aus zwei Quellen: unmittelbaren Staatszuschüssen und Sozialversicherungsbeiträgen. Während die Krankenkassen bis 2011 unterschiedliche Beitragssätze berechneten, gibt es seit der Gründung von EOPYY einen einheitlichen Krankenversicherungsbeitrag in Höhe von 7,10 Prozent des Einkommens. Dieser ist Teil des generellen Sozialversicherungsbeitrags. Er wird von der Sozialversicherung EFKA eingezogen und an EOPYY weitergeleitet. Die Beiträge für Sachleistungen bei Krankheit betragen 6,45 Prozent (2,15 Prozent Arbeitnehmer und 4,30 Prozent Arbeitgeber). Für Geldleistungen bei Krankheit werden weitere 0,65 Prozent fällig (0,40/0,25). Es gilt eine Beitragsbemessungsgrenze von 6.500 Euro pro Monat.

      Im internationalen Vergleich fällt auf, dass Griechenland überproportional viel Geld für die Krankenhausversorgung ausgibt: Während hierauf im Jahr 2017 im Schnitt aller EU-Länder rund 26 Prozent aller Gesundheitsausgaben entfielen, lag der entsprechende Anteil in Griechenland bei 41 Prozent. Kein EU Mitgliedsstaat gab einen höheren Anteil der Gesamtausgaben für stationäre Versorgung aus.

       Leistungen

      Die Leistungen des griechischen Gesundheitswesens werden nach dem Sachleistungsprinzip gewährt. Mit der Gründung von EOPYY wurde auch der Leistungskatalog vereinheitlicht. Dieser umfasst Leistungen der Primärversorgung ebenso wie die Krankenhausversorgung. Ferner ist die Arzneimittelversorgung enthalten – allerdings mit Einschränkungen (s.u.), dasselbe gilt für die zahnärztliche Versorgung. Neben den Sachleistungen werden Geldleistungen wie bspw. Mutterschaftsgeld gewährt. Arbeitnehmer erhalten zudem Krankengeld. Die Leistungsdauer ist dabei abhängig von der Dauer der Beitragszahlung.

      Die im Zuge des „Memorandums of Understanding“ eingeführten Zuzahlungsregeln für Krankenhausaufenthalte und Arztbesuche wurden 2015 wieder weitestgehend abgeschafft. Geblieben sind allerdings hohe Zuzahlungen für ärztlich verordnete Arzneimittel, Zahnprothesen und Heil- und Hilfsmittel. Für sie greift eine Selbstbeteiligung in Höhe von 25 Prozent der Kosten. Zuzahlungsermäßigungen bzw. vollständige Erlasse gibt es bei Arzneimitteln im Falle einiger chronischer Krankheiten und für Bürger mit geringem Einkommen; Rentner mit Mindestrente müssen generell nur 10 Prozent Zuzahlung leisten.

       Organisation der Versorgung

      Zentraler Akteur des griechischen Gesundheitssystems ist EOPYY als Versicherungs- bzw. Finanzierungsträger. EOPYY organisiert die Gesundheitsversorgung durch Verträge mit öffentlichen und privaten Leitungserbringern im ambulanten und stationären Sektor.

      Generell zeichnet sich das griechische System – zumindest im städtischen Bereich – durch eine Vielzahl an Wahlmöglichkeiten aus: Die ambulante/ allgemeinmedizinische Versorgung wird durch Hausärzte, die einen Vertrag mit EOPYY haben, sowie von Einrichtungen des öffentlichen Gesundheitsdienstes oder auch von in den Ambulanzen der Krankenhäuser erbracht. Aktuell gibt es keinen „Gatekeeping“-Mechanismus – aber die Einführung eines solchen wurde zuletzt immer wieder diskutiert.

      Der Zugang zur fachärztlichen Versorgung erfolgt über die Krankenhäuser oder auch über niedergelassene Spezialisten. Deren Verträge mit EOPYY enthalten allerdings ein Budget von 200 Konsultationen pro Monat. Ist dieses Budget ausgeschöpft, bleibt den Versicherten häufig nur die Option, Behandlungskosten privat zu tragen (s.o.). Seit 2011 haben Fachärzte, die an öffentlichen Krankenhäusern angestellt sind, die Möglichkeit, zusätzliche private Nachmittagssprechstunden anzubieten, wobei die hieraus resultierenden Einnahmen zwischen dem Arzt und dem Krankenhausträger geteilt werden. Dieses Angebot wird ebenfalls von vielen Griechen angenommen und trägt zu dem hohen Anteil an privat finanzierten Gesundheitsausgaben bei (s.o.).

      Das griechische Gesundheitssystem ist sehr (fach-)arztzentriert: Griechenland kann mit 6,1 Ärzten pro 1.000 Einwohner (2017) auf die höchste Arzt-Patienten-Quote in der EU verweisen, gleichzeitig aber auch auf die schlechteste Pflegekraft-Patienten-Quote.

      Die Krankenhausversorgung wird durch Krankenhäuser des öffentlichen Gesundheitsdienstes, Krankenhäuser der Sozialversicherung sowie durch private Kliniken sichergestellt, die Verträge mit EOPYY abgeschlossen haben. Von den 283 (2014) Krankenhäusern waren 45 Prozent in privater Trägerschaft; rund 65 Prozent der Betten wurden von öffentlichen, 35 Prozent von privaten Träger bereitgestellt. Die Bettendichte in Griechenland lag mit 4,2 Betten je 1.000 Einwohner (2017) etwas unter dem Schnitt der EU Mitgliedsstaaten (5,0).

       Zuständige Behörden im Internet

      Ministerium für Gesundheit: www.moh.gov.gr

      Nationale Krankenkasse: www.eopyy.gov.gr

       Vertiefende Literatur

      Economou, C. et al. 2017: Greece. Health system review. Health Systems in Transition. Copenhagen.

      OECD/European Observatory on Health Systems and Policies 2019: Greece: Country Health Profile 2019, State of Health in the EU, OECD Publishing, Paris/ European Observatory on Health Systems and Policies, Brussels.

       2.2 Länder mit regionalem Gesundheitsdienst

      Länder mit regionalem Gesundheitsdienst sind entweder historisch – wie Italien und Spanien – mit einem nationalen System gestartet und sind zwischenzeitlich zu dem Ergebnis gelangt, dass eine dezentrale, regionalisierte Versorgung bedarfsgerechter ist oder es sind föderal strukturierte Länder wie Kanada, Australien und Neuseeland, die ihre Gliedstaaten schon aus verfassungsrechtlichen Gründen beteiligen müssen.

       2.2.1 Italien

       Grundstruktur

      Bis in die 70er-Jahre des letzten Jahrhunderts basierte Italiens Gesundheitswesen auf einem Sozialversicherungssystem. Der Versicherungsschutz wurde durch ca. 100 verschiedene Krankenkassen sichergestellt, die allerdings Leistungen in unterschiedlichem Umfang gewährten. Mit einer umfassenden Gesundheitsreform im Jahr 1978 wurde dies geändert: Um das große Nord-Süd-Gefälle im Versorgungsniveau zu beseitigen und ein landesweit einheitliches Leistungsangebot zu erreichen, erfolgte damals eine Umstellung auf einen zentralen staatlichen Gesundheitsdienst („Servizio Sanitario Nazionale – SSN“), der seitdem alle Einwohner Italiens erfasst. Mit mehreren Reformen Ende der 1990er-Jahre und im Jahr 2001 wurde die Verantwortung für die Gesundheitsversorgung dezentralisiert. Seither sind die 19 Regionen bzw. die zwei autonomen Provinzen für die Organisation der Gesundheitsversorgung vor Ort verantwortlich und übernehmen einen Großteil der Finanzierung. Die Regionen erstellen alle drei Jahre regionale Gesundheitspläne, die u.a. vorgeben, wie die finanziellen Mittel an die lokalen Gesundheitsbehörden und Krankenhäuser verteilt werden. Die Gesundheitsversorgung vor Ort wird dann von den lokalen Gesundheitsbehörden organisiert, von denen es rd. 200 gibt und die für jeweils zwischen 50.000 und 200.000